Westliche Spitzenpolitiker beraten in London über Ukraine
02.03.2025 04:54
Nach dem Zerwürfnis zwischen Kiew und Washington stehen die
europäischen Verbündeten der Ukraine vor schwierigen Aufgaben. Können
sie das Dilemma lösen, in dem Selenskyj nach dem Trump-Eklat steckt?
London (dpa) - Mehr als ein Dutzend westliche Staats- und
Regierungschefs sowie die Spitzen von EU und Nato beraten heute in
London über die Lage im Ukraine-Krieg und den Vorstoß der USA für
Friedensverhandlungen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz reiste zu dem
Treffen in die britische Hauptstadt. Der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj traf bereits am Vortag in London ein, wo ihn
Premierminister Keir Starmer nach dem Eklat mit US-Präsident Donald
Trump im Weißen Haus demonstrativ herzlich willkommen hieß.
Das Zerwürfnis zwischen der Ukraine und den USA sowie die dadurch
aufgeworfenen Zweifel an der Bündnistreue des wichtigsten
Nato-Mitglieds unter Präsident Donald Trump dürften das Gipfeltreffen
dominieren. Gastgeber Starmer positionierte sich zuletzt als
Brückenbauer zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, die
bilateral Gespräche mit Russland über eine Beendigung des Konflikts
aufgenommen haben. Am Vorabend der Konferenz telefonierte Starmer mit
Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens
Regierungschefin Giorgia Meloni berichtete ebenfalls von einem
Gespräch mit Trump.
USA wollen keine Absicherung zusagen
Laut Angaben der britischen Regierung sollen sich die Gespräche in
London unter anderem darauf fokussieren, wie die Position der Ukraine
gestärkt werden kann, etwa durch fortgesetzte Waffenlieferungen und
erhöhten wirtschaftlichen Druck auf Russland. Zudem solle es um die
nächsten Schritte bei der Planung für starke Sicherheitsgarantien der
Europäer gehen und um die Fortsetzung der Diskussion mit der neuen
US-Regierung, die einen drastischen Kurswechsel in der
Ukraine-Politik der Vereinigten Staaten vollzogen hat.
Großbritannien und Frankreich haben Bereitschaft signalisiert, eigene
Truppen zur Friedenssicherung in der Ukraine abzustellen. Sie pochen
allerdings auf eine Absicherung durch die USA - und zu einer
entsprechenden Zusage ließ sich Trump trotz einer Charmeoffensive
Macrons und Starmers bei Besuchen in Washington in dieser Woche
bisher nicht bewegen.
Herzlicher Empfang für Selenskyj
Nach ihren Besuchen kam es dann bei Selenskyjs Treffen mit Trump zu
einem beispiellosen Eklat gekommen. Selenskyj lieferte sich vor
laufenden Kameras ein heftiges Wortgefecht mit Trump und dessen Vize
J.D. Vance, die ihn öffentlich mit schweren Vorwürfen überzogen. Das
Treffen endete ohne versöhnliche Note - und die ukrainische
Delegation musste ohne die erhoffte Solidaritätsadresse ihres bis
dato wichtigsten Verbündeten abreisen. Zur Unterzeichnung eines
Abkommens über den Abbau von Bodenschätzen in der Ukraine und einer
gemeinsamen Pressekonferenz kam es nicht mehr.
Starmer, der bereits kurz nach dem Vorfall mit Trump und Selenskyj
telefoniert hatte, bereitete dem ukrainischen Präsidenten hingegen
einen herzlichen Empfang an seinem Amtssitz in der Downing Street und
empfing ihn mit einer Umarmung. Zahlreiche Unterstützer, die sich im
Londoner Regierungsviertel versammelt hatten, jubelten dem Ukrainer
zu. Ein kleiner diplomatischer Coup gelang Selenskyj zudem mit einer
Einladung zur Audienz bei König Charles III. vor Beginn der
Konferenz.
Pünktlich zum Treffen wurde ferner ein Vertrag für ein britisches
Darlehen zugunsten der Ukraine in Höhe von umgerechnet 2,74
Milliarden Euro unterzeichnet. Das Geld soll bei der Verteidigung
gegen den Angriff Russlands helfen, in die ukrainische
Waffenproduktion fließen und mit Erträgen aus eingefrorenem
russischen Vermögen zurückgezahlt werden, wie Selenskyj erklärte.
«Das ist wahre Gerechtigkeit - derjenige, der den Krieg begonnen hat,
muss auch dafür bezahlen», schrieb er auf der Online-Plattform X.
«Zeitpunkt, um zusammenzustehen»
Mit Spannung erwartet wird, ob es den Europäern und ihren Verbündeten
wohl gelingt, Einigkeit zu demonstrieren. Starmers
Vorab-Stellungnahme liest sich wie ein Appell an seine Gäste: «Jetzt
ist der Zeitpunkt, um zusammenzustehen, damit wir das beste Ergebnis
für die Ukraine erreichen, die europäische Sicherheit schützen und
unsere gemeinsame Zukunft sichern.»
Erwartet werden neben Selenskyj und Scholz unter anderem auch Macron,
Meloni, Polens Regierungschef Donald Tusk sowie
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident
António Costa und Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Auch Kanadas
Premierminister Justin Trudeau und der türkische Außenminister Hakan
Fidan reisen in die britische Hauptstadt.