Auf Zölle folgen Gegenzölle: Beginnt jetzt der Handelskrieg? Von Ansgar Haase, Alexander Sturm und Christian Rothenberg , dpa
12.03.2025 14:13
Europäische Hoffnungen auf ein Einlenken von Donald Trump in letzter
Minute haben sich nicht erfüllt. Seit diesem Mittwoch treffen neue
US-Zölle direkt auch die EU. Die nimmt US-Produkte ins Visier.
Brüssel (dpa) - US-Präsident Donald Trump hat ungeachtet von
Warnungen der EU neue Importzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte
einführen lassen. Die Antwort auf Brüssel folgt prompt. Ist das nun
der Beginn des gefürchteten Handelskriegs zwischen Europa und den
Vereinigten Staaten? Fragen und Antworten im Überblick:
Was genau ist am Mittwochmorgen passiert?
Um 5.01 Uhr deutscher Zeit ließ Trump neue Zölle in Höhe von 25
Prozent auf die Einfuhr von Stahl und Aluminiumprodukten in die USA
in Kraft treten. Bereits rund eine Stunde später kündigte die EU
Gegenmaßnahmen an. Vom 1. April an werden demnach wieder
EU-Extrazölle auf die Einfuhr amerikanischer Produkte wie
Bourbon-Whiskey, Videospielkonsolen, Boote und Erdnussbutter fällig.
Der Zollsatz soll zum Teil bei 50 Prozent liegen - zum Beispiel für
Motorräder, wie sie der bekannte Hersteller Harley-Davidson in den
USA baut.
Die Pläne der für die EU-Handelspolitik zuständigen Europäischen
Kommission sehen zudem vor, ab Mitte April in Abstimmung mit den
Mitgliedstaaten noch zahlreiche weitere Importe mit Gegenzöllen zu
belegen. Sie sollen Unternehmen treffen, die amerikanische
Agrarprodukte wie Geflügel, Rindfleisch, bestimmte Meeresfrüchte,
Nüsse, Eier, Milchprodukte, Zucker und Gemüse in die EU verkaufen.
Zudem soll es auch EU-Extrazölle auf weitere Industrieprodukte wie
Textilien, Lederwaren, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Kunststoffe und
Holzprodukte geben. Der Zollsatz könnte bei 25 Prozent liegen.
Was bedeutet der Zollstreit für Wirtschaft und Jobs?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht erhebliche
Gefahren. Konkret prognostiziert sie steigende Preise, Probleme in
Lieferketten und das Risiko von Jobverlusten. «Zölle sind Steuern.
Sie sind schlecht für Unternehmen und noch schlechter für die
Verbraucherinnen und Verbraucher», sagt sie.
Ökonomen teilen diese Sicht. Die entstehende Unsicherheit wirke sich
negativ auf die Investitionen von Unternehmen und die Wirtschaft im
Allgemeinen aus, analysiert Samina Sultan vom Institut der deutschen
Wirtschaft (IW). «Das dürfte auch Arbeitsplätze auf beiden Seiten des
Atlantiks gefährden.»
Welche Produkte könnten teurer werden?
Grundsätzlich alle, die von den Zöllen betroffen sind. «Wie viel
teurer hängt etwa davon ab, wie hoch die Nachfrage danach ist oder ob
man die Produkte leicht ersetzen kann, durch gleichwertige Produkte
aus Europa», erklärt Ökonomin Sultan. Bei Jeans hält der Modeverban
d
Deutschland die Auswirkungen zum Beispiel für überschaubar. Auf dem
Markt hierzulande spielten Produkte, die direkt aus den USA kommen,
keine große Rolle, sagt eine Sprecherin. Die wichtigsten
Herstellerländer seien China, Bangladesch und die Türkei. Der
Einfuhrwert für Jeans aus den USA nach Deutschland lag 2024 laut
Statistischem Bundesamt nur bei gut drei Millionen Euro.
Ist das jetzt der Beginn eines großen europäisch-amerikanischen
Handelskriegs?
