EZB hält Kurs: Leitzinsen sinken erneut Von Jörn Bender und Alexander Sturm, dpa
30.01.2025 15:48
Schlecht für Sparer, gut für Schuldner: Die EZB senkt abermals die
Zinsen, weitere Schritte nach unten dürften folgen. Doch der Kurs der
Notenbank ist ungewisser geworden - auch wegen Trump.
Frankfurt/Main (dpa) - Die fünfte Zinssenkung im Euroraum seit Sommer
2024 ist beschlossen - und es dürfte nicht die letzte sein: Die
Europäische Zentralbank (EZB) setzt den für Banken und Sparer
wichtigen Einlagensatz um 0,25 Prozentpunkte auf 2,75 Prozent herab.
Niedrigere Zinsen helfen der schwächelnden Konjunktur im Euroraum.
Volkswirte erwarten, dass die Notenbank den Einlagenzins bis zum
Sommer auf 2,0 Prozent senken wird. Denn Handelskonflikte mit den USA
könnten die schwache Wirtschaft im Euroraum, die im vierten Quartal
2024 stagnierte, zusätzlich unter Druck setzen. Allerdings könnten
die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle zugleich die
Inflation anheizen, die die Euro-Währungshüter mittelfristig bei 2,0
Prozent halten wollen.
«Wir haben noch keine Diskussion über den Punkt geführt, an dem wir
aufhören müssen», sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der
Sitzung des EZB-Rates in Frankfurt auf die Frage nach weiteren
Zinssenkungen. Der Rückgang der Inflation sei auf gutem Weg.
Hausbauer profitieren, aber weniger Zinsen für Sparer
Die erneute Senkung der Leitzinsen - die vierte in Serie - hat Folgen
für Sparer: Bekommen Geschäftsbanken weniger Zinsen für bei der EZB
geparkte Gelder, senken sie die Tages- und Festgeldzinsen für ihre
Kundschaft. Die Zinsen für bundesweit verfügbare zweijährige
Festgelder fielen Ende Januar auf im Schnitt 2,24 Prozent, wie eine
Analyse des Vergleichsportals Verivox zeigt. Das sei der tiefste
Stand seit zwei Jahren. Auch die Tagesgeldzinsen sanken demnach: auf
im Mittel 1,56 Prozent bei bundesweit aktiven Banken.
Die EZB senkt nicht nur den Einlagenzins, sondern auch den Zins, zu
dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können:
von 3,15 auf 2,9 Prozent. Niedrigere Leitzinsen stützen die
Wirtschaft. Kredite etwa für Hausbauer und Unternehmen werden
tendenziell erschwinglicher.
Furcht vor hohen Zöllen - Risiko Trump
Ökonomen hatten mit der erneuten Zinssenkung der EZB gerechnet. Da
die große Teuerungswelle im Euroraum vorbei ist, hat die Notenbank
mehr Spielraum. Zudem macht ihr die schwache Konjunktur Sorgen. Für
dieses Jahr sagt die Notenbank nur 1,1 Prozent Wirtschaftswachstum im
Währungsraum der 20 Staaten voraus und für 2026 ein Plus von 1,4
Prozent.
«Die Zinssenkung um 25 Basispunkte schafft kurzfristig etwas Luft,
aber sie kann die strukturellen Probleme in Europa nicht lösen»,
mahnt Ulrich Reuter, Präsident des Deutschen Sparkassen- und
Giroverbands (DSGV). «Ohne gezielte Reformen für nachhaltiges
Wachstum verpufft ihre Wirkung.»
Ein Risiko für Konjunktur und Inflation ist Trumps Drohung, hohe
Zölle auf die Importe aus Europa einzuführen. Die EU könnte mit
Gegenmaßnahmen reagieren. Besonders betroffen von einem
Handelskonflikt wäre wohl die Exportnation Deutschland.
Inflation sollte im Jahresverlauf wieder sinken
Bereits im Dezember stiegen die Verbraucherpreise sowohl in
Deutschland als auch im Euroraum insgesamt wieder deutlich stärker.
Die Inflationsrate im Euroraum erreichte mit 2,4 Prozent den höchsten
Wert seit Juli 2024. EZB-Präsidentin Lagarde ist aber zuversichtlich,
dass die Inflation im Verlauf dieses Jahres das Zwei-Prozent-Ziel
erreichen wird.
Wie weit geht die EZB noch runter?
Im Euroraum laute die Frage nicht, «ob die EZB die Zinsen in diesem
Jahr noch weiter senkt, sondern um wie viel», schreibt Ulrich Kater,
Chefvolkswirt bei der Dekabank. «Zwei oder drei Schritte sind noch
drin, dann werden sich Zinsen und Inflation wieder vollständig
beruhigt haben.»
Anders als die EZB hat die US-Notenbank Fed bereits die Handbremse
gezogen: Bei ihrer ersten Sitzung nach Trumps Wiedereinzug ins Weiße
Haus beließ sie am Mittwoch ihren Leitzins in der Spanne von 4,25 bis
4,5 Prozent.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht auch im Euroraum
Argumente für ein Abwarten: «So hat sich die Inflation ohne die
schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel deutlich
oberhalb des EZB-Ziels von zwei Prozent festgesetzt.» Außerdem legten
die Löhne nach wie vor kräftig zu.
Von ihrem Rekordhoch bei 10,7 Prozent im Herbst 2022 ist die
Inflation im Euroraum inzwischen weit entfernt - auch, weil sich die
EZB mit dem stärksten Zinsanstieg seit 25 Jahren dagegenstemmte. Im
Juli 2022 endete die jahrelange Null- und Negativzinspolitik, zehnmal
schraubte die EZB die Zinsen nach oben. Höhere Zinsen verteuern
Kredite, was die Nachfrage bremsen und die Inflation dämpfen kann. Im
Juni 2024 senkte die EZB die Leitzinsen erstmals wieder.