Kursänderung beim Wolf - EU-Staaten wollen Schutz absenken Von Marek Majewsky und Carsten Hoffmann, dpa
25.09.2024 17:26
Wut auf den Wolf: Kaum eine Debatte wird zwischen Naturschützern und
Landwirten so emotional geführt wie der Schutz des großen
Beutegreifers. Nun kommt Bewegung in die Angelegenheit.
Brüssel/Berlin/Potsdam (dpa/bb) - Vertreter der EU-Staaten haben mit
der Stimme Deutschlands für einen abgesenkten Schutz des Wolfs
gestimmt. Damit wurde in Brüssel der Weg für ein Verfahren
freigemacht, um den Bestand des wegen Beutejagds auf Weidetiere
umstrittenen Räubers strenger regulieren zu können.
«Die Bestandszahlen des Wolfes haben sich in den letzten Jahren so
entwickelt, dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes
verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig ist»,
teilte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in Berlin mit.
Ihr Parteikollege, Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel, erklärte
auf Anfrage, dass er «die angekündigten Schritte der EU und des
Bundes, den Umgang mit schadstiftenden Wölfen rechtlich besser
abzusichern und zu erleichtern» begrüße. Er habe sich auch persönli
ch
auf Bundesebene dafür eingesetzt, dass es Erleichterungen in der
Bewertung der rechtlichen Voraussetzungen für Entnahmen dieser Wölfe
geben solle.
Die Bundesregierung ändert ihre Haltung
Lemke betonte, dass eine Reduzierung des Schutzstatus dem Gesetzgeber
mehr Spielraum und Flexibilität im Umgang mit problematischen Wölfen
geben könne, sie sei aber kein Freifahrtschein für ungeregelte
Abschüsse. Und: «Der Wolf ist und bleibt eine geschützte Art, sein
guter Erhaltungszustand das Ziel.»
Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfs von streng geschützt
auf geschützt gesenkt werden soll. Die Bundesregierung ändert mit der
Zustimmung ihren Kurs in der Wolfspolitik, auch wenn mit der
Entscheidung ein schwächerer Schutzstatus noch nicht bindend in
EU-Recht verankert ist. Erwartet wird, dass problematische Wölfe
künftig leichter abgeschossen werden können, auch wenn Details dazu
derzeit nicht feststehen.
Balance zwischen Natur- und Weidetierschutz
Nach Angaben aus Diplomatenkreisen ist es Deutschland wichtig, dass
nur der Schutzstatus für den Wolf und nicht auch für andere Tiere
geändert werde. Zudem müsse aus deutscher Sicht eine Koexistenz von
Wolf und Weidehaltung möglich sein. Ein Kommissionssprecher sagte:
«Wir haben auch sehr deutlich gemacht, dass es hier um den Wolf geht
und nur um den Wolf.» Jegliche Änderungen im EU-Recht würden sich auf
diese spezielle Art beschränken.
«Es geht darum, tödliche Risse und das qualvolle Sterben unserer
Nutztiere zu beenden und gleichzeitig der Weidetierhaltung eine
Zukunft zu geben», sagte die stellvertretende
FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Carina Konrad. Naturschutz
brauche klare Regeln und die Möglichkeit, Wölfe zu jagen.
Kritik an der Entscheidung äußerte die Naturschutzorganisation Nabu.
«Wer annimmt, dass durch den erleichterten Abschuss von Wölfen das
Risiko von Rissen verschwindet, irrt», teilte der Nabu mit. Der
Herdenschutz müsse immer eine Rolle spielen, denn auch wenige Wölfe
könnten bei ungeschützten Herden großen Schaden anrichten.
Diskussion in Deutschland inzwischen hochemotional
Die Bundesregierung reagiert auch auf eine Diskussion, die zunehmend
aggressiv geführt wird. Risse von Nutztieren wie Schafen und Rindern
häuften sich zuletzt und werden für die Weidetierhaltung - selbst
erklärtes Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft - zum Problem.
Herdenschutzmaßnahmen zur Abwehr von Wölfen werden zunehmend
überwunden.
Während es Berichte über Wölfe gibt, die es bis in Ställe schaffen,
ist auch die sogenannte Entnahme - in der Praxis die Tötung einzelner
Tiere - ein Problem. Wolfsschützer klagen vor Verwaltungsgerichten
und verhindern so den Abschuss. Viehhalter in Flächenländern wie
Brandenburg oder Niedersachsen sind zornig. Gefordert werden ein
Bestandsmanagement bis hin zu «wolfsfreien Zonen».
Brandenburg gilt als Wolfsland Nummer eins in Deutschland. Der Umgang
mit dem streng geschützten Tier löst seit vielen Jahren Streit aus.
Landesumweltminister Vogel betonte nun: «Wir werden die Tierhalter
nicht nur wie bisher beim Herdenschutz, bei der Prävention und
Entschädigung umfassend unterstützen, sondern alles daran setzen,
eine schnellere und unbürokratische Entnahme von schadenstiftenden
Wölfen rechtssicher zu ermöglichen.»
Erster Schritt
Nun folgt ein längerer Prozess. Wenn die Entscheidung auch formell
auf Ministerebene angenommen wurde, kann die EU einen entsprechenden
Antrag auf Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs beim sogenannten
Ständigen Ausschuss der Berner Konvention einreichen. Diese ist ein
1979 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum
Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen.
Wenn es im Ständigen Ausschuss eine Mehrheit für den geänderten
Schutzstatus gibt, kann die EU-Kommission einen Vorschlag zur
Änderung des Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht vorlegen. Dieser
Vorschlag braucht nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und
eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben sind
möglich.
Wolf war ausgerottet
Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF wurde der Wolf in
Westeuropa und damit auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts
ausgerottet. Er überlebte demnach nur im Osten und Süden Europas. Die
sächsische Fachstelle Wolf schreibt, dass in den 1970er und 1980er
Jahren ein Umdenken erfolgte und der Wolf in vielen europäischen
Ländern unter Schutz gestellt wurde.
Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2022/2023 knapp
1.400 Wölfe in Deutschland nachgewiesen - Tendenz steigend. Das
Europäische Umweltbüro (EEB) - ein Dachverband von
Umweltorganisationen - schätzt, dass es in Europa rund 20.000 Tiere
gibt.
Der Deutsche Bauernverband warnte zuletzt vor steigenden Angriffen
auf Nutztiere durch Wölfe. Für 2022 gibt die Lobbyorganisation mehr
als 4.300 getötete, verletzte oder vermisste Nutztiere an. 2018 lag
diese Zahl den Angaben zufolge noch etwa halb so hoch. Dabei sind
laut offiziellen Angaben auch die Ausgleichszahlungen für
entsprechende Schäden in diesen Jahren deutlich gestiegen.
«Der Schutzstatus des Wolfes ist nicht mehr gerechtfertigt, die
Probleme mit dem Wolf selbst nehmen in Deutschland und Europa
dramatisch zu», erklärte der Präsident des Bauernverbandes, Joachim
Rukwied, am Mittwoch. «Die Herabsetzung des Schutzstatus ist
folgerichtig und ein erster wichtiger Schritt für unsere
Weidetierhalter, dass sich in Sachen Wolf etwas bewegt.»