Das hängt wohl vor allem von Donald Trump ab. Thomas Gitzel,
Chefvolkswirt der VP Bank in Liechtenstein, sieht die Gefahr einer
Eskalationsspirale. Im Gegensatz zum Handelskonflikt zwischen EU und
USA in Trumps erster Amtszeit könnten die US-Strafmaßnahmen nur der
Auftakt einer ganzen Reihe von Zöllen sein. «Ein globaler
Handelskrieg nimmt also langsam Fahrt auf», sagt er. Trump hat
bereits angekündigt, auch auf Autos und andere Waren aus der EU neue
Zölle verhängen zu wollen.
Als Folge von erhöhten US-Zöllen gegen China könnten zudem Waren aus
Fernost verstärkt nach Europa strömen, sagt Rolf Langhammer, Ökonom
am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). «Zu befürchten ist ein
Negativsummenspiel, bei dem alle verlieren.»
Wie geht es jetzt weiter?
Kommissionspräsidentin von der Leyen betont, dass die EU
verhandlungsbereit ist. «Wir sind fest davon überzeugt, dass es in
einer Welt voller geoökonomischer und politischer Unsicherheiten
nicht in unserem gemeinsamen Interesse liegt, unsere
Volkswirtschaften mit solchen Zöllen zu belasten», sagt sie.
Was könnte die EU Trump anbieten?
Nach Einschätzung der EU-Kommission könnten die Europäische Union und
Trump etwa einen neuen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von
Flüssiggas (LNG) schließen. «Wir bekommen immer noch viel LNG aus
Russland, warum also nicht stattdessen amerikanisches LNG einsetzen,
das günstiger für uns ist und unsere Energiepreise senkt», sagte die
deutsche Spitzenpolitikerin bereits nach einem Telefonat mit Trump
nach dessen Wahl. Zudem wäre es möglich, mehr Militärtechnik und
Agrargüter aus den USA zu importieren und die Importzölle für
US-Autos zu senken. Diese lagen zuletzt mit zehn Prozent deutlich
über dem US-Zollsatz in Höhe von 2,5 Prozent.
Was sind die Druckmittel der EU?
Die Extra-Zölle der EU könnten manche US-Unternehmen, empfindlich
treffen. Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis
2021 Sonderzölle auf die Einfuhr von Stahl- und Aluminiumprodukten
eingeführt und dies «mit Interessen der nationalen Sicherheit»
begründet. Die EU reagierte damals schon mit Vergeltungszöllen auf
US-Produkte wie Bourbon-Whiskey und Motorräder - und Hersteller wie
Harley-Davidson beklagten negative Auswirkungen.
Man versuche, die USA dort zu treffen, wo es weh tue, sagte ein
EU-Beamter am Mittwoch in Brüssel. Das bedeute, dass man eine Liste
von Produkten habe, die einen hohen ikonischen und symbolischen Wert
besitzen. Um möglichst großen politischen Druck aufzubauen, werden
zudem Produkte ins Visier genommen, die aus der Heimat von
einflussreichen Parteifreunden Trumps kommen. So soll es etwa neue
EU-Zölle auf Sojabohnen geben, die unter anderem in Louisiana, der
Heimat von Repräsentantenhaussprecher Mike Johnson, produziert
werden.
Warum führt Trump die Zölle überhaupt ein?
Trump will die USA als Produktionsstandort stärken und
Handelsdefizite abbauen. Ihm ist es zum Beispiel ein Dorn im Auge,
dass europäische Unternehmen deutlich mehr Waren in den USA verkaufen
als amerikanische Firmen in der EU. Das betrifft vor allem
Deutschland: Hiesige Exporteure verkauften 2024 Waren im Wert von
161,4 Milliarden Euro in die USA, gut zehn Prozent aller deutschen
Exporte. Umgekehrt wurden 2024 Waren im Wert von 91,4 Milliarden aus
den USA importiert. Die Folge war ein deutscher
Rekord-Handelsüberschuss von rund 70 Milliarden Euro mit den USA.
Die EU-Kommission argumentiert, dass die USA aber mehr
Dienstleistungen in die EU verkaufen als umgekehrt. Berücksichtige
man sowohl Waren als auch Dienstleistungen, habe es etwa 2023 nur
einen geringen Überschuss von 48 Milliarden Euro gegeben. Das
entspreche drei Prozent des gesamten Handels zwischen den USA und der
EU.