Spitzentreffen in London: Was kommt nach dem Trump-Eklat?

02.03.2025 04:31

Wie reagieren Europas Staats- und Regierungschefs auf den Eklat im
Weißen Haus? Ihr erstes Gipfeltreffen nach dem Zerwürfnis zwischen
der neuen US-Regierung und der Ukraine wird zum Krisengipfel.

London (dpa) - Keine zwei Tage nach dem beispiellosen Eklat im Weißen
Haus zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen
Staatschef Wolodymyr Selenskyj beraten westliche Staats- und
Regierungschefs heute in London über die Folgen für die Ukraine,
Europa und die ganze Welt. Aus Deutschland reist Noch-Bundeskanzler
Olaf Scholz (SPD) an, Gastgeber im Lancaster House ist der britische
Premierminister Keir Starmer. Die wichtigsten Fragen vor dem
Krisengipfel im Überblick.

Was besprechen die europäischen Verbündeten?

Eigentlich sollte der Gipfel bloß einer von mehreren zum weiteren
Vorgehen im Ukraine-Krieg sein. Doch durch das Zerwürfnis in
Washington ist die Lage besonders dringlich und brisant geworden.
Trump und sein Vize J.D. Vance hatten Selenskyj im Oval Office vor
der Weltöffentlichkeit scharf zurechtgewiesen und mit schweren
Vorwürfen überzogen, der Ukrainer ließ sich das nicht bieten. Die
Gespräche wurden abgebrochen, Selenskyj verließ das Weiße Haus
vorzeitig.

Europas Staats- und Regierungschefs müssen nun eine Linie im Umgang
mit dem mächtigen US-Präsidenten finden, und das gleich für mehrere
mögliche Szenarien: Denn der weitere Verlauf der Gespräche über einen

Frieden in der Ukraine ist kaum vorherzusehen.

Laut der britischen Regierung soll es unter anderem um ein «starkes,
dauerhaftes Abkommen» gehen, das einen möglichen Frieden absichert
und gewährleistet, dass die Ukraine künftige russische Angriffe
abwehren könnte. Allen voran Großbritannien und Frankreich sind
bereit, Soldaten für eine Friedenstruppe abzustellen. Wichtig wird
aber auch sein, wie sich Europa in Zukunft selbst verteidigt. Die
Briten hatten zuletzt angekündigt, ihre Verteidigungsausgaben bis
2027 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Andere
Länder dürften angesichts der Weltlage wohl nachziehen.

Welche Folgen hat das Zerwürfnis für die europäische Politik?

Der Eklat im Weißen Haus schickte Schockwellen in die Welt,
insbesondere in Europa gab es erschütterte Reaktionen. Viele Staats-
und Regierungschefs der EU stärkten Selenskyj demonstrativ den
Rücken. Kanzler Scholz betonte kurz danach: «Auf Deutschland und auf
Europa kann sich die Ukraine verlassen.»

Befürchtet wird, dass das Zerwürfnis zwischen Trump und Selenskyj
auch eine Zäsur in den transatlantischen Beziehungen bedeuten könnte.
Mit dem neuen US-Präsidenten und seiner brüsken Abkehr von
traditionellen Verbündeten erscheint es zunehmend schwerer
vorstellbar, dass die EU und die USA noch eine gemeinsame Strategie
im Umgang mit der Ukraine entwickeln werden.

Herrscht zumindest innerhalb der EU Einigkeit?

Die Europäische Union hat nach dem Treffen in London die Chance, bei
einem Sondergipfel am Donnerstag ein Zeichen zu setzen und die
Unterstützung für die Ukraine auszubauen. Doch einer will da nicht
mitmachen: Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor
Orban, dem ein besonders guter Draht zu Trump und Kreml-Chef Wladimir
Putin nachgesagt wird, droht mit der Blockade neuer Ukraine-Hilfen.
Das ist ihm schon mehrfach gelungen, da weitreichende Entscheidungen
in der EU einstimmig getroffen werden müssen.

Orban schrieb in einem Brief an EU-Ratspräsident António Costa, der
der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, er könne einer gemeinsamen
Erklärung der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag nicht
zustimmen. «Außer Ungarn und dem Vatikan» wolle ganz Europa
offenkundig Krieg, sagte Orban in einem Interview des ungarischen
Senders TV2. Stattdessen solle die EU dem Beispiel der USA folgen und
direkte Gespräche mit Russland über einen Waffenstillstand und eine
Einigung in der Ukraine führen.

Auf wen kommt es besonders an?

