Bereit zum Gegenschlag: Wie die EU für Trumps Zölle plant Von Ansgar Haase, Alexander Sturm und Frank Johannsen, dpa
04.02.2025 17:16
Mexiko, Kanada, China - und bald die EU? US-Präsident Trump scheint
entschlossen, zusätzliche Zölle auf Importe aus Europa zu erheben.
Die EU bereitet sich vor - auch auf das Worst-Case-Szenario.
Frankfurt/Brüssel (dpa) - Kann die EU neue US-Zölle auf Waren
europäischer Unternehmen noch abwenden? Und wenn ja, wie? Von der
Antwort auf diese Frage könnten Hunderttausende Jobs allein in
Deutschland abhängen. In Brüssel wird deswegen alles getan, um die
bestmögliche Strategie im Umgang mit US-Präsident Donald Trump zu
finden. Ein Überblick zur Lage:
Wie ist die Stimmung in der EU?
Düster. In der für die EU-Handelspolitik zuständigen Europäischen
Kommission glaubt nach Trumps Zollentscheidungen gegen Mexiko, Kanada
und China kaum noch jemand, dass die EU ungeschoren davonkommt. Zumal
Trump am Wochenende zum Thema Zölle sagte: «Das wird definitiv für
die Europäische Union passieren.»
Wann könnten die Zölle kommen?
Ursprünglich war die Hoffnung in der EU, dass man bis Ende März für
Verhandlungen Zeit haben könnte, weil erst dann eine von Trump
beauftragte Untersuchung zu den US-Handelsbeziehungen abgeschlossen
sein soll. Die jüngsten Entwicklungen deuten aber darauf hin, dass es
schneller gehen dürfte. Trump sagte zuletzt zum Thema Zölle gegen die
EU, es gebe keinen Zeitplan, aber es werde «ziemlich bald» geschehen.
Ist die EU auf die Zölle vorbereitet?
Bei einem EU-Spitzentreffen in Brüssel wurde diese Frage am Montag
bejaht. Von EU-Diplomaten heißt es, die Europäische Kommission habe
bereits vor längerer Zeit mögliche Gegenmaßnahmen vorbereitet. In der
ersten Amtszeit Trumps hatte die EU neue Abgaben auf Stahl- und
Aluminiumprodukte aus Europa unter anderem mit Sonderzöllen auf
Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder und Jeans gekontert. Wie
stark die EU diesmal reagiert, soll von der konkreten
Zollentscheidung Trumps abhängen. Für wahrscheinlich werden
zusätzliche Zölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent gehalten.
Wie könnte es nach der Verhängung von Zöllen weitergehen?
In einem weniger schlimmen Szenario könnte Trump schnell davon
überzeugt werden, die Zolle vorübergehend wieder auszusetzen - um
dann mit Verhandlungen zu beginnen. So lief es zuletzt auch bei
Mexiko und Kanada. Im Worst-Case-Szenario würde es zu einem langen
Handelskrieg kommen - mit schweren Folgen für die Wirtschaft.
Worüber könnte verhandelt werden?
Der SPD-Handelsexperte und Europaabgeordnete Bernd Lange sieht
mehrere Ansatzpunkte. Um das von Trump kritisierte
Warenhandelsdefizit zu senken, könnte die EU demnach etwa mehr
Flüssigerdgas (LNG), Militärtechnik und Agrargüter aus den USA
importieren. Zudem wäre es möglich, die Importzölle für US-Autos zu
senken. Diese lägen mit zehn Prozent derzeit deutlich über dem
US-Zollsatz in Höhe von 2,5 Prozent. Eine neue Vereinbarung zum
Ausbau amerikanischer LNG-Exporte hat auch Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen schon ins Spiel gebracht.
Der frühere luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel, der heute
Minister für Außenhandel und Außenpolitik ist, warb am Dienstag bei
einem EU-Treffen in Warschau eindringlich für Verhandlungen und ein
geeintes Auftreten der EU gegenüber Trump. Er habe als Premier
jahrelang mit ihm zusammengearbeitet, sagte er. Seine Erfahrung sei:
«Wenn man schwach ist, frisst er einen auf. Wenn man nicht
verhandelt, erledigt er einen.»
Was stört Trump im Handel mit Europa so stark?
Trump will die USA als Produktionsstandort stärken und das
Handelsdefizit mit Europa abbauen. Ihm ist es ein Dorn im Auge, dass
europäische Unternehmen deutlich mehr Waren in den USA verkaufen als
amerikanische Firmen in der EU.
