Einig über Aufrüstung - und ein Abweichler bei Ukraine-Hilfe
07.03.2025 01:56
Die EU will sich nicht mehr auf den Schutz der USA verlassen und
startet bei ihrem Krisengipfel eine Aufrüstungsinitiative. Bei einem
anderen Thema sorgt ein Freund Donald Trumps wieder für Ärger.
Brüssel (dpa) - Als Reaktion auf den außenpolitischen Kurswechsel der
USA unter Präsident Donald Trump will die EU massiv aufrüsten. In der
Ukraine-Politik findet sie wegen eines einzelnen Trump-Freunds unter
den 27 Staats- und Regierungschefs aber keine gemeinsame Linie: Der
ungarische Ministerpräsident Viktor Orban wollte sich beim
EU-Krisengipfel in Brüssel einer gemeinsamen Erklärung zur
anhaltenden Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes nicht
anschließen.
Die anderen 26 Mitgliedsstaaten bekräftigten daraufhin ohne ihn, dass
sie die «Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrthe
it
der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen»
weiterhin und uneingeschränkt unterstützen - inklusive
Waffenlieferungen. Außerdem forderten sie für eine Beendigung des
Krieges unter anderem glaubwürdige Sicherheitsgarantien und dass
Friedensverhandlungen nicht ohne ukrainische oder europäische
Vertreter stattfinden.
Bis zu 150 Milliarden Euro für Kredite
Weitreichender ist die Gipfelerklärung zu massiven Investitionen in
die Streitkräfte. Damit will die EU den wachsenden Zweifeln gerecht
werden, ob Europa noch auf den Schutz der USA zählen kann. Alle 27
Mitgliedstaaten stellten sich grundsätzlich hinter die Initiative der
EU-Kommission, nach der bis zu 150 Milliarden Euro an EU-Krediten für
Verteidigungsinvestitionen bereitgestellt und Ausnahmen in den
EU-Schuldenregeln für Verteidigung ermöglicht werden sollen.
Grundlage der Beratungen war ein Anfang der Woche von der
EU-Kommission vorgestellter Plan mit dem Namen «ReArm Europe» (etwa:
Europa wieder aufrüsten). Ziel ist es, insgesamt fast
800 Milliarden Euro zu mobilisieren. Unter anderem soll die
Europäische Investitionsbank (EIB) ihre Regeln für die Kreditvergabe
so ändern, dass mehr Investitionen in Rüstungsprojekte gefördert
werden können.
Von der Leyen wertet Gipfel als historisch
«Heute wird Geschichte geschrieben», sagte EU-Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen zu den Ergebnissen. Man sei entschlossen, mehr,
besser und gemeinsam schneller zu investieren. Bis zum nächsten
Gipfeltreffen in zwei Wochen sollen detailliert ausformulierte
Vorschläge der Kommission darlegen, wie die Beschlüsse rechtlich
umgesetzt werden können.
Selenskyj holt sich bei Europäern Rückendeckung
Zu dem Gipfel reiste auch der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj an, der sich bei der EU für die bisher geleistete Hilfe
bedankte. «Sie haben ein starkes Signal an das ukrainische Volk, an
die ukrainischen Krieger, an die Zivilbevölkerung, an alle unsere
Familien gesendet», sagte er. «Wir sind sehr dankbar, dass wir nicht
allein sind. Das sind nicht nur Worte. Wir fühlen es.» Der zuletzt
bei seinem Besuch im Weißen Haus von Trump und dessen Vize J.D. Vance
öffentlich gedemütigte ukrainische Präsident wurde in Brüssel mit
offenen Armen empfangen.
Macron will europäischen Nuklearschirm
Für Gesprächsstoff sorgte der französische Präsident Emmanuel Macro
n
mit seinem erneuten Vorstoß für einen europäischen nuklearen
Schutzschirm, der auf französischen Atomwaffen basiert. Er habe
vorgeschlagen, ein strategisches Gespräch mit den Mitgliedstaaten zu
eröffnen, die interessiert seien, in dieser Frage voranzukommen,
sagte er nach dem Gipfel. «Einige meiner Kollegen sind zu mir
gekommen.» Man werde jetzt einen Austausch auf technischer Ebene
starten, anschließend solle es Gespräche auf Ebene der Staats- und
Regierungschefs geben. In ein paar Monaten werde sich dann zeigen, ob
neue Zusammenarbeit entstehen könnte.
Scholz will bei Nato-System bleiben
Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will allerdings am
bisherigen Nato-Abschreckungssystem auf Basis der US-Atomwaffen
festhalten. «Niemand plant, von der heutigen Situation wegzugehen,
dass wir eine Vereinbarung in der Nato haben. Und das ist auch die
gemeinsame Position aller relevanten Parteien in Deutschland», sagte
er. «Ich glaube, das ist auch etwas, was realistisch ist, wenn man
sich einmal die Größenordnung der Handlungsmöglichkeiten anschaut.»
Die USA haben im Vergleich zu den europäischen Atommächten
Großbritannien und Frankreich ein weitaus größeres
Nuklearwaffenarsenal. Expertenschätzungen zufolge haben sie noch etwa
100 Atombomben in Europa stationiert - einige davon auf dem
Fliegerhorst Büchel in der Eifel. Auch in Belgien, den Niederlanden,
Italien und in der Türkei sollen noch US-Atombomben gelagert sein.
Offizielle Angaben gibt es dazu nicht.