Weidepflicht könnte viele Bio-Bauern ausbremsen
02.02.2025 04:30
Öko nur mit Weidehaltung: Die EU hat klargestellt, dass auf
Bio-Bauernhöfen Rinder, Schafe und Ziegen eine Weide brauchen. Kann
das in Bayern funktionieren - oder droht vielen Öko-Bauern das Aus?
München (dpa/lby) - Auf Bio-Höfen brauchen Rinder, Schafe und Ziegen
künftig zwingend eine Weide - so will es die EU. Aber: Längst kann
nicht jeder Bio-Bauer im Freistaat genug Weideland vorweisen - und
muss möglicherweise aufhören, ökologisch zu produzieren.
«Einige Betriebe konnten bereits Lösungen finden», sagte Heidi
Kelbetz, Sprecherin der bayerischen Landesvereinigung für den
ökologischen Landbau (LVÖ). Es gebe aber auch Betriebe, die die
Vorgabe bislang nicht umsetzen konnten - die etwa mitten im Dorf
liegen und keine Flächen direkt am Hof hätten oder die Tiere über
vielbefahrene Straßen zur Weide treiben müssten.
Landwirte bereiten Bio-Ausstieg vor
Ob sie es noch schaffen, die Weidepflicht zu erfüllen? Der Bayerische
Bauernverband (BBV) zeichnet ein düsteres Bild: «Zahlreiche
Biolandwirtinnen und -landwirte mit Pflanzenfressern bereiten ihren
Ausstieg aus dem Ökolandbau vor», teilte der Verband jüngst mit.
«Die EU-Kommission darf nicht zulassen, dass der bayerische
Ökolandbau erodiert und Wertschöpfung verloren geht und muss
schnellstmöglich Lösungen eröffnen», sagte BBV-Präsident Günthe
r
Felßner. Tiere auf der Weide - das sei eine «wunderbar tiergerechte
Haltungsform», aber eben leider nicht überall umsetzbar.
Manfred Gilch, Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter
(BDM), erwartet, dass für mindestens ein Viertel der Biomilcherzeuger
in Süddeutschland diese Weideverpflichtung das Aus ihrer
Biomilcherzeugung bedeute.
Betriebe, die jahrzehntelang ihre Flächen ökologisch bewirtschaftet,
aber eben das Pech einer ungünstigen Hoflage und Flächenverteilung
hätten, würden nicht nur ihren Bio-Aufschlag auf den Milchpreis
verlieren, sondern auch ihre Öko-Flächenprämien. «Mit solchen starr
en
Regelungen erweist man Natur, Mensch und Tier wirklich einen
Bärendienst», sagte Gilch.
Kann auch überzeugte und vorbildliche Öko-Betriebe treffen
Die Vorgabe sieht vor, dass in der Weidezeit gemäß der
EU-Ökoverordnung allen Pflanzenfressern wie Rindern und Schafen ein
Zugang zu Weideflächen ermöglicht werden muss. Betroffene Betriebe,
die das bislang nicht gewährleisten konnten, müssen in diesem Jahr
ein Weidekonzept erstellen und mit der Umsetzung beginnen.
Die vollständige Umsetzung müsse dann 2026 erfolgen. «Betriebe, die
auf absehbare Zeit die Weidepflicht nicht vollumfänglich umsetzen
können, werden nicht Öko bleiben können. Jeder Betrieb, der aufgrund
der verschärften Auslegung ausscheiden muss, ist für uns ein herber
Verlust», sagte Kelbetz.
Wie viele Betriebe das am Ende sein werden, könne momentan noch
niemand sagen. «Leider kann das auch auf Betriebe zutreffen, die seit
vielen Jahren vollkommen überzeugt und vorbildlich ökologisch
wirtschaften. Oder auf Betriebe, die vor nicht allzu langer Zeit
größere Investitionen im Stallbau getätigt haben, diese trifft es
dann besonders hart.»
Entscheidung muss schnell getroffen werden
Dabei wird in Sachen Bio-Landbau eigentlich ein anderes politisches
Ziel verfolgt - nämlich die Steigerung der Öko-Quote in der
Landwirtschaft. «Eine ökologische Rinder-, Schaf-, Ziegen- oder
Pferdehaltung wird zukünftig ohne Weidezugang nicht mehr möglich
sein», hatte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) Anfang
Januar mitgeteilt. «Das wird aber leider auch dazu führen, dass
entgegen unserem politischen Ziel nach Ausweitung des Ökolandbaus nun
einige Betriebe trotz großer Anstrengungen die ökologische Produktion
werden einstellen müssen.»
Für etliche Landwirte eilt die Entscheidung, ob Bio oder nicht. Denn
aktuell läuft das Antragsverfahren für das Kulturlandschaftsprogramm
(Kulap). Viele Betriebe stehen nach LVÖ-Angaben vor der Frage, für
welche Kulap-Maßnahme sie sich für die kommenden fünf Jahre
verpflichten: Für Betriebe mit dem «Öko-Kulap» erhöhe sich der Dr
uck,
ob sie die Umsetzung der Weidepflicht in absehbarer Zeit schaffen.
Mit dem Programm unterstützt die öffentliche Hand Landwirte für ihre
Pflege der Kulturlandschaft.