Chef der Londoner City: Großer Erfolg trotz Brexits

28.09.2024 06:21

Der Abgesang auf Londons Finanzdistrikt wegen des EU-Austritts war
verfrüht. Zehntausende Arbeitsplätze seien verloren gegangen, aber
der Siegeszug der City of London halte an, sagt deren Chef.

London (dpa) - Der Finanzdistrikt der britischen Hauptstadt, die City
of London, ist trotz des EU-Austritts Großbritanniens in den
vergangenen Jahren kräftig gewachsen. Das sagte das Oberhaupt (Lord
Mayor) der City of London Corporation, Michael Mainelli, im Gespräch
mit der Deutschen Presse-Agentur. 

London sei nach wie vor der wichtigste Finanzstandort weltweit. Die
Handelsbarrieren, die durch den EU-Austritt, den sogenannten Brexit,
entstanden seien, hätten den Dienstleistungssektor weniger stark
betroffen als befürchtet.

Die Zahl der Beschäftigten in der auch als Square Mile bezeichneten
City ist Mainelli zufolge in den vergangenen acht Jahren seit dem
Brexit-Referendum von 525.000 auf 615.000 gestiegen. Beim größten
Teil der Unternehmen handle es sich um kleine und mittelständische
Firmen. Ein weiterer Richtwert sei Londons Anteil am globalen
Vermögensmanagement, der zwischen 2016, dem Jahr des Brexit-Votums,
und 2023 von 11 Prozent auf 13 Prozent gewachsen sei.

Mainelli, der seinen Posten als 695. Lord Mayor bald wieder abgeben
wird, will Anfang Oktober nach Deutschland reisen. Neben Hamburg wird
er auch München besuchen. 

Was ohne Brexit wäre, ist inzwischen reine Spekulation

«Ich war für den Verbleib in der EU. Deshalb würde ich behaupten,
dass es uns ohne Brexit besser ergangen wäre, sogar noch besser», so
Mainelli weiter. Er gehe davon aus, dass der Brexit die City etwa
30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze gekostet habe. Inzwischen handle es
sich aber um reine Spekulation, was gewesen wäre, wenn es den Brexit
nicht gegeben hätte. Fakt sei aber: Es laufe blendend.

Dienstleistungen machen etwa 80 Prozent der britischen
Wirtschaftsleistung aus. In der City of London gehören dazu neben
Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistungen auch
Unternehmen in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Schifffahrt,
Kunst, Medien, Kultur und Bildung. Dort fänden sich 40
wissenschaftliche Gesellschaften, 177 Hochschulen und 130
Forschungsinstitute.

Eine kürzlich veröffentlichte Analyse der London School of Economics
(LSE) bestätigt die Angaben aus der City. Demnach hat der Brexit vor
allem kleinere Unternehmen im Bereich des Warenhandels stark
getroffen, während der Dienstleistungssektor seine Exporte kräftig
steigern konnte.

City of London profitierte auch von Wandel durch Corona 

Laut Mainelli hat zum Erfolg der City auch die Corona-Pandemie
beigetragen, die zu mehr Effizienz geführt habe. Ein Faktor sei, dass
etwa Beratung per Videoschalte sehr viel besser angenommen werde. Das
habe zu einem Rückgang der Geschäftsreisen geführt. «Wenn man zwei

oder drei Reisen vermeiden kann, die persönlich stattfinden mussten,
braucht es nicht viel, um deutlich effizienter und produktiver zu
werden.»

Die City of London, die ungefähr das Gebiet der historischen Altstadt
umfasst, ist zentraler Standort der britischen Finanzindustrie und
hat einen Sonderstatus, der bis ins Mittelalter zurückgeht. Verwaltet
wird sie von der City of London Corporation, der ein jährlich neu
gewählter, als Lord Mayor bezeichneter Repräsentant vorsteht. Neben
Verwaltungsaufgaben nimmt die Corporation auch die Interessen der
Unternehmen in der City wahr.