Autobauer bekommen mehr Zeit für EU-Klimavorgaben

08.05.2025 16:50

Die angeschlagene europäische Autoindustrie bekommt Unterstützung aus
der Politik. Sie darf sich mehr Zeit damit lassen, bestimmte
EU-Umweltauflagen zu erfüllen.

Straßburg (dpa) - Angesichts drohender CO2-Strafen bekommen Europas
Autobauer mehr Zeit, um EU-Klimavorgaben einzuhalten. Das
Europaparlament stimmte in Straßburg für eine entsprechende
Lockerung. 

Formell müssen die EU-Staaten die Entscheidung noch billigen, sie
hatten sich am Mittwoch aber bereits für eine Verschiebung
ausgesprochen. Damit folgen die beiden Institutionen einem Vorschlag
der EU-Kommission, wonach Grenzwerte nicht mehr jährlich eingehalten
werden müssen, sondern die Unternehmen drei Jahre Zeit bekommen. 

Wenn VW, Mercedes, BMW oder andere Unternehmen die Vorgaben in diesem
Jahr überschreiten, werden sie nicht automatisch zur Kasse gebeten.
Sie können Strafen ganz vermeiden, wenn sie in den beiden Folgejahren
die EU-Regeln übererfüllen.

Autobranche sieht Entscheidung als wichtigen Schritt 

Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht in dem
Aufschub einen ersten wichtigen Schritt. «Politisches Handeln
bedeutet, nicht nur Ziele zu setzen, sondern auch deren Erreichung zu
ermöglichen», sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller der
Deutschen Presse-Agentur. Die Rahmenbedingungen in vielen Bereichen
seien unzureichend, Ziele sollten grundsätzlich flexibler gestaltet
werden.

Angesichts globaler Herausforderungen und der momentan schleppenden
Nachfrage nach E-Autos gebe es weiteren Handlungs- und
Gesprächsbedarf. Als Beispiele nannte Müller unter anderem den Ausbau
der Ladeinfrastruktur, die Strompreise, die Halbleiterversorgung und
die Batterieproduktion. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des
Standortes dürfe nicht weiter vernachlässigt werden.

Warum Strafen drohen

Hintergrund der drohenden Strafen für die ohnehin angeschlagene
Industrie sind Flottengrenzwerte, die einen Durchschnittswert an
CO2-Ausstoß pro Auto erlauben. Mit Beginn des Jahres haben sich diese
gesetzlichen Vorgaben verschärft. 2024 lag der Grenzwert bei 115,1
Gramm CO2 pro Kilometer, pro Fahrzeug - gemessen anhand des
sogenannten WLTP-Testverfahrens. Für dieses Jahr liegt er bei 93,6
Gramm und soll 2030 auf 49,5 Gramm sinken. 

Im Schnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge darf
dieser Grenzwert nicht überschritten werden. Für zu viel
ausgestoßenes CO2 müssen die Hersteller Strafe zahlen. Weil sich
unter anderem der Absatz für E-Autos nicht so gut entwickelt hat wie
früher prognostiziert wurde, könnten Autobauer die Grenzwerte
deutlich überschreiten. 

Autoindustrie unter Druck 

Die vor allem für die deutsche Wirtschaft entscheidende Branche steht
unter Druck. Zunehmend machen den Herstellern Firmen aus China und
den USA Konkurrenz. Dort haben Unternehmen die Umstellung auf die
E-Mobilität schneller geschafft. 

Hinzu kommt, dass die Autohersteller derzeit stark vom
Handelskonflikt mit den USA betroffen sind. Die von US-Präsident
Donald Trump ausgesprochenen Zölle auf Autos und Automobilteile von
25 Prozent waren Anfang April in Kraft getreten. 

Die Vereinigten Staaten sind für die deutsche Automobilbranche einer
der wichtigsten Handelspartner: Laut Zahlen des Statistischen
Bundesamts nahmen die USA mit 13,1 Prozent der Exporte so viele Pkw
ab wie kein anderes Land. Fast jeder dritte Porsche und jeder sechste
BMW wurde 2024 in Nordamerika verkauft, bei VW, Audi und
Mercedes-Benz lag der Anteil jeweils bei 12 bis 15 Prozent.

Aber auch auf dem deutschen Markt ist die Lage angespannt. Insgesamt
wurden im vergangenen Jahr laut Kraftfahrt-Bundesamt rund 2,8
Millionen Autos in Deutschland neu zugelassen. Das war etwa ein
Prozent weniger als im Jahr davor und rund ein Viertel weniger als
2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie. 

Verkehr ist Sorgenkind beim Klimaschutz

Im Verkehrssektor gibt es bislang deutlich weniger Fortschritt beim
Klimaschutz im Vergleich zu anderen Bereichen. Zwar sanken die
Emissionen im Verkehr in Deutschland nach Angaben der Denkfabrik
Agora Energiewende um zwei Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr.
Das sei aber etwa auf geringeren Lkw-Verkehr wegen der
Wirtschaftsflaute zurückzuführen. 

«Der CO2-Flottengrenzwert ist das wichtigste Instrument des
Klimaschutzes im Verkehrsbereich und erweist sich als effektiv»,
teilte Felix Creutzig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
mit. Dies zeige sich vor allem darin, dass Autohersteller
Elektroautos vermehrt und verbilligt anböten, um Werte zu erreichen.
Eine Flexibilisierung bedeute, dass mehr CO2 ausgestoßen werde.
Creutzig war Mitglied im Expertenbeirat Klimaschutz von
Ex-Verkehrsminister Volker Wissing und ist Mitglied des
Nachhaltigkeitbeirats von Mercedes.

Europaabgeordnete von CDU/CSU, SPD und FDP begrüßen die Lockerung.
Sie sehen darin eine notwendige Unterstützung der Industrie.
Vehemente Kritik kommt von Grünen und Greenpeace: «Eine schlechtere
Ansage kann das EU-Parlament der strauchelnden europäischen
Autobranche nicht machen», kritisierte Lena Donat, Verkehrsexpertin
von Greenpeace. Der Beschluss werde den Rückstand der europäischen
Autohersteller auf dem E-Automarkt weiter vergrößern.