EU-Kommission will weniger Bürokratie und billigere Energie Von Katharina Redanz und Marek Majewsky, dpa
26.02.2025 07:23
Europas Wirtschaft hinkt hinterher. Mit weniger Berichtspflichten und
billigerer Energie soll geholfen werden. Was plant Brüssel konkret?
Brüssel (dpa) - Die Wirtschaft Deutschlands und der EU lahmt.
Zunehmende geopolitische Spannungen inklusive drohender US-Zölle und
ein harter technologischer globaler Wettbewerb lassen nicht erwarten,
dass es bald einfacher wird. Doch auch eigens von der
Staatengemeinschaft aufgelegte Vorgaben stehen in der Kritik - wie
etwa strenge Berichtspflichten für Nachhaltigkeit von Unternehmen.
Um die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen, will die
EU-Kommission an diesem Mittwoch mehrere Ideen und Maßnahmen
präsentieren. So will sie etwa mit dem sogenannten Clean Industrial
Deal (CID, «saubere-Industrie-Deal») ein Maßnahmenpaket vorlegen, das
von kritischen Rohstoffen bis internationaler Zusammenarbeit
verschiedene Bereiche betrifft. Dazu gehört ein Aktionsplan für
niedrigere Energiepreise.
Zudem sollen - teils erst im vergangenen Jahr beschlossene - Gesetze
vereinfacht werden. Das wiederum löst Befürchtungen etwa bei SPD und
Grünen aus. Vorab waren zahlreiche Entwürfe zu dem Vorhaben
bekanntgeworden, inwiefern sie seitdem geändert wurden, ist aber noch
unklar.
Fragen und Antworten im Überblick:
Was hat künftig Priorität?
Der Schwerpunkt des Clean Industrial Deals liegt laut dem Entwurf,
der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, auf energieintensiven
Industriezweigen und sauberen, grünen Technologien («clean-tech») wie
etwa Windrädern. So setzt die Kommission beispielsweise darauf, dass
künftig 40 Prozent dieser klimafreundlichen Technologien in der EU
hergestellt werden sollen. Sie will dem Entwurf zufolge auch bis Ende
2026 vorschlagen, die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe
so zu überarbeiten, dass nicht mehr nur der Preis den Ausschlag für
einen Bieter geben soll, wovon europäische Unternehmen profitieren
könnten.
Wie sollen die Energiepreise runtergehen?
Die hohen Energiepreise in Europa machen der Industrie zu schaffen.
Mit einem Aktionsplan für bezahlbare Energie will die EU-Kommission
unter anderem die Preise senken und den Ausbau grüner Energie
vorantreiben. Dafür sollen etwa die Wettbewerbsregeln vereinfacht
werden, wie aus einem Entwurf des Plans hervorgeht, der der Deutschen
Presse-Agentur ebenfalls vorliegt. Für niedrigere Stromkosten fordert
die Kommission die Mitgliedstaaten unter anderem auf, die
Stromsteuern zu senken.
Wie will sie Unternehmen entlasten?
Wie aus den Entwürfen hervorgeht, könnten die EU-Vorgaben für
Nachhaltigkeitsberichterstattung künftig für weniger Unternehmen
gelten. Außerdem müssen sie entsprechende Daten nicht mehr von allen
Zulieferern erfragen.
Auch das EU-Lieferkettengesetz will die Behörde anfassen. Wie aus dem
Entwurf hervorgeht, könnte sie vorschlagen, bestimmte Verpflichtungen
zu reduzieren. Vor allem hier stößt die Kommission auf Skepsis bei
Grünen und Sozialdemokraten. Sollte der Vorschlag «tatsächlich so
kommen wie befürchtet, dann wird das Lieferkettengesetz zum zahnlosen
Papiertiger», teilte der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im
Europaparlament, René Repasi, mit.
Die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini sprach davon, die
Vereinfachungsvorschläge seien «übers Knie gebrochen» worden. So ge
be
es keine vernünftige Abschätzung, welche konkreten Folgen diese
hätten. Es drohe eine Entkernung des Vorhabens, sollten die
durchsickerten Vorschläge kommen.
Woher soll das Geld kommen?
Für die grüne Transformation sind nach Angaben der Kommission aus den
Entwürfen dreistellige Milliardeninvestitionen in Energie, Industrie
und Transport nötig. Unter anderem soll die Vergabe von Staatshilfen
erleichtert werden. Neben öffentlichen Mitteln soll zudem aber vor
allem privates Kapital genutzt werden.
Wie soll die Abhängigkeit bei Rohstoffen verringert werden?
Aus Sicht der Kommission sollte Europa laut Entwurf strategischer
vorgehen, und Abhängigkeiten drastisch verringern. Das heißt unter
anderem: Mehr recyceln. 25 Prozent sogenannter strategischer
Rohstoffe sollen bis zum Ende des Jahrzehnts aus der Wiederverwertung
kommen. Um das zu unterstützen, soll es bis Ende 2026 ein Gesetz
geben, das einen Binnenmarkt für Abfälle und wiederverwendbare
Materialien schafft.
Was passiert mit den Klimazielen der EU?
Bei all den Maßnahmen hält die EU-Kommission an dem Ziel fest, die
Staatengemeinschaft bis 2050 klimaneutral zu machen - also nicht mehr
Treibhausgase auszustoßen als auch wieder gebunden werden können.
Auch soll dem Entwurf zufolge das Zwischenziel einer Reduktion der
Treibhausgase um 90 Prozent bis 2040 festgehalten werden. Dieses
Zwischenziel ist bislang eine Empfehlung der EU-Kommission, ein
bindender Gesetzesvorschlag steht noch aus.
Wie geht es weiter?
Viele der Vorschläge richten sich an die EU-Staaten. Der sogenannte
Clean Industrial Deal ist kein Rechtstext, er hat also keinen
Gesetzescharakter. Darin werden aber Gesetze angekündigt, die noch
vorgeschlagen werden müssen. Darüber hinaus will die Kommission
bereits beschlossenes EU-Recht ändern. Wenn EU-Gesetze neu geschaffen
oder substanziell geändert werden, hat das Europaparlament ein
Mitspracherecht. Änderungen müssen auch dort eine Mehrheit finden.
Wie genau die Verhandlungen bei den angekündigten Vereinfachungen
ablaufen werden und welche Mehrheiten sich finden werden, ist noch
unklar. «Ich erwarte, dass alle Fraktionen erkennen, wie dringlich es
ist, schnell Bürokratie abzubauen», teilte die Co-Vorsitzende der
CDU/CSU-Abgeordneten, Angelika Niebler, mit. Andreas Glück,
Europaabgeordneter der FDP, kritisierte, insbesondere die
Sozialdemokraten würden bereits eine Blockadehaltung an den Tag
legen. «Ich glaube, wenn man sich so verhält, dann hat man ein Stück
weit den Schuss nicht gehört», sagte er.