Insekten in Lebensmitteln: Nische oder Trend? Von Sarah Knorr, dpa
13.03.2025 05:30
Seit 2021 dürfen Insekten in der EU im Essen landen - große Skepsis
inklusive. Wie sieht es vier Jahre später bei den Konsumenten sowie
im Supermarkt aus?
Brüssel (dpa) - Insekten findet man hierzulande bislang eher in der
Natur als auf dem Teller. Doch immer mehr Insekten werden durch die
Europäische Union als Lebensmittel beziehungsweise als deren
Bestandteile in der EU zugelassen. Seit Kurzem darf etwa
UV-behandeltes Insektenpulver aus Larven des Mehlkäfers in
Lebensmitteln verwendet werden. Doch obwohl Insekten Vorteile bieten,
entwickelt sich der Markt eher schleppend. Ein Überblick:
Warum überhaupt Insekten essen?
Im Gegensatz zu Deutschland sind in vielen Ländern weltweit Insekten
auf dem Teller nichts Ungewöhnliches. Laut Constanze Rubach von der
Verbraucherzentrale Niedersachsen sind sie Quellen für ungesättigte
Fettsäuren, B-Vitamine und wichtige Mineralstoffe. Zudem haben sie
einen ähnlichen Proteinanteil wie Schweine-, Rind- oder Putenfleisch
- und sind für einige eine denkbare Alternative zum Fleischkonsum.
«Der genaue Proteinanteil variiert je nach Art des Insekts», so
Rubach. Zudem sei die Zucht von Insekten klimafreundlicher als die
von Wirbeltieren.
Wie verbreitet sind Insekten in Lebensmitteln inzwischen?
Genau lässt sich das nicht sagen. «Generell liegen uns keine
dezidierten Marktinformationen über Lebensmittel mit Insektenanteil
vor», teilt der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels auf
Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
In den Supermarktregalen ist insektenhaltige Nahrung nach Angaben
großer Unternehmen zumindest noch nicht im großen Stil zu finden. So
haben auf dpa-Anfrage Rewe, Edeka, Kaufland, Aldi, Lidl, Penny und
Netto einstimmig angegeben, in ihren Eigenmarken keine Produkte mit
Insektenbestandteilen im Sortiment zu führen.
Dennoch nimmt die Produktion nach Branchenangaben zu. 2023 lag laut
International Platform of Insects for Food and Feed (IPIFF), einer
europäischen Interessenorganisation des Insektenproduktionssektors,
die Gesamtproduktion von Insekten für den menschlichen Verzehr
EU-weit bei etwas mehr als 800 Tonnen. Schätzungen für dieses Jahr
prognostizieren demnach eine Produktion von 2.755 Tonnen.
Das ist im Vergleich aber verschwindend gering: Laut Eurostat lag die
Fleischerzeugung aus Schweinen 2023 bei 20,6 Millionen Tonnen, die
aus Geflügel bei 13,3 Millionen Tonnen.
Was ist in der EU erlaubt?
Insekten gelten als sogenannte neuartige Lebensmittel und müssen von
der EU zugelassen werden, bevor sie auf den Markt gebracht werden
können. 2021 ließ die Europäische Kommission erstmals Insekten in
Lebensmitteln zu. So ist der Mehlkäfer in verschiedenen Formen und
Varianten erlaubt - etwa gefroren, getrocknet und als Pulver. Zudem
dürfen die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria), die
Hausgrille (Acheta domesticus) sowie der Getreideschimmelkäfer
(Alphitobius diaperinus) - auch unter dem Namen Buffalowurm bekannt -
verarbeitet werden.
Vor wenigen Wochen hat die Kommission zudem die Verwendung von
UV-behandeltem Pulver ganzer Larven des Mehlkäfers (Larven
von Tenebrio molitor) genehmigt. Außerdem gibt es laut Kommission
weitere Anträge für Insekten, die in verschiedenen Formen vermarktet
werden sollen. Diese werden von der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit einer Sicherheitsbewertung unterzogen.
Was halten Menschen in Deutschland von Insekten in Lebensmitteln?
Mit 83 Prozent hat die große Mehrheit in Deutschland einer aktuellen
YouGov-Umfrage im Auftrag der dpa zufolge zwar bislang keine Insekten
gegessen. Aber zumindest knapp jeder Zehnte (8 Prozent) hat die Tiere
bereits bewusst gegessen und 18 Prozent antworteten, dass sie diese
probieren würden.
Fast zwei Drittel der Befragten gab an, bisher keine Insekten
gegessen zu haben und dies auch in Zukunft nicht zu wollen. Auf Platz
eins der Gründe, die die Befragten vom Insekten-Konsum abhalten,
liegt eindeutig Ekel (62 Prozent). Dahinter folgten kulturelle
Gewohnheiten (24 Prozent) und unbekannte Inhaltsstoffe (22 Prozent).
14 Prozent gaben an, es gebe keine Gründe, die sie davon abhielten.
In welchen Lebensmitteln können Insekten vorkommen?
Tatsächlich in einer ganzen Menge. Laut Lebensmittelverband
Deutschland können Wanderheuschrecke, Hausgrille und Co. etwa in
Brot, Nudeln, Fleischersatzprodukten, Keksen, Soßen,
Kartoffelerzeugnissen, Pizzen, Molkenpulver oder auch Schokolade
stecken.
Und auch wenn bei manchen beim Verspeisen Gedanken an das
Dschungelcamp aufkommen: In Deutschland gibt es in der Tat
Restaurants, in denen ganze oder auch verarbeitete Insekten angeboten
werden. Wie viele es gibt, kann der Deutsche Hotel- und
Gaststättenverband DEHOGA allerdings nicht beziffern.
Und können sie in Lebensmitteln «versteckt» werden?
Nein, in der Zutatenliste muss eindeutig angegeben sein, wenn sich
etwa ein Käfer oder eine Heuschrecke im Produkt befindet - und zwar
sowohl mit der lateinischen Bezeichnung als auch mit dem geläufigen
Namen.
Das gilt nicht nur für Nahrungsmittel aus Supermärkten - sondern auch
für Produkte vom Bäcker. Aus den Leitsätzen für Brot und Kleingeb
äck
geht laut Christopher Kruse, Geschäftsführer des Zentralverbands des
Deutschen Bäckerhandwerks, klar hervor, welche Zutaten in gängigen
Brotsorten enthalten sein dürfen. «Sollte ein Bäcker hiervon
abweichen wollen, müsste er das gesondert kennzeichnen», sagt Kruse.
Außerdem sind Lebensmittel mit Insektenanteilen bisher etwas
Besonderes, deswegen sollen diese Zutaten oft direkt auf den ersten
Blick erkennbar sein, so der Lebensmittelverband Deutschland.
Wächst der Markt?
«Aktuell sieht es nicht danach aus, dass der Markt für Lebensmittel
mit Insekten als Zutat wächst», heißt es vom Lebensmittelverband
Deutschland. Zudem sei etwa Mehl aus Insekten teurer als das aus
Weizen. Das heißt, dadurch werden Lebensmittel auch entsprechend
teurer. «Bisher stellt die Insektenzucht eine Nische auf dem
Lebensmittelmarkt dar», bilanziert auch Verbraucherschützerin Rubach.