Prozess gegen Le Pen wegen Veruntreuung von EU-Geld gestartet
30.09.2024 16:40
Schon lange will Marine Le Pen Präsidentin werden, nun sitzt sie auf
der Anklagebank. Der Prozess um eine mögliche Scheinbeschäftigung von
Assistenten im EU-Parlament könnte ihre Ambition ausbremsen.
Paris (dpa) - Vor einem Pariser Strafgericht hat der Prozess gegen
Marine Le Pen und weitere französische Rechtsnationale in der Affäre
um mögliche Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament
begonnen. Den insgesamt 28 Angeklagten wird Veruntreuung öffentlicher
Gelder angelastet. Zentraler Vorwurf ist, dass Le Pens Partei Geld
für parlamentarische Assistenten vom Europäischen Parlament bekommen
hat, die aber eigentlich teils oder zur Gänze für die Partei
gearbeitet hätten.
Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 2004 bis 2016 und richten
sich gegen die Partei Rassemblement National (früher: Front
National), damalige Abgeordnete und Assistenten. Dabei geht es um die
mögliche Scheinbeschäftigung von Assistenten von mehreren
französischen Europaabgeordneten. Insgesamt soll es um eine Summe von
knapp sieben Millionen Euro gehen.
Le Pen: Haben nicht gegen Regeln verstoßen
Noch vor Prozessstart wies Marine Le Pen die Vorwürfe zurück. «Wir
haben gegen keine politische Regel und keine Regel des Europäischen
Parlaments verstoßen», sagte die langjährige Parteivorsitzende beim
Eintreffen im Gericht. Und beim Verlesen der Anklage betonte sie:
«Ich antworte auf alle Fragen, die mir gestellt werden.» Le Pen hatte
vor einem Jahr bereits vom Europaparlament zurückgeforderte 330.000
Euro überwiesen. Ihre Partei betonte aber, dass dies kein
Eingeständnis eines Fehlverhaltens sei.
Neben Marine Le Pen gehört auch ihr Vater und Parteigründer
Jean-Marie Le Pen (96) zu den Beschuldigten. Aus Gesundheitsgründen
erschien er aber nicht vor Gericht, wie auch ein weiterer
Angeklagter.
Die Affäre belastet Le Pen und ihre Partei bereits seit Jahren. Die
juristische Aufarbeitung der Vorwürfe fällt in eine Phase, in der das
Rassemblement National so stark wie noch nie dasteht. Die bei den
vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni bereits als potenzieller Sieger
gehandelten Rechtsnationalen landeten am Ende zwar nur auf Rang drei.
Da die Partei im Parlament aber stark vertreten ist, kann sie auf die
frisch formierte Mitte-Rechts-Regierung des konservativen Premiers
Michel Barnier großen Einfluss ausüben.
Prozess stört Bestreben des RN um Normalisierung
Dass Le Pen und weitere Parteiverantwortliche nun auf der Anklagebank
Platz nehmen müssen, wirkt dem Bestreben einer Normalisierung der
Partei entgegen. Le Pen hatte der Partei nicht nur einen neuen Namen
gegeben, sondern auch von allzu radikalen Positionen Abstand
genommen, um die früher klar rechtsextremistische Partei bis hin in
die bürgerliche Mitte wählbar zu machen. In der Parlamentsarbeit
bemühten sich die Rechtsnationalen zuletzt - anders als die
Linkspartei - um eine konstruktive und zurückhaltende
Oppositionsarbeit.
Der Prozess ist bis Ende November terminiert. Sollte es zu
Schuldsprüchen kommen, drohen den Angeklagten empfindliche
Geldstrafen sowie Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Im Falle einer
Verurteilung könnten die Angeklagten außerdem für fünf Jahre für
unwählbar erklärt werden, was eine Kandidatur von Marine Le Pen bei
der Präsidentschaftswahl 2027 ausbremsen könnte.