Auf sich gestellt: Spaltet Trumps Politik jetzt auch die EU? Von Katharina Redanz, Ansgar Haase und Michael Fischer, dpa

06.03.2025 05:08

Die Außenpolitik von Donald Trump sorgt bei Europäern für Entsetzen.

Nun wird bei einem Krisengipfel über Konsequenzen beraten. Es geht um
Milliardenbeträge, Waffen und die Stachelschwein-Strategie.

Brüssel/Berlin (dpa) - Spaltet die Politik von US-Präsident Donald
Trump auch die Europäische Union? Oder gelingt es dem Staatenverbund,
ihm vereint und wirkungsvoll etwas entgegenzusetzen? Diese Fragen
stellen sich nach den Entwicklungen in den vergangenen Tagen
dringlicher denn je. Bei einem Krisentreffen der Staats- und
Regierungschefs der EU könnte es heute erste Antworten geben. 

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj macht sich auf den
Weg nach Brüssel. Für Deutschland nimmt Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD) teil, es dürfte einer seiner letzten EU-Gipfel sein. Worum es
geht im Überblick: 

Was ist die Ausgangslage?

Trump und sein Team machen seit Wochen klipp und klar deutlich, dass
sie Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskrieges
erzwingen wollen - koste es, was es wolle. Konkret sieht das bislang
so aus, dass Trump etwa den Präsidenten der angegriffene Ukraine
einen Diktator nannte und die US-Militärhilfe für die Ukraine stoppen
ließ. Zudem muss die Ukraine aus Trumps Sicht in Verhandlungen mit
Russland starke Zugeständnisse machen.

Die Europäer sind bei all den Gesprächen bislang außen vor. Auch ob
sie einen Platz am Verhandlungstisch bei möglichen Friedensgesprächen
bekommen, ist weiter unklar. Sie sollen nach Trumps Willen aber die
Verantwortung für die Absicherung eines möglichen Friedensdeals
tragen und in Zukunft auch allein für die konventionelle Abschreckung
in Europa zuständig sein.

Was bedeutet das für die EU?

Die Europäer müssen aufrüsten - und das massiv und schnell.
Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland spätestens 2030
militärisch in der Lage sein dürfte, einen weiteren Krieg zu
beginnen. Davon abgeschreckt werden kann es möglicherweise nur, wenn
die EU-Staaten bis dahin ihre militärischen Fähigkeiten erheblich
ausbauen. Derzeit sind viele Streitkräfte in einem eher schlechten
Zustand, weil in den Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges
Verteidigungsausgaben drastisch heruntergefahren wurden.

Die EU-Staaten sind sich weitestgehend einig darüber, dass die
Verteidigungsausgaben deutlich erhöht werden müssen. Für viele
Regierungen stellt sich allerdings die Frage, woher das Geld dafür
kommen soll - zumal der zusätzliche Investitionsbedarf von der
EU-Kommission zuletzt auf eine hohe dreistellige Milliardensumme Euro
geschätzt wurde und Länder wie Frankreich und Italien bereits jetzt
hoch verschuldet sind.

Gibt es einen Plan?

Die für Vorschläge und Gesetzesinitiativen zuständige EU-Kommission
hat einen Plan mit dem Namen «ReArm Europe» (etwa: Europa wieder
aufrüsten) erstellt und hofft, dass er beim EU-Gipfel die notwendige
Zustimmung bekommt. Mit mehreren Maßnahmen könnten insgesamt fast
800 Milliarden Euro mobilisiert werden, hofft Präsidentin Ursula von

der Leyen.

So soll es nach Willen der Behörde unter anderem ein EU-Darlehen in
Höhe von bis zu 150 Milliarden Euro - etwa für die Anschaffung von
Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesystemen und Drohnen - geben. Die
Europäische Investitionsbank (EIB) soll zudem ihre Regeln für die
Kreditvergabe so ändern, dass auch reine Rüstungsprojekte gefördert
werden können. 

