Serbiens Behörden verweisen junge EU-Ausländer des Landes
23.01.2025 19:18
Sie nahmen an einem ganz normalen Workshop einer österreichischen
Stiftung teil. Am letzten Abend kam plötzlich die Polizei und nahm
sie mit. Schließlich mussten die jungen Leute Serbien verlassen.
Belgrad (dpa) - Serbiens Polizei hat mehrere junge Ausländer aus
EU-Staaten, unter ihnen fünf Kroatinnen und Kroaten, festgenommen,
verhört und des Landes verwiesen. Bei den jungen Leuten, unter ihnen
auch ein rumänischer sowie irische Staatsbürger, handelte es sich um
Teilnehmer eines Workshops der «NGO Academy», eines
Fortbildungsangebots der österreichischen «Erste Stiftung» und der
Wiener Wirtschaftsuniversität für Führungskräfte der
Zivilgesellschaft in Mittel- und Osteuropa.
Betroffen seien insgesamt 13 Bürger aus 9 Ländern, berichtete die
Erste-Stiftung. Die serbischen Behörden äußerten sich nicht dazu. Die
Außenminister Kroatiens und Rumäniens missbilligten den Vorfall und
verlangten Erklärungen aus Belgrad.
Nach Schilderungen der kroatischen Betroffenen saß die Gruppe nach
Abschluss des zweitägigen Workshops über die nachhaltige Finanzierung
von Zivilorganisationen an der Bar ihres Belgrader Hotels. Plötzlich
seien Polizisten in Zivil aufgetaucht, die sie festnahmen und auf
eine Polizeiwache brachten. Dort seien sie verhört und die ganze
Nacht festgehalten worden. Schließlich habe man ihnen beschieden,
dass sie das Land innerhalb von 24 Stunden zu verlassen hätten. Als
Grund habe die Behörde lediglich angegeben: «Gefährdung der
Sicherheit Serbiens und seiner Bürger». Die rumänische
Workshop-Teilnehmerin Stefania Neagoe bestätigte diese Erfahrung in
einem Post bei Facebook.
Serbiens autokratische Regierung wies mehrfach Aktivisten aus
In Serbien regiert der weitgehend russlandfreundliche Präsident
Aleksandar Vucic zunehmend autokratisch. In der Vergangenheit
richteten sich Repressionen wie Einreiseverbote und Landesverweise
vor allem gegen russische Kriegsgegner und Aktivisten, die nach
Serbien geflohen sind. Dass mehrere EU-Bürger auf einen Schlag des
Landes verwiesen wurden, ist bisher ohne Beispiel.
Eine Sprecherin der «Erste Stiftung» zeigte sich gegenüber der
Nachrichtenagentur dpa «bestürzt». «Für uns ist das schlicht
unerklärlich», fügte sie hinzu. «Dieser Vorfall ist äußerst
besorgniserregend». Die «NGO Academy» werde an vielen Orten in
Mittel- und Osteuropa abgehalten, seit 2013 regelmäßig auch in
Belgrad. Die «Erste Stiftung» hält Anteile an der österreichischen
Großbank Erste Group und finanziert mit der Dividende ihre
Aktivitäten.
Die Führung in Belgrad zeigt sich derzeit nervös, weil sie mit einer
von Studenten getragenen massiven Protestwelle konfrontiert ist.
Ausgelöst hatte sie der Einsturz eines Bahnhofsvordachs in der
nördlichen Stadt Novi Sad mit 15 Toten, dessen Ursachen der
Inkompetenz und Korruptionsanfälligkeit der Regierung zugeschrieben
wird.
Proteste von Regierungen Kroatiens und Rumäniens
Die Ausweisung der Kroatinnen und Kroatien belastet das angespannte
Verhältnis zwischen Serbien und seinem westlichen EU-Nachbarn
zusätzlich. Der kroatische Außenminister Gordan Grlic Radman sandte
eine Protestnote seines Ministeriums nach Belgrad, wie kroatische
Medien berichteten. Überdies werde er die EU-Kommission und die
polnische Ratspräsidentschaft über die «demütigende Behandlung
kroatischer Staatsbürger» durch die serbischen Behörden informieren,
kündigte er an.
Das Außenministerium Rumäniens bezeichnete die Polizeiaktion in
Belgrad als «extrem hart» und verlangte von Serbiens Außenministerium
Erklärungen für deren Gründe. Die inzwischen in die Heimat
zurückgekehrte rumänische Betroffene habe erklärt, dass ihr außer d
em
Verweis auf die «nationale Sicherheit» keine konkreten Tatbestände
als Grund für die Ausweisung genannt wurden, hieß es aus dem
Ministerium in Bukarest auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Rumänien beobachte den Fall weiter und stehe dabei im Austausch mit
den diplomatischen Missionen anderer Länder, deren Bürger von dieser
Polizeiaktion betroffen sind.