EU-Staaten bringen Abschwächung von Wolfsschutz auf den Weg Von Marek Majewsky und Carsten Hoffmann, dpa
25.09.2024 12:28
Kaum eine Debatte wird so emotional geführt wie der Schutz von
Wölfen. Populationen in Europa erholen sich und sind vor allem
Landwirten ein Dorn im Auge. Nun kommt Bewegung in die Angelegenheit.
Brüssel/Berlin (dpa) - Vertreter der EU-Staaten haben mit der Stimme
Deutschlands eine Abschwächung des Schutzes von Wölfen auf den Weg
gebracht. Das bestätigten mehrere Diplomaten der Deutschen
Presse-Agentur in Brüssel. Die Bundesregierung ändert damit
ihren bisherigen Kurs in der Wolfspolitik. Mit der Entscheidung ist
ein schwächerer Schutzstatus noch nicht bindend in EU-Recht
verankert.
Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfs von streng geschützt
auf geschützt gesenkt werden soll. Damit könnten Wölfe
höchstwahrscheinlich leichter abgeschossen werden, auch wenn Details
dazu noch nicht feststehen.
Erster Schritt
Nun folgt ein längerer Prozess, die heutige Entscheidung von
Vertretern der EU-Staaten ist ein erster Schritt zur Absenkung des
Schutzstatus. Wenn die Entscheidung auch formell auf Ministerebene
angenommen wurde, kann die EU einen entsprechenden Antrag auf
Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs beim sogenannten Ständigen
Ausschuss der Berner Konvention einreichen. Diese ist ein 1979
verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz
europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen.
Wenn es im Ständigen Ausschuss eine Mehrheit für den geänderten
Schutzstatus gibt, kann die EU-Kommission einen Vorschlag zur
Änderung des Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht vorlegen. Dieser
Vorschlag braucht nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und
eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben sind
möglich.
Nach Angaben aus Diplomatenkreisen ist es Deutschland wichtig, dass
nur der Schutzstatus für den Wolf und nicht auch für andere Tiere
geändert werde. Die EU-Kommission habe dies zugesagt. Zudem müsse aus
deutscher Sicht eine Koexistenz von Wolf und Weidehaltung möglich
sein.
«Es geht darum, tödliche Risse und das qualvolle Sterben unserer
Nutztiere zu beenden und gleichzeitig der Weidetierhaltung eine
Zukunft zu geben», sagte die stellvertretende
FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Carina Konrad. Naturschutz
brauche klare Regeln und die Möglichkeit, Wölfe zu jagen.
Diskussion in Deutschland inzwischen hochemotional
Mit der Kursänderung reagiert die Bundesregierung auch auf eine
Diskussion, die zunehmend aggressiv geführt wird. Risse von
Nutztieren wie Schafen und Rindern häuften sich zuletzt und werden
für die Weidetierhaltung - selbst erklärtes Ziel einer nachhaltigen
Landwirtschaft - zum Problem. Herdenschutzmaßnahmen zur Abwehr von
Wölfen würden zunehmend überwunden, hieß es zuletzt.
Während es Berichte über Wölfe gibt, die es bis in Ställe schaffen,
ist die sogenannte Entnahme - in der Praxis die Tötung einzelner
Tiere - ein Problem. Wolfsschützer klagen vor Verwaltungsgerichten
und verhindern so den Abschuss. Viehhalter in Flächenländern wie
Brandenburg oder Niedersachsen sind zornig. Gefordert werden ein
Bestandsmanagement bis hin zu «wolfsfreien Zonen».
Wolf war ausgerottet
Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF überlebte der Wolf zwar
im Osten und Süden Europas, wurde in Westeuropa und damit auch in
Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts aber ausgerottet. Die
sächsische Fachstelle Wolf schreibt, dass in den 1970er und 1980er
Jahren ein Umdenken erfolgte und der Wolf in vielen europäischen
Ländern unter Schutz gestellt wurde. Laut Bundesumweltministerium
wurden im Monitoringjahr 2022/2023 knapp 1.400 Wölfe in Deutschland
nachgewiesen. Das Europäische Umweltbüro (EEB) - ein Dachverband von
Umweltorganisationen - schätzt, dass es in Europa rund 20.000 Tiere
gibt.
Der Deutsche Bauernverband warnt derweil vor steigenden Angriffen auf
Nutztiere durch Wölfe. Für 2022 gibt die Lobbyorganisation mehr als
4.300 getötete, verletzte oder vermisste Nutztiere an. 2018 lag diese
Zahl den Angaben zufolge noch etwa halb so hoch. Dabei sind laut
offiziellen Angaben auch die Ausgleichszahlungen für entsprechende
Schäden in diesen Jahren deutlich gestiegen.