Weiter schlägt die Kommission vor, dass die einzelnen Mitgliedstaaten
bei Verteidigungsausgaben eine Sonderregel zu den EU-Schuldenregeln
für einen Zeitraum von vier Jahren nutzen können. Damit könnten sie
dann für die Aufrüstung neue Kredite aufnehmen, ohne ein
EU-Defizitverfahren zu riskieren. 

Wie ist Deutschlands Position dazu?

Deutschland will bei den Schuldenregeln eine andere Lösung. Wie aus
EU-Diplomatenkreisen zu hören ist, brachte der Ständige Vertreter der
Bundesregierung bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am
Mittwoch eine längerfristige Lösung statt einer temporären
Ausnahmeregel für Rüstungsinvestitionen ins Spiel. Ein Sprecher der
Bundesregierung wollte sich dazu nicht äußern. 

Bundeskanzler Scholz hatte sich Mitte Februar für eine gezielte
Änderung der derzeitigen EU-Schuldenregeln ausgesprochen, um in einem
klar begrenzten Rahmen höhere Investitionen in Verteidigungsgüter zu
ermöglichen. Ein solches Vorgehen könnte demnach klarere Verhältnisse

schaffen, als das über die Sonderregel - die sogenannte
Ausweichklausel - der Fall wäre.

Was bringt Kanzler Scholz mit nach Brüssel? 

Die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, auf die
sich Union und SPD am Dienstag in ihren Sondierungsverhandlungen
geeinigt haben. Deutschland zeigt damit Handlungsfähigkeit auch in
der Übergangsphase zwischen zwei Regierungen. Das ist auch bitter
nötig. Bei den diplomatischen Bemühungen um Frieden in der Ukraine
ist Deutschland bereits an den Rand gedrängt worden. An einem
europäischen Friedensplan arbeiten nun Großbritannien und Frankreich
federführend mit der Ukraine. 

Welche Schwierigkeiten gibt es?

Der EU bleibt derzeit nicht viel anderes übrig, als die Ukraine in
ihrer schwierigen Lage so gut wie möglich zu unterstützen und
US-Präsident Trump immer wieder darauf hinzuweisen, welche Folgen ein
schlechter Deal zur Beendigung des Krieges auch für ihn selbst und
sein Land haben könnte. Schwierig ist dabei, dass weitreichende
EU-Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen und insbesondere
mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ein Politiker
mitentscheidet, der ganz auf der Linie Trumps ist. 

Orban hat für den Gipfel bereits eine Blockade von
Unterstützungsentscheidungen für die Ukraine angekündigt. Auch sein
slowakischer Amtskollege Robert Fico signalisierte Widerstand gegen
eine gemeinsame Gipfelerklärung zugunsten der Ukraine. Beide
befürworten Trumps Kurs im Ukraine-Konflikt und pflegen enge
Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin.

Könnte es dennoch weitere Unterstützung aus der EU geben?

Geplant werden unter anderem weitere Zusagen für Militärhilfen, die
im Fall eines Vetos von Ungarn auch auf freiwilliger Basis gegeben
werden könnten. Zunächst einmal geht es darum, dass die Ukraine nicht
in einer Position der Schwäche in mögliche Gespräche mit Russland
gehen muss - und auch für die Situation gewappnet ist, dass Putin
eigentlich gar nicht verhandeln will. 

Zudem wird in der EU darüber beraten, wie Russland nach einem
möglichen Waffenstillstand davon abgehalten werden könnte, die
Ukraine erneut anzugreifen. Neben der vor allem von Frankreich und
Großbritannien erwogenen internationalen Truppenpräsenz ist dabei
insbesondere die sogenannte Stachelschwein-Strategie (Porcupine
Strategy) im Gespräch. Sie würde zum Beispiel bedeuten, der Ukraine
Waffensysteme zu liefern, mit denen sie im Fall einer erneuten
russischen Aggression deutlich stärker zurückschlagen könnte als
bislang. Dazu könnten auch deutsche Taurus-Marschflugkörper zählen,
die Bundeskanzler Scholz der Ukraine bislang immer verweigerte.