EU-Kommission nimmt Billigportale ins Visier Von Christian Rothenberg und Stella Venohr, dpa

05.02.2025 19:09

Ein Klick, ein Schnäppchen - das könnte sich bald ändern. Brüssel
will Verbraucher schützen. Das Online-Shopping bei Portalen wie Shein
oder Temu könnte dadurch teurer werden.

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission will entschiedener gegen den
massenhaften Import von Billigprodukten vorgehen. Nach Ansicht der
Brüsseler Behörde bringen insbesondere die Shoppingportale Shein und
Temu große Mengen günstiger Waren in die EU, wobei es Bedenken beim
Verbraucherschutz und Sicherheitsstandards gibt.

Die Kommission hat daher eine Untersuchung gegen Shein eingeleitet,
um mögliche Verstöße gegen den europäischen Verbraucherschutz zu
prüfen. Dabei geht es unter anderem um mutmaßlich missbräuchliche
Vertragsbedingungen und unlautere Geschäftspraktiken.

Shein gilt als eines der größten Modeunternehmen der Welt

Eine Sprecherin von Shein betonte, dass der Konzern in
regulatorischen Fragen gemeinsam mit den Partnern auf EU- und
nationaler Regierungsebene zusammenarbeiten wolle. «Wir begrüßen alle

Bemühungen, die das Vertrauen und die Sicherheit europäischer
Verbraucher in den Online-Einkauf stärken.»

Shein ist ein Händler für Mode und Sportartikel, der in China
gegründet wurde und seinen Sitz heute in Singapur hat. Er gilt als
eines der größten Modeunternehmen der Welt.

Bereits im Juni 2024 hatte die Behörde detaillierte Informationen von
Shein verlangt, etwa zur Rückverfolgbarkeit von Händlern und zum
Umgang mit illegalen Produkten. Auch gegen Temu wurde schon eine
ähnliche Untersuchung geführt. Damals waren etwa problematische
Praktiken wie falsche Rabattaktionen, gefälschte Bewertungen sowie
fehlende und irreführende Informationen zu Rechtsansprüchen der
Verbraucher festgestellt worden.

Neue Zollmaßnahmen geplant

Parallel dazu plant die EU-Kommission Reformen im Zollrecht, um die
rasant steigende Zahl an Kleinsendungen besser kontrollieren zu
können. Laut der Brüsseler Behörde wurden im vergangenen Jahr 4,6
Milliarden Päckchen mit einem Wert unter 150 Euro in die EU
importiert, davon stammten 91 Prozent aus China. Das ist dreimal mehr
als 2022 und entspricht mehr als 12 Millionen Paketen pro Tag in der
EU. Die Kommission schlägt daher eine Bearbeitungsgebühr für direkt
an Verbraucher gelieferte E-Commerce-Waren vor, um die steigenden
Kosten für Zoll- und Marktüberwachung auszugleichen.

Zudem soll die bisherige Zollbefreiung für Sendungen unter 150 Euro
abgeschafft werden. Diese Freigrenze will die Kommission schon seit
langem aufheben. Dies könnte etwa auch für Onlinemarktplätze wie
Amazon oder Etsy gelten. Damit soll sichergestellt werden, dass alle
Händler - unabhängig von ihrem Standort - die gleichen
Wettbewerbsbedingungen haben.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßt die Pläne der EU und
sieht darin einen wichtigen Schritt hin zu faireren
Wettbewerbsbedingungen. «Anbieter wie Temu und Shein dürfen nicht
länger ungeschoren mit Regelbrüchen davonkommen», sagte der
stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Gleichzeitig
warnt der Verband vor zusätzlicher Bürokratie für europäische
Händler.

Aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbandes reichen die
Maßnahmen nicht aus. «Bisher werden Anbieter nicht daran gehindert,
unsichere Produkte über Online-Marktplätze zu verkaufen», sagt
Referentin Stefanie Grunert. Die Verbraucherschützer fordern:
Betreiber von Online-Marktplätzen müssen haften, wenn Angebote auf
ihren Plattformen nicht den EU-Anforderungen entsprechen.

Der E-Commerce-Verband Bevh sieht in den EU-Plänen zwar gute Ideen,
warnt jedoch davor, dass der Onlinehandel per se mit zusätzlichen
Regeln und Gebühren benachteiligt werden könnte. «Mögliche
Strafgebühren gegen einzelne Geschäftsmodelle würden auch redliche
Händler treffen», sagte die Leiterin für Europapolitik, Alien Mulyk.


Deutsche Regierung plant schärfere Kontrollen

Nicht nur die EU, sondern auch die Bundesregierung will ihre
Maßnahmen verschärfen. Ein angekündigter Aktionsplan sieht etwa eine

engere Zusammenarbeit und mehr Befugnisse der nationalen und
europäischen Marktüberwachungsbehörden und des Zolls vor. Außerdem

unterstütze man die Aufhebung der 150-Euro-Zollfreigrenze, hieß es.

Kunden schätzen niedrige Preise, haben aber Bedenken

Trotz aller Kritik erfreuen sich die asiatischen Plattformen großer
Beliebtheit. Besonders Temu konnte in Deutschland stark wachsen. Laut
YouGov-Daten landete die Plattform im ersten Halbjahr 2024 gemessen
an der Zahl der Bestellungen auf Platz sechs der meistgenutzten
Onlinehändler. Rund 1,3 Millionen Menschen kauften in diesem Zeitraum
bei Temu ein. Entscheidend für den Erfolg sind die extrem niedrigen
Preise und das breite Sortiment. «Die Qualität muss nicht immer
schlecht sein, viele Kunden machen gute Erfahrungen», sagt
Marktforscher Christian Koch.

Laut einer repräsentativen Bitkom-Umfrage unter Käufern von Temu und
Shein geben 92 Prozent an, dort bestellt zu haben, weil die Produkte
günstiger waren als in anderen Online-Shops. Dennoch gibt es bei den
Kunden offensichtlich auch Bedenken. Fast jeder Zweite macht sich
nach eigenen Angaben Sorgen, dass in den Produkten
gesundheitsschädliche Materialien enthalten sind.