Landwirte uneins über staatlich geregelte Milchverträge

26.01.2025 06:31

Wie strikt sollte der Staat die Vertragsbeziehungen zwischen
Landwirten und Molkereien regeln? Ein Vorschlag der EU-Kommission
ruft gemischte Reaktionen hervor.

Hannover (dpa/lni) - Wenn am Montag in Brüssel der EU-Agrarrat
zusammentrifft, steht wieder ein Dauerbrennerthema auf der
Tagesordnung: eine stärkere Regulierung der Milchmenge und der
Erzeugermilchpreise. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen in
allen Mitgliedsländern Molkereien und Milchviehbetriebe vor
Ablieferung der Milch einen schriftlichen Vertrag über die
Liefermenge, den Preis, die Qualität und die Dauer des Vertrags
abschließen. Dass der Vorschlag in die Tat umgesetzt wird, ist nicht
wahrscheinlich, denn Deutschland steht bei dem Thema auf der Bremse.

Zwar legte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dazu Anfang
Dezember einen Verordnungsentwurf zur Anwendung der sogenannten
Vertragspflicht in Deutschland vor. Der Entwurf schaffte es aber
bislang nicht ins Kabinett und in den Bundesrat.

«Knebelung» oder Hilfe für Bauern?

«Ich bin froh über diese Entwicklung, denn eine solche Knebelung
schadet uns Milchbauern, weil nicht mehr auf aktuelle Märkte reagiert
werden könnte und zum Beispiel Hochpreisphasen am Weltmarkt nicht
sofort beim Landwirt ankommen», sagt Landvolk-Vizepräsident Frank
Kohlenberg. 

Andere landwirtschaftliche Interessengemeinschaften wie die
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) oder der Bund
deutscher Milchviehhalter (BdM) befürworten das Vorhaben. Zusammen
mit Umweltorganisationen wie BUND, Deutsche Umwelthilfe oder dem
Deutschen Tierschutzbund forderten sie Kanzler Olaf Scholz (SPD) in
einem offenen Brief dazu auf, sich für die Vertragspflicht
einzusetzen. 

Auskömmlichere Preise erhofft

Die Befürworter erhoffen sich auskömmlichere Erzeugerpreise und eine
bessere Regulierung der Milchmenge. Das derzeit in Deutschland
praktizierte System führe immer wieder dazu, dass die Erzeugerpreise
über einen längeren Zeitraum unterhalb der Kostendeckungsschwelle
lägen, sagt der niedersächsische AbL-Landesvorsitzende Ottmar
Ilchmann. 

«Während der Krisen ist das besonders krass, aber auch in den
besseren Zeiten geht es nie darum, dass die Milchpreise eine
Kostendeckung ermöglichen», sagt Ilchmann. Auch wenn es phasenweise
gute Erzeugerpreise gebe, seien die Erlöse nie so hoch, dass die
Betriebe große Rücklagen bilden könnten: «Da leben die Bauern immer

von der Hand in den Mund.»

Mehr Bürokratie befürchtet

Auf der Seite des Bauernverbands und des Landvolks sieht man keine
Nachfrage nach einer solchen Vertragspflicht. Schon jetzt könnten
Landwirte, die bei einer Molkereigenossenschaft Mitglied sind, solche
Verträge anregen. Aber die Praxis zeige, dass es dafür keine
Mehrheiten gebe, erklärt eine Sprecherin des Landvolks. Eine
Vertragspflicht wäre eine zu bürokratische Lösung: «Wir wollen, das
s
es weiterhin in der Hand der Landwirte liegen soll, ob sie Preis und
Menge mit der Molkerei fix machen.»

Auch gebe es die Befürchtung, dass die Molkereien tendenziell relativ
niedrige Erzeugerpreise zahlen würden. Denn der Milchmarkt gehe auf
und ab, auf Phasen mit starker Nachfrage könne es auch schnell wieder
Markteinbrüche geben, sagte die Landvolk-Sprecherin. So könnte ein
Nachfragerückgang die Molkerei in finanzielle Schwierigkeiten bringen
und bei guter Nachfrage kämen die besseren Preise erst mit
Verzögerung bei den Erzeugern an.