Winzer in Not - Hilfe aus Mainz und Brüssel
24.01.2025 03:50
Steigende Kosten, sinkende Nachfrage und Wetterextreme: Eine
Europaabgeordnete aus der Pfalz macht sich in Brüssel für die
angeschlagene Branche stark. Die Weinbauministerin hat eigene Ideen.
Mainz/Brüssel (dpa/lrs) - Im Kampf gegen die Absatzkrise der
Weinbranche macht sich die Europaabgeordnete Christine Schneider für
einen Anbaustopp, neue Konsumschichten und ein
Kulturlandschaftsprogramm stark. «Wir brauchen einen ganzen
Blumenstrauß an Maßnahmen», sagt die CDU-Politikerin im Gespräch mi
t
der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Rheinland-Pfalz müsse - als
Weinbauland Nummer eins - der Motor für Deutschland und seine
Position in Brüssel sein.
Schneiders Vorschlag, notleidenden Winzern zinslose Darlehen zu
geben, hält die zuständige Weinbau- und Wirtschaftsministerin Daniela
Schmitt nicht für den richtigen Weg. Aktuelle Liquiditätsengpässe
seien nicht das Problem, sagt die FDP-Politikerin. Sie unterstützt
vor allem Weinwerbung im In- und Ausland sowie die Beratung der
Betriebe und hat dafür auch die Mittel erhöht.
Eine im Oktober 2024 eingerichteten Expertenkommission soll
Vorschläge im Umgang mit der kriselnden Branche finden helfen.
Geplant ist zudem der Austausch mit dem Nachbarland Hessen bei einer
Konferenz in diesem Jahr, zu der auch andere Bundesländer mit Weinbau
eingeladen werden sollen.
Flächen ruhen lassen und Frist für Wiederbepflanzung verlängern
Schmitt blickt aber auch nach Brüssel. Dabei spielt die 2024
gegründete sogenannte High Level Group Wein der EU-Kommission eine
Rolle. Ihr gehören Vertreter der Kommission und des EU-Parlaments
sowie des Berufsstands und der Branchenverbände an und sie erarbeitet
Vorschläge für den europäischen Weinmarkt. Überproduktion und die
Stilllegung von Weinbergen gehören zu den Themen, mit denen sich die
Fachleute beschäftigen.
Die High Level Group hat sich für eine Verlängerung der Frist zur
Beantragung von Wiederbepflanzungsgenehmigungen von zwei auf fünf
Jahren verständigt, wie Schneider berichtet. Langfristig solle die
Gültigkeit dieser Genehmigungen auf bis zu acht Jahre verlängert und
die Verwaltungssanktion abgeschafft werden, wenn die
Wiederbepflanzung doch nicht in Anspruch genommen werde.
«Das gibt den Betrieben mehr Zeit, die Marktlage und ihre
betriebswirtschaftliche Situation zu analysieren oder in Richtung
Zukunftsweine (pilzresistente Sorten) zu gehen», erläutert Schneider.
Die Mitgliedsstaaten müssten die EU-Durchführungsverordnung zur
Verlängerung der Frist zur Wiederbepflanzungsgenehmigung noch in
nationales Recht umsetzen. Die Regelung könne dann 2025 kommen.
Kulturlandschaften trotz geringeren Ertrags erhalten
Wenn über Rotationsprogramme weniger Wein angebaut werden solle,
müssten zugleich Anreize für Biodiversität oder erneuerbare Energien
auf diesen Flächen geschaffen werden, fordert Schneider. «Es dürfen
die Flächen auch nicht dort gerodet werden, wo sie besonders prägend
für die Kulturlandschaft sind.»
Dies gelte, obwohl etwa im Steillagenweinbau der Ertrag pro Hektar
vergleichsweise gering sei. Schneider fordert ein
Kulturlandschaftsprogramm. «Der Impuls muss aus dem größten Weinbau
betreibenden Bundesland in Deutschland, aus Rheinland-Pfalz, über
Deutschland kommen.»
Expertenanhörung zu Kaliumphosphonat für Öko-Winzer
Wie der noch amtierende Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir
(Grüne) macht sich Schneider auch für die Zulassung von
Kaliumphosphonat als Pflanzenschutzmittel im ökologischen Weinbau
stark. Dazu werde es in Brüssel bis zum Frühjahr eine
Expertenanhörung geben und dann festgelegt, unter welchen Bedingungen
das Kaliumphosphonat wieder zugelassen werden könne, berichtet die
CDU-Politikerin. Deshalb solle Kupfer nicht verboten werden, sondern
jeder Bio-Winzer frei entscheiden können.
Die im Öko-Weinbau zugelassenen Pflanzenschutzmittel auf Kupferbasis
reichten wegen der zunehmend feuchten Witterung nicht mehr aus, Reben
vor der Pilzerkrankung falscher Mehltau zu schützen, heißt es in der
Mitteilung des Bundesministeriums vom November.
Wie können neue Käufer und Weinliebhaber gewonnen werden?
Um neue Konsumentenschichten zu erreichen, müsse die Zulassung
önologischer Verfahren für die vor allem in Deutschland zunehmend
gefragten entalkoholisierten Weine vorangetrieben werden, sagt
Schneider. Wichtig dabei: «Die Kennzeichnung darf nicht bürokratisch
sein.»
Statt sich gegenseitig zu kannibalisieren, solle Europa gemeinsam
neue Märkte erschließen. Dies gelte insbesondere, falls die USA unter
dem neuen Präsidenten Donald Trump Zölle auf Wein erhöben.