Das betrifft vor allem Deutschland: Für die hiesigen Exporteure sind
die USA nach Angaben des Statistischen Bundesamts so wichtig wie nie
in den vergangenen 20 Jahren: Demnach wurden 2023 Güter im Wert von
157,9 Milliarden Euro in die USA exportiert, knapp zehn Prozent der
deutschen Exporte.
Umgekehrt wurden 2023 Waren im Wert von 94,7 Milliarden aus den USA
importiert. Die Folge war ein deutscher Rekord-Handelsüberschuss von
rund 63 Milliarden Euro mit den USA, so die Statistiker. Mit keinem
anderen Land habe Deutschland seit 2017 so hohe Exportüberschüsse wie
mit den USA.
Wie sieht Brüssel das Handelsdefizit der USA?
Die EU-Kommission relativiert die Zahlen. EU-Handelskommissar Maro?
?ef?ovi? wies am Dienstag nach dem EU-Treffen in Warschau darauf hin,
dass die EU zwar einen Überschuss von 154 Milliarden Euro im
Warenhandel gegenüber den USA habe, die USA jedoch einen Überschuss
von 104 Milliarden Euro im Dienstleistungshandel gegenüber der EU
aufwiesen. «Das bedeutet, dass der gesamte Handelsüberschuss der EU
gegenüber den USA nur etwa drei Prozent unseres gesamten
Handelsvolumens von 1,5 Billionen Euro beträgt - also rund 50
Milliarden Euro», sagte er. Von dieser «gesunden und robusten
Handelsbeziehung» zwischen der EU und den USA hingen fast 5 Millionen
Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks ab.
Was würden Zölle für die Wirtschaft bedeuten?
Zölle würden die ohnehin angeschlagene Autoindustrie in Europa hart
treffen, allen voran die deutsche. Für die hiesige Wirtschaft, die
zwei Jahre in Folge geschrumpft ist und 2025 bestenfalls minimal
wachsen dürfte, wären Zölle ein neuer Tiefschlag. «Für den
Produktionsstandort Deutschland ist der Absatzmarkt USA sehr
bedeutsam», sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der
Automobilindustrie (VDA). Rund 400.000 Autos aus deutscher Fertigung
gingen 2023 in die USA - fast ein Zehntel der Jahresproduktion. Damit
sei Amerika wichtigster Exportmarkt für die Hersteller.
Zwar betreiben VW, BMW und Mercedes große Werke in den USA. Dennoch
wird in großer Stückzahl aus Europa zugeliefert. Porsche bedient den
US-Markt sogar komplett aus Europa. Das könnte sich durch neue Zölle
ändern. Bei Porsche und Audi soll es dem «Handelsblatt» zufolge
Planspiele geben, auch in den USA zu fertigen. Und VW stoppte jüngst
den geplanten Export seiner Elektro-Limousine ID.7 von Emden nach
Nordamerika.
Die Zölle auf Mexiko und Kanada wurden verschoben: Ist der große
Handelskrieg nun abgeblasen?
Das ist unklar. Trump hat sich im Gegenzug für das Verschieben der
Zölle mehr Anstrengungen beim Schutz der Grenzen zu Kanada und Mexiko
zusichern lassen. Die Zölle könnten nun einen Monat später in Kraft
treten oder womöglich neu verhandelt werden. Dagegen sind zusätzliche
US-Zölle auf chinesische Importe seit diesem Dienstag wirksam. Trump
sagte, sie seien nur ein Auftakt. «Wenn wir keinen Deal mit China
hinkriegen, dann werden die Zölle sehr, sehr substanziell sein.»
Wie schwer wären die Folgen?
Das Ifo-Institut sieht im Falle von Zöllen auf Mexiko, Kanada und
China alle Seiten als Verlierer. Kanada müsse bei Gegenmaßnahmen auf
US-Zölle mit einem Exportrückgang um 28 Prozent rechnen und Mexiko um
35 Prozent. China dagegen könne anders als die geografischen Nachbarn
den Handel leichter von den USA umlenken, sagt Lisandra Flach,
Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft. China sieht sie daher
in den Modellrechnungen mit einem Exportrückgang von 3,8 Prozent am
geringsten betroffen.
Ein großer Verlierer wären die USA: Ihre Exporte könnten im Falle von
Gegenmaßnahmen um bis 22 Prozent sinken, schätzt das Ifo. Für Trump
steht bei einem Handelskrieg also viel auf dem Spiel.