Dänemark versichert sich Europas Rückhalt im Trump-Streit Von Steffen Trumpf, dpa

28.01.2025 15:03

Darf er das? Kann er das? Donald Trumps Besitzansprüche auf Grönland
haben in Dänemark große Sorgen ausgelöst. Die Regierungschefin wirbt

nun unter anderem in Berlin um europäischen Zusammenhalt.

Kopenhagen/Berlin (dpa) - Dänemark hat sich im laufenden
Grönland-Streit mit US-Präsident Donald Trump Rückendeckung aus
Deutschland geholt. «Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben
werden - to whom it may concern (an alle, die es betrifft)», sagte
Bundeskanzler Olaf Scholz während eines Besuchs der dänischen
Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in Berlin. «Die
Unverletzlichkeit von Grenzen ist ein Grundprinzip des Völkerrechts»,
bekräftigte er. «Das Prinzip muss gelten für alle.»

Für alle - das schließt Trump mit ein: Er gab in den vergangenen
Wochen immer wieder Begehrlichkeiten hinsichtlich einer
amerikanischen Kontrolle über das zum Königreich Dänemark zählende

Grönland von sich. Wahlweise begründete er das mit der nationalen
oder internationalen Sicherheit. Auch wirtschaftlichen und
militärischen Zwang schloss er nicht aus. In Dänemark lösten diese
Aussagen große Sorgen und eine diplomatische Offensive um Rückhalt
unter europäischen Bündnispartnern aus.

Eintagestour für «europäischen Zusammenhalt»

Um sich dieser Rückendeckung zu vergewissern, flog Frederiksen nun
einen Tag lang durch Europa: Erst war sie am Morgen bei Scholz in
Berlin, darauf bei Emmanuel Macron in Paris, später wollte sie
Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Brüssel besuchen. Auf der
Tagesordnung stehe «der europäische Zusammenhalt», hieß es von der

dänischen Staatskanzlei. 

Bereits vor zwei Tagen hatte Frederiksen ihre nordischen Partner nach
Kopenhagen eingeladen. Dass sie bei sich zu Hause mit Schwedens
Regierungschef Ulf Kristersson, Norwegens Ministerpräsidenten Jonas
Gahr Støre und Finnlands Präsidenten Alexander Stubb beim Abendbrot
saß, sollte dasselbe Bild vermitteln wie ihre Tagestour: In Europa
stehen wir zusammen.

Bedachteres Vorgehen

Frederiksen bemüht sich dabei, den sprichwörtlichen Elefanten im Raum
nicht zu benennen. Das hängt auch mit ihren Erfahrungen aus Trumps
erster Amtszeit zusammen: Als sie die Diskussion um seinen
Kaufvorschlag für Grönland 2019 als «absurd» abgetan hatte, nannte

Trump ihre Aussagen «böse» und sagte einen Dänemark-Besuch kurzerha
nd
ab.

Diesmal geht Frederiksen bedachter vor, sitzt aber zwischen den
Stühlen: Sie will weder Grönland noch die USA - Dänemarks wichtigstes

Exportland - vor den Kopf stoßen. Zwischen den Zeilen lässt sich
jedoch herauslesen, auf wen ihre Aussagen abzielen. «Europa, unser
Kontinent, basiert auf der Idee, dass Kooperation, nicht
Konfrontation, zu Frieden, zu Fortschritt, zu Wohlstand führt. Lasst
uns diese Idee in Ehren halten», sagte sie an Scholz' Seite. 

Solche Sätze sind - ebenso wie ihre Forderungen, dass Europa stärker
werden und mehr Verantwortung für die eigene Verteidigung übernehmen
müsse - fraglos Richtung Washington gerichtet. 

Fehlende Beachtung in Kopenhagen

Gleichzeitig findet in Dänemark langsam ein Umdenken statt, das
Grönland seit Jahrzehnten einfordert: Die Grönländer fühlen sich vo
n
ihrer einstigen Kolonialmacht bis heute zu wenig wertgeschätzt,
politisch übergangen und teils herabwürdigend behandelt. 

Dabei wollten sie endlich als gleichberechtigter und gleichwertiger
Teil im Königreich Dänemark behandelt werden, sagte der
Grönland-Experte Ulrik Pram Gad vom Dänischen Institut für
Internationale Studien (DIIS) in Kopenhagen. In einer TV-Debatte
hätten es grönländische Politiker von allen Seiten des politischen
Spektrums jüngst gemeinsam auf den Punkt gebracht. «Sie waren sich im
Grunde einig, dass es überaus frustrierend ist, dass es einen Trump
braucht, um Dänemarks Beachtung zu erhalten», sagte Gad.

Diese Reaktion finde sich auch in der breiteren grönländischen
Bevölkerung. Es bestehe grundlegender Bedarf, dass Dänemark etwas
ändere - mit Blick auf seine Kolonialgeschichte und im heutigen
Umgang mit den Grönländern. 

Die dänische Regierung vermittelt den Eindruck, dass sich etwas
ändert: Jüngst wurden etwa die Abschaffung umstrittener
psychologischer Tests für grönländische Eltern angekündigt sowie
zusätzliche Mittel und Initiativen für die Arbeit gegen
Diskriminierung und Rassismus gegenüber Grönländern in Dänemark
ausgelobt. Am Vorabend der Tagestour wurde ein Abkommen zur Stärkung
der Verteidigung in der Arktis und dem Nordatlantik präsentiert - im
öffentlichkeitswirksamen Schulterschluss mit Grönland.