EU wappnet sich für möglichen Handelskrieg mit den USA
03.02.2025 19:13
US-Präsident Donald Trump lässt keine Zweifel daran, dass die EU mit
neuen amerikanischen Zöllen rechnen muss. Die Reaktionen von einem
Gipfel in Brüssel sind deutlich.
Brüssel (dpa) - Die EU bereitet sich auf einen möglichen Handelskrieg
mit den USA vor. Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump
zu neuen Zöllen auf Importe aus Mexiko, Kanada und China zeigten sich
europäische Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen in
Brüssel entschlossen, vergleichbare Entscheidungen gegen die EU nicht
einfach hinzunehmen.
Als starker Wirtschaftsraum könne man auf Zollpolitik mit
Zollpolitiken reagieren, warnte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). «Das
müssen und werden wir dann auch tun.» Unter anderem Luxemburgs
Regierungschef Luc Frieden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
äußerten sich ähnlich: «Wir sind nicht schwächer als die Vereinig
ten
Staaten von Amerika. Wenn jemand einen Handelskrieg will, dann kriegt
er ihn», sagte Frieden. Macron betonte, wenn Europa bei Handelsthemen
angegriffen werde, müsse man sich Respekt verschaffen.
Trump: Das wird definitiv passieren
Trump hatte kurz zuvor deutlich gemacht, dass er zweifellos auch
Zölle auf Importe aus der EU verhängen will. «Das wird definitiv fü
r
die Europäische Union passieren», sagte Trump am späten Sonntagabend
(Ortszeit) in der Nähe von Washington. Zur Höhe der Zölle und zu
möglicherweise betroffenen Produktgruppen machte Trump aber keine
konkreten Angaben. Es gebe keinen Zeitplan, aber es werde «ziemlich
bald» geschehen.
Von Diplomaten hieß es, die Europäische Kommission unter der Leitung
von Ursula von der Leyen habe bereits vor längerer Zeit eine Liste
mit US-Produkten vorbereitet, auf die im Fall von neuen US-Zöllen
gegen die EU ebenfalls höhere Zölle erhoben werden könnten. In der
ersten Amtszeit von Trump hatte die EU unter anderem mit Sonderzöllen
auf Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder und Jeans auf neue
Abgaben auf Stahl- und Aluminiumprodukte reagiert.
EU betont Verhandlungsbereitschaft
Nun steht die Drohung Trumps im Raum, auf alle Einfuhren aus der EU
Zusatzzölle in zweistelliger Höhe zu verhängen. Damit will der
Republikaner den Produktionsstandort USA stärken und das
Handelsdefizit abbauen. Es ist Trump ein Dorn im Auge, dass
europäische Unternehmen deutlich mehr Waren in den USA verkaufen als
amerikanische Unternehmen in der EU.
Aus ähnlichen Gründen ließ der US-Präsident am Wochenende auf Impor
te
aus den Nachbarländern Mexiko und Kanada Zölle in Höhe von 25 Prozent
einführen - ausgenommen sind nur Energie-Einfuhren aus Kanada, auf
die nur Aufschläge in Höhe von 10 Prozent fällig werden. Auf alle
Einfuhren aus China werden zusätzlich 10 Prozent fällig.
Nach einem Telefonat zwischen Trump und Mexikos Präsidentin Claudia
Sheinbaum teilten beide mit, die angekündigten Zölle auf alle
mexikanischen Produkte würden einen Monat lang ausgesetzt. Mexiko
habe zugesagt, seine Nordgrenze mit 10.000 Soldaten der Nationalgarde
zu verstärken, um Drogenhandel und Migration einzudämmen, erklärte
Trump.
EU-Spitzenvertreter betonten neben den Vergeltungszolldrohungen auch
noch einmal die Verhandlungsbereitschaft der EU und wiesen auf die
Risiken eines möglichen Handelskriegs auch für die USA hin. So warnte
der österreichische Bundeskanzler Alexander Schallenberg, bei einem
Handelskrieg zwischen der EU und den USA würde China zum «lachenden
Dritten» werden.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte, der transatlantische
Handel und die Investitionen sicherten mehr als 16 Millionen
Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks und machten 42 Prozent
der globalen Wirtschaftsleistung aus. «Wir brauchen Amerika, und
Amerika braucht uns», sagte sie.
In der EU wird deswegen auch bereits seit längerem diskutiert, welche
Angebote Trump gemacht werden könnten. Als denkbar gilt
beispielsweise, dass die EU mehr Flüssigerdgas (LNG), Militärtechnik
und Agrargüter aus den USA importieren könnte, um das Handelsdefizit
zu reduzieren. Zudem wäre es möglich, die Importzölle für US-Autos
zu
senken.
Handelskrieg-Gefahr überschattet andere Themen beim Gipfel
Eigentliches Hauptthema bei dem informellen Gipfeltreffen in Brüssel
waren mögliche gemeinsame Initiativen zum Ausbau der
Verteidigungsfähigkeiten und die Frage, wie notwendige Investitionen
finanziert werden sollten. Etliche Staaten sind angesichts der
Bedrohungen durch Russland offen für die Aufnahme neuer gemeinsamer
Schulden. Insbesondere Deutschland, die Niederlande und Österreich
lehnen dies aber ab.
Bundeskanzler Scholz machte deutlich, dass aus seiner Sicht zum
Beispiel strenge Wettbewerbsregeln gelockert werden könnten, um die
Leistung der europäischen Rüstungsindustrie zu steigern. «Die
Unternehmen müssen von all den rechtlichen Regeln befreit werden, die
ihre Zusammenarbeit beeinträchtigen. Die Staaten müssen in
Einkaufsprozesse anderer Staaten ohne neues Einkaufsverfahren
einsteigen können», sagte er. Es brauche weniger Bürokratie und mehr
Entschlossenheit.
Frankreichs Präsident Macron betonte, dass bei allen künftigen
Investitionen vorrangig die europäische Industrie profitieren sollte,
um die EU im Bereich der Verteidigung strategisch unabhängig zu
machen.
Streit um Verteidigungsfinanzierung
Als ein möglicher Kompromiss in der Aufrüstungsdebatte wird auch der
Ausbau der Rüstungsfinanzierung durch die Europäische
Investitionsbank (EIB) gesehen. Zudem ist auch ein Programm im
Gespräch, bei dem die EU-Kommission für Mitgliedstaaten Darlehen zu
günstigen Bedingungen organisiert. Mit einem solchen Programm hatte
die Kommission in der Corona-Krise auch nationale
Kurzarbeitsregelungen unterstützt.
Um was für Dimensionen es geht, zeigen Schätzungen der EU-Kommission.
Sie ging bereits im vergangenen Sommer davon aus, dass in den
nächsten zehn Jahren zusätzliche Verteidigungsinvestitionen in Höhe
von rund 500 Milliarden Euro erforderlich sind. Als mögliche
EU-Projekte gelten dabei zum Beispiel ein europäisches
Luftverteidigungssystem und eine verstärkte Sicherung der östlichen
Landgrenze der Union.