Krebsforscher: Rauchverbote im Freien hätten gesellschaftlich Wirkung

29.11.2024 03:01

Rauchfreie Zonen auch draußen - was würde das bringen? Dem
Krebsforschungszentrum DKFZ zufolge eine ganze Menge.

Heidelberg (dpa) - Das EU-Parlament hat sich auf keine gemeinsame
Erklärung zu möglichen Rauchverboten im Freien einigen können. Eine
solche Regelung hätte jedoch nach Einschätzung des Deutschen
Krebsforschungszentrums (DKFZ) eine Wirkung auf die Gesellschaft und
vor allem auf Kinder und Jugendliche: Seien seltener Menschen beim
Rauchen zu sehen, werde das weniger als normales Verhalten
wahrgenommen. «Dies ist ein wichtiger Effekt auf Kinder und
Jugendliche.»

Voraussichtlich kommende Woche soll es nun noch eine Entscheidung
über eine Empfehlung der EU-Kommission geben, rauchfreie Zonen
auszuweiten - etwa auf Freizeitbereiche wie öffentliche Spielplätze,
Freizeitparks und Freibäder sowie Haltestellen und Bahnhofsbereiche.

Das «Normal» verändern

Die Akzeptanz für das Rauchen sinke mit solchen Maßnahmen, wie die
Einführung der Nichtraucherschutzgesetze hierzulande gezeigt habe,
sagte Katrin Schaller von der DKFZ-Stabsstelle Krebsprävention in
Heidelberg. «Auf einmal war es nicht mehr normal, dass man überall
raucht, und dass Restaurants verqualmt sind. Stattdessen war es
normal, dass man zum Rauchen nach draußen geht.»

In diesem Sinne könnten Rauchverbote im Freien dazu beitragen, dass
weniger Jugendliche anfangen zu rauchen, erklärte Schaller - «einfach
deswegen, weil das Rauchen als gesellschaftlich weniger akzeptiert
und erstrebenswert wahrgenommen wird».

Der Vorschlag der EU-Kommission an die Staaten ist lediglich eine
Empfehlung. Nichts davon verpflichtet Deutschland - für
Gesundheitspolitik sind die Mitgliedstaaten selbst zuständig.

Andere Länder sind weiter

In einigen Ländern gebe es bereits Rauchverbote im öffentlichen Raum
im Freien, sagte Schaller. «Beispielsweise ist in Australien in
mehreren Staaten das Rauchen auf Restaurantterrassen verboten, in
Barcelona sind die Strände rauchfrei.» Solche Regelungen, die das
Rauchen an bestimmten Orten untersagen, trügen dazu bei, dass einige
rauchende Menschen über ihr Verhalten nachdenken, erklärte Schaller.

Dass Schutzmaßnahmen zumindest für einen Teil der Raucher eine
Motivation zum Rauchstopp sein können, zeigen Ergebnisse einer Studie
zur Bewertung der deutschen Tabakkontrollpolitik: Von 2007 bis 2009
haben demnach rund 14 Prozent der Raucher das Rauchen aufgegeben.
Knapp 19 Prozent dieser ehemaligen Raucher gaben an, dass die
eingeführten Rauchverbote ein Grund für den Rauchstopp gewesen seien.
Und fast ein Drittel (30 Prozent) gaben an, dass die neuen Regelungen
ihnen halfen, nicht wieder mit dem Rauchen anzufangen.

Nutzen auch für Raucher, die Raucher bleiben

Ein weiterer Effekt von Nichtraucherschutzgesetzen sei, dass
rauchende Menschen weniger rauchen, ergänzte Schaller. «Es ist zu
vermuten, dass ein ähnlicher Effekt eintritt, wenn im Freien
Rauchverbote eingeführt werden.» Mitunter vielleicht schlichtweg
deshalb, weil Raucher keine Lust haben, extra für die nächste
Zigarette die gemütliche Runde am Strand oder auf dem Weihnachtsmarkt
zu verlassen.

Nicht zu vernachlässigen sei bei der Diskussion um Rauchverbote im
Freien das Passivrauchen, hieß es vom DKFZ weiter. «Auch im Freien
führt Rauchen zu einer Belastung der Umgebungsluft mit Schadstoffen.»
Zwar sei die Belastung draußen geringer als in geschlossenen Räumen,
aber bei Messungen auf Restaurantterrassen habe sich gezeigt, dass
die Tabakrauchbelastung auch dort durchaus beträchtlich sein kann.

Deutschland Jahrzehnte im Verzug

In der Summe seien umfassende Nichtraucherschutzgesetze eine wirksame
Maßnahme, um den Anteil rauchender Menschen in der Bevölkerung zu
senken, betonte Schaller. Dafür müssten sie auch die Einrichtung von
Raucherräumen und Raucherkneipen untersagen, sich auch auf
Außenbereiche erstrecken und auch Tabakerzeugnissen verwandte
Produkte wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer erfassen.

Vorbildlich agierten Neuseeland und Großbritannien, die in den
letzten Jahrzehnten viele wirksame Tabakpräventionsmaßnahmen
umgesetzt hätten. Deutschland hingegen habe in den letzten 20 Jahren
kaum Tabakkontrollmaßnahmen umgesetzt, so Schaller, «und wenn, dann
zumeist weniger aus eigenem Antrieb als vielmehr, um europäische
Regelungen umzusetzen». Bis zur ersten rauchfreien Generation sei es
darum hierzulande noch ein weiter Weg.