Aus für Amalgam - Abschied von einer brisanten Wundersubstanz Von Annett Stein, dpa

26.12.2024 04:01

Grau-silbrige Füllungen tragen etliche Menschen in einigen ihrer
Zähne. Neu hinzukommen werden nur noch wenige: Der Einsatz von
Amalgam ist ab 2025 verboten. Warum - und welche Alternativen gibt
es?

Berlin (dpa) - Über die möglichen gesundheitlichen Folgen von
Amalgam-Zahnfüllungen wird seit etlichen Jahren diskutiert. Mit
Beginn des neuen Jahres ist die Verwendung von Dentalamalgam nun
weitgehend verboten - allerdings nicht aus direkten gesundheitlichen
Gründen. Vielmehr geht es bei dem EU-Beschluss darum, das in Amalgam
enthaltene giftige Quecksilber besser aus der Umwelt zu verbannen.

Das Verbot betrifft ausschließlich neue Füllungen, es geht nicht um
die Entfernung bereits vorhandener. Erachtet der Zahnarzt es etwa
wegen hoher Kariesaktivität als medizinisch notwendig, Dentalamalgam
zu nutzen, ist dies weiterhin erlaubt.

Eine Amalgamfüllung galt bisher für gesetzlich Krankenversicherte als
einzige Kassenleistung für die Behandlung eines durch Karies
geschädigten Zahnes. Künftig sind nun selbsthaftende Füllungen wie
sogenannte Glasionomerzemente zuzahlungsfrei, die ohne zusätzliche
Klebemittel angebracht werden können, wie der Spitzenverband der
gesetzlichen Krankenkassen (GKV) mitteilte. 

Was ist Hintergrund des EU-Beschlusses?

Die EU setzt damit Beschlüsse des sogenannten Minamata-Übereinkommens
von 2017 um, eines internationalen Vertrags zum Schutz vor
Quecksilberemissionen. Ziel ist, die Verwendung von Quecksilber in
Produkten zu reduzieren und so die Freisetzung in die Umwelt zu
vermindern.

Mit Quecksilber versetzte Produkte wie Zahnamalgam und
quecksilberhaltige Lampen stellen die größte verbleibende
absichtliche Verwendung des Stoffes in der EU dar. Herstellung,
Einfuhr und Ausfuhr solcher Lampen sollen von 2026 an eingestellt
werden. Früher wurde Quecksilber unter anderem auch in Batterien,
Leuchtstoffröhren und Thermometern verwendet.

Was ist Amalgam?

Amalgam ist ein Stoffgemisch, das zu etwa der Hälfte aus Quecksilber
sowie aus weiteren Metallen wie Silber, Zinn und Kupfer besteht. Es
wird schon seit weit über 100 Jahren für Zahnfüllungen verwendet. Das

Material ist preisgünstig, haltbar und leicht formbar. Gerade für
größere Defekte in Seitenzähnen mit hoher Kaubelastung gilt es als
sehr geeignet.

Was ist Quecksilber?

Quecksilber ist ein auch natürlich weltweit in der Umwelt
vorkommendes Metall. Es ist zum Beispiel ein typischer Bestandteil
der Steinkohle, wie es beim Umweltbundesamt heißt. Das in Deutschland
vorhandene Quecksilber in Luft, Wasser und Sedimentschichten von
Gewässern geht demnach auf Jahrhunderte der Kohleverfeuerung sowie,
insbesondere in bestimmten Flussabschnitten, auf die einstige
Einleitung aus Industrieanlagen zurück.

Für Menschen und Tiere ist die Substanz giftig, in größeren Mengen
auch tödlich. Quecksilberbelastung kann das zentrale Nervensystem,
die Lunge, die Nieren und das Immunsystem schädigen. Da es vom
Organismus schlecht ausgeschieden werden kann, reichert sich
aufgenommenes Quecksilber im Körper an.

Neben dem Fischverzehr ist Dentalamalgam hierzulande die
Hauptquelle. Das Quecksilber wird - in sehr geringen Mengen - aus den
Füllungen freigesetzt. Höher ist die potenzielle Aufnahme beim
Einsetzen oder dem Entfernen einer Füllung, wenn die Substanz
dampfförmig freiwerden kann. Wer eine Amalgamfüllung hat, sollte sie
daher nicht ohne Anlass - wie einem Spalt zwischen Füllung und Zahn -
entfernen lassen, raten Experten.

Wie groß sind die Risiken?

Laut Umweltbundesamt sind neben Amalgam-Zahnfüllungen Fisch und
andere Meerestiere eine bedeutsame Quelle für die Aufnahme von
Quecksilber. Mit zunehmender Zahl und Größe der Füllungen steigt die

Belastung. 

Studien zufolge ist die aufgenommene Menge in Deutschland meist zu
gering, um schädlich zu wirken. Mehrere Analysen, unter anderem eine
bereits 2007 vom Robert Koch-Institut (RKI) und eine 2008 von der TU
München veröffentlichte, kamen zu dem Schluss, dass es keine
wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen
Amalgamfüllungen und chronischen Erkrankungen gibt. Es gebe auch
keine wissenschaftlichen Beweise für ein Krebsrisiko durch
Amalgamfüllungen, heißt es beim Deutschen Krebsforschungszentrum
(DKFZ).

Welche Alternativen gibt es?

Verwendet werden alternativ bestimmte Kunststoffe, nicht-metallische
Legierungen aus Keramik sowie Metalllegierungen aus Edelmetallen wie
Gold. Der Einsatz von Dentalamalgam war in den letzten Jahrzehnten
bereits stark rückläufig - vielfach, weil Menschen die grauen
Füllungen unschön finden. Im Jahr 2022 bestanden daraus nur noch 2,4
Prozent der plastischen Restaurationen, die über die gesetzlichen
Krankenkassen abgerechnet wurden, wie es von der Deutschen
Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) heißt.

Zu möglichen gesundheitlichen Risiken etwa der verwendeten
Kunststoffe gibt es bisher kaum Ergebnisse aus Langzeitstudien. Zudem
gelten Zahnfüllungen ohne Amalgam teils noch immer als weniger
haltbar.