Der britische Premier Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron übernahmen bei ihren jeweiligen Besuchen bei Trump in
Washington die Rolle der Vorsprecher, wenn auch nicht mit gänzlich
gleichen Interessen. Starmer, der sich als Brückenbauer versteht,
brachte die Aussicht auf ein Handelsabkommen zwischen den USA und
Großbritannien mit nach Hause. Von Harmonie solcher Art mit Trump ist
die EU weit entfernt. Zwar betonten sowohl Starmer als auch Macron
ihr angeblich gutes Verhältnis zum US-Präsidenten und sorgten für
entsprechende Bilder aus dem Oval Office - das war aber noch vor dem
Eklat zwischen Selenskyj und Trump. Und von substanziellen
Zugeständnissen des Republikaners an die Europäer ist ohnehin noch
nichts zu hören gewesen.

Welche Rolle spielt Deutschland?

Dass Scholz jetzt nur noch Kanzler auf Abruf ist, macht sich auch in
der Ukraine-Diplomatie bemerkbar. Während Macron und Starmer bereits
nach Washington gereist sind, um Gespräche mit Trump zu führen, ist
das für Scholz als Übergangskanzler kaum denkbar. Die ersten beiden
Gipfel dieser Art fanden in Paris statt, jetzt ist es London. Berlin
ist außen vor. Und das, obwohl Deutschland in Europa bei der
Ukraine-Hilfe als zweitgrößter Unterstützer nach den USA eine
führende Rolle einnimmt. 

Warum nimmt Scholz Merz nicht mit zum Gipfel? 

Das ist nicht üblich. Scholz führt die Amtsgeschäfte ganz normal
weiter, bis eine neue Regierung vereidigt ist, auch wenn sein
politischer Handlungsspielraum eingeschränkt ist. Das gilt auch für
die internationale Politik. In der letzten Übergangsphase zwischen
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Scholz gab es zwar einen Fall, in
dem beide zusammen zu einem Gipfel gereist sind - zu einem
G20-Treffen in Rom. Das lag aber nur daran, dass Scholz der
Finanzminister Merkels und seine Teilnahme damit normal war.

Scholz stimmt sich allerdings eng mit Merz ab. Nach dem Eklat im
Weißen Haus am Freitagabend telefonierten die beiden mit Blick auf
den Londoner Gipfel. Auch vor dem EU-Sondertreffen nächsten
Donnerstag dürfte es ein solches Gespräch geben. «Ein
Regierungspraktikum vor Amtsübernahme ist für Herrn Merz allerdings
nicht vorgesehen», stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit erst
am Freitag noch einmal klar.

Was bedeutet das alles für die Regierungsbildung in Deutschland? 

Der Eklat in Washington dürfte sowohl Inhalt als auch Tempo der
Regierungsbildung beeinflussen. Der Druck, so schnell wie möglich
eine voll handlungsfähige Koalition auf die Beine zu stellen, ist
noch mehr gestiegen. Und die Wahrscheinlichkeit wächst, dass sich
Union und SPD noch auf ein Sondervermögen in dreistelliger
Milliardenhöhe für die eigene Verteidigung und die Ukraine-Hilfe
einigen, solange der alte Bundestag besteht - also bis zum 25. März.
Aktuell haben Union, SPD und Grüne noch die notwendige
Zwei-Drittel-Mehrheit, im neuen Bundestag nicht mehr.

Was wird nun aus der Nato? 

Nach dem Zerwürfnis geht es nun insbesondere um den Zusammenhalt der
transatlantischen Militärallianz. Groß ist die Sorge, dass die USA
aus der Nato austreten und damit Europa den atomaren Schutz entziehen
könnten. Bereits in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 hatte
Trump damit zeitweise gedroht.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte steht deshalb vor der kniffligen
Aufgabe, den Zusammenhalt der Nato sicherzustellen und gleichzeitig
die Ukraine weiter im Kampf gegen die russische Invasion zu
unterstützen. Er muss vermitteln und besänftigen. «Ich denke,
Selenskyj sollte einen Weg finden, seine Beziehung zu Präsident Trump
wiederherzustellen, das ist wichtig für die Zukunft», sagte Rutte in
einem BBC-Interview. Das Streitgespräch im Oval Office bezeichnete er
als «unglücklich». Seitdem habe er zweimal mit Selenskyj telefoniert.


Was macht Trump während des Gipfels? 

Der US-Präsident flog nach dem Schlagabtausch mit Selenskyj noch am
Freitag nach Florida. Gewöhnlich verbringt Trump die Wochenenden dort
in seinem Anwesen Mar-a-Lago, empfängt Gäste und spielt Golf. Zum
Eklat mit Selenskyj im Weißen Haus äußerte sich der Republikaner am
Samstag selbst nicht mehr. Auf seiner Plattform Truth Social
veröffentlichte er bloß zahlreiche Beiträge zu anderen Themen. Seine

Pläne für Sonntag gab das Weiße Haus bislang nicht bekannt.