Sorge vor Trumps Zöllen: EZB senkt Leitzins auf 2,25 Prozent Von Alexander Sturm, dpa
17.04.2025 16:04
Gut für Kreditnehmer, schlecht für Sparer: Die Europäische
Zentralbank setzt die Leitzinsen erneut herab. Denn mit Trumps
Zolloffensive sind die Sorgen um Wirtschaft und Welthandel so groß
wie selten.
Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank senkt inmitten der
Zollturbulenzen zum siebten Mal seit vergangenem Juni die Leitzinsen.
Der für Banken und Sparer wichtige Einlagensatz wird um 0,25
Prozentpunkte auf 2,25 Prozent verringert, wie die Notenbank in
Frankfurt mitteilte.
Niedrigere Zinsen machen Kredite tendenziell günstiger. Sie helfen
der schwachen Konjunktur in der Eurozone, der mit der Zolloffensive
von Donald Trump weitere Rückschläge drohen. Zudem gibt die
abflauende Inflation im Euroraum der EZB Spielraum für
Zinssenkungen.
Lagarde: Trübere Aussichten für Wirtschaft wegen Zollstreit
Die Aussichten für die Wirtschaft im Euroraum hätten sich «aufgrund
der zunehmenden Handelsspannungen eingetrübt», erklärte die EZB. «D
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erhöhte Unsicherheit dürfte das Vertrauen der privaten Haushalte und
Unternehmen mindern», so die EZB, die auch auf die jüngsten heftigen
Börsenturbulenzen verwies. Präsidentin Christine Lagarde sprach von
«außergewöhnlich hoher Unsicherheit». Hinweise auf den künftigen
Zinskurs vermied sie wie üblich.
Die EZB verringert zudem den Zins, zu dem sich Geschäftsbanken
frisches Geld bei der Notenbank besorgen können: Statt 2,65 Prozent
werden dafür nun 2,4 Prozent Zinsen fällig.
«Durch die drastische und erratische Zollpolitik der US-Regierung ist
die Gefahr einer globalen Rezession deutlich gestiegen und die
Risiken für die Finanzmarktstabilität haben sich merklich erhöht»,
schrieb Silke Tober, Expertin für Geldpolitik am Institut für
Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der
Hans-Böckler-Stiftung. «Darauf muss die EZB reagieren.»
Angst vor Weltwirtschaftskrise
Seit der Verkündung von Trumps globalem Zollpaket Anfang April sind
die Sorgen um den Welthandel stark gewachsen. Der Zollstreit könnte
die Wirtschaft im Euroraum erheblich belasten, die dieses Jahr
ohnehin kaum wachsen dürfte. Schon im März - vor Trumps Zollschlag -
hatte die EZB ihre Wachstumsprognose für 2025 auf 0,9 Prozent
gesenkt. Die kriselnde deutsche Wirtschaft fällt als Lokomotive für
den Euroraum aus.
Zwar hat Trump die pauschalen Zölle von 20 Prozent auf Importe aus
der EU für 90 Tage ausgesetzt. Es bleiben aber der neue US-Basiszoll
von 10 Prozent und 25 Prozent Zoll auf Autos, Stahl und Aluminium aus
Europa. Trump will zudem neue Sonderzölle im Bereich der
Halbleiterindustrie und auf Medizinprodukte ankündigen. Zudem fährt
Trump einen harten Zollkurs gegen China.
«In einem von hoher Unsicherheit geprägten Umfeld sendet die EZB ein
wichtiges Stabilitätssignal an die Märkte», sagt Jörg Asmussen,
Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen
Versicherungswirtschaft.
Schon jetzt verunsichert Trumps Zoll-Schlingerkurs Unternehmen
weltweit. Nach Ansicht von Ifo-Präsident Clemens Fuest ist eine
Weltwirtschaftskrise nicht auszuschließen. EZB-Präsidentin Lagarde
hatte jüngst vor deutlichen Einbußen beim Wachstum in der Eurozone
gewarnt, sollte der Handelsstreit mit den USA eskalieren.
Inflation flaut ab
Ferner sieht die EZB ihr Ziel stabiler Preise in greifbarer Nähe. Die
Teuerung im Euroraum sank im März auf eine Rate von 2,2 Prozent und
liegt damit nahe am EZB-Ziel von mittelfristig 2,0 Prozent. So hat
sich der Preisdruck bei Dienstleistungen abgeschwächt, der zuletzt
als Inflationstreiber galt.
Im Zollkonflikt hat zudem der Euro zum Dollar stark im Kurs
aufgewertet - das verbilligt Importe nach Europa und dämpft die
Inflation tendenziell. Auch mit dem gesunkenen Ölpreis schwindet der
Inflationsdruck, während der Zollstreit die globale Nachfrage dämpfen
dürfte und mehr Güter aus China nach Europa drängen könnten. Bedenk
en
um eine wieder anziehende Teuerung, etwa im Zuge von europäischen
Gegenzöllen auf US-Produkte oder wegen des milliardenschweren
Finanzpakets von SPD und Union, traten in den Hintergrund.
Sinkende Zinsen für Sparer
Für Sparer ist die erneute Leitzinssenkung keine gute Nachricht:
Bekommen Banken weniger Zinsen für bei der EZB geparkte Gelder,
senken sie die Zinsen für Kunden. Mitte April brachten bundesweit
verfügbare Tagesgelder im Schnitt 1,4 Prozent, zeigt eine Analyse des
Vergleichsportals Verivox. Die Zinsen für zweijährige Festgelder
lagen demnach bei 2,11 Prozent - ein Tiefstand seit Ende 2022. Damit
können Sparer die Inflation in Deutschland nicht ausgleichen, ihr
Geld verliert an Wert.
Schlecht sieht es auch für Hausbauer und Immobilienkäufer aus. Auf
die Bauzinsen, die mit dem Milliarden-Schuldenpaket von Union und SPD
kräftig gestiegen sind, hat die Zinssenkung der EZB nicht zwingend
Einfluss: Sie orientieren sich an den Renditen zehnjähriger
Bundesanleihen.
Weitere Zinssenkungen erwartet
Einige Ökonomen halten es für möglich, dass die EZB den Einlagensatz
weiter senkt. Schon im Juni könnte der Zins auf 2,0 Prozent fallen,
meint Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Selbst danach sei
eine Zinspause nicht ausgemacht. Der Bundesverband deutscher Banken
plädierte für einen vorsichtigen Kurs. Die mittelfristigen
Auswirkungen der Handelskonflikte auf die Inflation im Euroraum seien
noch völlig unklar.