Kämpfe im Gebiet Kursk - Ukraine-Unterstützer beraten sich
15.03.2025 04:58
Die ukrainischen Truppen sind im russischen Gebiet Kursk massiv unter
Druck. Präsident Selenskyj sieht ihre Mission erfüllt, doch die
Kämpfe dauern an. Kanzler Scholz berät sich mit Verbündeten Kiews.
Kiew/Moskau (dpa) - Russlands Streitkräfte kämpfen nach
Gebietsgewinnen in der russischen Region Kursk weiter um eine
Rückeroberung aller von ukrainischen Truppen kontrollierten Flächen.
In den wieder eingenommenen Gebieten habe man damit begonnen, Minen
und Blindgänger unschädlich zu machen, teilte der geschäftsführende
Gouverneur des Gebiets Kursk über Telegram mit. Der ukrainische
Generalstab hatte zuvor Behauptungen zurückgewiesen, in Kursk seien
Tausende Soldaten eingekesselt - so hatte es neben der russischen
Seite auch US-Präsident Donald Trump zuletzt dargestellt.
Während das russische Verteidigungsministerium von einer
Rückeroberung der Stadt Sudscha berichtete, gab es dafür von
ukrainischer Seite keine Bestätigung. Der ukrainische Generalstab
meldete vielmehr zahlreiche Gefechte in der Region Kursk.
In Sudscha sei eine Angestellte eines Kulturzentrums bei einem
Angriff der ukrainischen Streitkräfte getötet worden, teilte der
geschäftsführende Gouverneur des Gebiets Kursk, Alexander Chinstein,
mit. Zwei Menschen seien verletzt worden. Die Angaben ließen sich
nicht unabhängig überprüfen.
Unklare Lage der ukrainischen Truppen
Nach den schweren Verlusten der ukrainischen Streitkräfte und einem
Rückzug von Truppenteilen ist die Lage der Soldaten im Raum Kursk
unklar. Fest steht bloß, dass sie schwer unter Druck sind. Der
ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gestand indirekt ein, dass
die Armee sich aus der Region zurückziehen muss. «Die Situation ist
sehr schwer. Ich kann nur unseren Kämpfern für diese Operation
danken, die ihre Aufgabe erfüllt hat», sagte der Staatschef zu
Journalisten.
«Genau in diesem Moment sind Tausende ukrainische Soldaten durch das
russische Militär eingekreist und sind in einer sehr schlechten und
verletzlichen Lage», verkündete US-Präsident Trump über sein
Online-Sprachrohr Truth Social. Um ein Massaker zu verhindern, habe
er den russischen Präsidenten Wladimir Putin gebeten, das Leben der
Soldaten zu schonen.
Der Kremlchef, der den Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar
2022 begonnen hatte, erklärte sich in Moskau bei einer Sitzung des
nationalen Sicherheitsrates dazu bereit - aus «humanitären Gründen»
.
Die Führung in Kiew solle den ukrainischen Soldaten im Gebiet Kursk
befehlen, die Waffen niederzulegen und sich in Gefangenschaft zu
begeben, verlangte Putin. Der Vizechef des Sicherheitsrates, Dmitri
Medwedew, drohte damit, dass die ukrainischen Soldaten dort
andernfalls vernichtet würden.
Ursprünglich hatte die ukrainische Führung den Vorstoß ins russische
Grenzgebiet im vergangenen August damit begründet, die eingenommenen
Territorien bei möglichen Verhandlungen mit Russland gegen besetztes
ukrainisches Gebiet tauschen zu können. Die Gefangennahme russischer
Soldaten diente als weitere Rechtfertigung für das Wagnis, bei dem
Tausende ukrainische Soldaten ums Leben kamen. Selenskyj bezeichnete
die Operation stets als großen Erfolg.
Ukraine beklagt Tote und Verletzte bei Luftangriffen
Unterdessen wurden aus der Ukraine einmal mehr schwere Luftangriffe
von russischer Seite mit Drohnen und Raketen gemeldet - etwa auf ein
Wohnviertel in der südukrainischen Industriestadt Krywyj Rih. Nach
Behördenangaben wurden mindestens zwölf Menschen verletzt, darunter
zwei Kinder. Im südlichen Gebiet Cherson wurde demnach ein 43 Jahre
alter Mann bei einem russischen Angriff mit Gleitbomben getötet, vier
Menschen seien verletzt worden.
In der nordukrainischen Großstadt Tschernihiw wurde laut der
Stadtverwaltung in der Nacht ein mehrstöckiges Haus bei einer
Drohnenattacke getroffen und ein Auto in Brand gesetzt. Im Gebiet
Sumy an der Grenze zu Russland sowie in der Schwarzmeerregion Odessa
gab es laut Behörden Luftalarm wegen Drohnenattacken. In der
Kleinstadt Tschornomorsk im Gebiet Odessa, wo den offiziellen Angaben
nach Energieanlagen zum Ziel russischer Angriffe wurden, fiel der
Strom aus.
Britischer Premier lädt zu Ukraine-Krisenkonferenz
Die Unterstützer der Ukraine wollen am Samstag weitere Schritte
diskutieren, um dem von Russland angegriffenen Land zu helfen. Der
britische Premierminister Keir Starmer lädt dafür mehrere Staats- und
Regierungschefs zu einer digitalen Krisenkonferenz (11.00 Uhr MEZ).
Die Videoschalte, an der auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
teilnimmt, folgt auf einen von der US-Regierung und ukrainischen
Vertretern ausgearbeiteten Plan für eine Waffenruhe, den Russland in
dieser Form bislang ablehnt. Starmer forderte den Kreml auf, der
Feuerpause zuzustimmen.
Putin hatte die Zustimmung zur vorgeschlagenen Waffenruhe an
Bedingungen geknüpft. Eine Einigung gibt es bislang nicht.
Man könne nicht erlauben, dass Putin mit dem Vorschlag «Spiele
spielt», sagte Starmer. Er rief die internationalen Verbündeten dazu
auf, Russland mit wirtschaftlichem Druck in Friedensverhandlungen zu
zwingen. Die bisherige Ablehnung einer Waffenruhe zeige, dass Putin
kein ehrliches Interesse an Frieden habe. Er wolle offensichtlich nur
Zeit gewinnen. «Stellen Sie die barbarischen Angriffe auf die Ukraine
ein für alle Mal ein», forderte Starmer vom Kremlchef.
Der britische Premier war bereits Anfang März Gastgeber einer großen
Konferenz gewesen, bei der sich in London westliche Staats- und
Regierungschef sowie die Spitzen der EU und Nato trafen. Starmer will
eine «Koalition der Willigen» etablieren, die im Fall einer Einigung
bereit wäre, den Frieden in der Ukraine auch mit eigenen Truppen zu
sichern. In der kommenden Woche soll es eine weitere Konferenz zur
militärischen Planung geben.