Le Pen vor Gericht: Verdacht auf Veruntreuung von EU-Geld
30.09.2024 05:01
Die Affäre um eine mögliche Scheinbeschäftigung von Assistenten im
EU-Parlament belastet Frankreichs Rechtsnationale seit Jahren. Jetzt
stehen Marine Le Pen und andere Angeklagte in Paris vor Gericht.
Paris (dpa) - In der Affäre um mögliche Scheinbeschäftigung von
Mitarbeitern im Europaparlament müssen sich Marine Le Pen und weitere
französische Rechtsnationale von heute an vor einem Pariser
Strafgericht verantworten. Den insgesamt 28 Angeklagten wird
Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Neben der langjährigen
Parteivorsitzenden Marine Le Pen gehört auch ihr Vater und
Parteigründer Jean-Marie Le Pen zu den Beschuldigten. Marine Le Pen
hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen.
Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 2004 bis 2016 und richten
sich gegen die Partei Rassemblement National (früher: Front
National), damalige Abgeordnete und Assistenten. Dabei geht es um die
mögliche Scheinbeschäftigung von Assistenten von mehreren
französischen Europaabgeordneten. Zentraler Vorwurf ist, dass Le Pens
Partei Gelder für parlamentarische Assistenten vom Europäischen
Parlament bekommen hat, die aber eigentlich für die Partei gearbeitet
hätten.
Es geht um sieben Millionen Euro
Insgesamt soll es um eine Summe von knapp sieben Millionen Euro
gehen. Marine Le Pen hatte vor einem Jahr bereits vom Europaparlament
zurückgeforderte 330 000 Euro überwiesen. Ihre Partei betont aber
stets, dass dies kein Eingeständnis eines Fehlverhaltens sei.
Die Affäre belastet Le Pen und ihre Partei bereits seit Jahren.
Sollte es zu Schuldsprüchen kommen, drohen den Angeklagten
empfindliche Geldstrafen sowie Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Im
Falle einer Verurteilung könnten die Angeklagten außerdem für fünf
Jahre für unwählbar erklärt werden, was eine Kandidatur von Marine Le
Pen bei der Präsidentschaftswahl 2027 ausbremsen könnte.
Rassemblement National so stark wie nie
Die juristische Aufarbeitung der Vorwürfe fällt in eine Phase, in der
das Rassemblement National so stark wie noch nie dasteht. Die bei den
vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni bereits als potenzieller Sieger
gehandelten Rechtsnationalen landeten am Ende zwar nur auf Rang drei.
Da die Partei im Parlament aber stark vertreten ist, kann sie auf die
frisch formierte Mitte-Rechts-Regierung des konservativen Premiers
Michel Barnier großen Einfluss ausüben.
Dass Le Pen und weitere Parteiverantwortliche nun auf der Anklagebank
Platz nehmen müssen, wirkt dem Bestreben einer Normalisierung der
Partei entgegen. Le Pen hatte der Partei nicht nur einen neuen Namen
gegeben, sondern auch von allzu radikalen Positionen Abstand
genommen, um die früher klar rechtsextremistische Partei bis hin in
die bürgerliche Mitte wählbar zu machen. In der Parlamentsarbeit
bemühten die Rechtsnationalen sich zuletzt - anders als die
Linkspartei - um eine konstruktive und zurückhaltende
Oppositionsarbeit.
Der Prozess ist bis Ende November terminiert. Dabei bereitet die
Partei sich auf einen langen Rechtsstreit vor, wie die Zeitung «Le
Monde» berichtete. Für die Partei bestehe die Herausforderung darin,
die Gerichts- und Wahlkalender gut aufeinander abzustimmen. Im Umfeld
der erklärten Präsidentschaftskandidatin Le Pen werde bereits eine
Entscheidung in einem möglichen Berufungsverfahren Ende 2026, also
sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl, und ein
Kassationsverfahren im Jahr 2028 in Betracht gezogen, schrieb die
Zeitung.