EU-Parlament macht Weg für mehr Wolf-Abschüsse frei Von Magdalena Henkel, dpa
08.05.2025 14:11
Immer wieder reißen Wölfe Nutztiere wie Schafe oder Ziegen. Der
Schutz des Wolfs ist daher ein heiß diskutiertes Thema. Das
Europäische Parlament geht nun einen maßgeblichen Schritt.
Straßburg (dpa) - Wölfe sollen in der EU künftig leichter
abgeschossen werden können. Eine Mehrheit der Abgeordneten des
Europäischen Parlaments stimmte in Straßburg im Eilverfahren dafür,
den Status von «streng geschützt» auf «geschützt» abzusenken. D
ie
Maßnahme muss noch von den EU-Mitgliedsstaaten angenommen werden, das
gilt aber als wahrscheinlich. Sie hatten sich bereits mehrheitlich
für eine Absenkung ausgesprochen. Viele Länder wollen Wölfe vermehrt
abschießen, um ihre Weidetiere zu schützen.
Hintergrund der Änderung ist ein Vorschlag der EU-Kommission, der auf
frühere Forderungen des Parlaments zurückgeht. Konkret soll die
sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) in Bezug auf den Wolf
geändert werden. So hätten die Mitgliedsstaaten mehr Spielraum im
Umgang mit ihren Wolfspopulationen - unter der Bedingung, einen
«günstigen Erhaltungszustand» als übergeordnetes Ziel zu wahren.
Agrarminister begrüßt Vorschlag
Der neue Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) begrüßt den
Beschluss. Man werde für klare und praktikable Regeln sorgen, den
Herdenschutz voranbringen und den Ländern einen rechtssicheren
Abschuss ermöglichen. «Nur wenn die Weidetierhalterinnen und
Weidetierhalter darauf vertrauen können, dass ihre Tiere geschützt
sind, kann die Weidehaltung erhalten bleiben.»
Durch den Beschluss auf EU-Ebene kann Deutschland das nationale Recht
ändern, damit der reduzierte Schutzstatus des Wolfs wirksam wird, wie
aus Angaben einer Sprecherin des Bundesumweltministeriums hervorgeht.
Es gebe keinen «Automatismus», wonach eine Änderung der
FFH-Richtlinie sich direkt auf deutsches Recht auswirke. Dazu seien
Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz und gegebenenfalls im
Bundesjagdgesetz notwendig.
Koalition will Erleichterung direkt umsetzen
Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist festgehalten, dass
die Entscheidung auf EU-Ebene unverzüglich in deutsches Recht
übernommen werden soll. Man sorge für eine «rechtssichere Entnahme»
von Wölfen und nehme diesen umgehend ins Jagdrecht auf.
«Auch künftig bleibt der Wolf eine geschützte Tierart. Der Wolf wird
nicht pauschal zum Abschuss freigegeben», so die Sprecherin weiter.
In Zukunft könnten problematische Wölfe aber einfacher abgeschossen
werden. «Es ist in unserem Sinne, dass Regionen, in denen es vermehrt
zu Problemen kommt, eine leichtere Handhabe im Umgang mit dem Wolf
bekommen.» Auch der Bundesrat hatte zuletzt zu einem leichteren
Abschuss gedrängt.
Der Europaabgeordnete Andreas Glück (FDP), bezeichnet die
Entscheidung als notwendige Maßnahme. Besonders in ländlichen
Regionen führe die «unkontrollierte Ausbreitung» des Wolfs zu
verunsicherten Landwirten, bedrohter Weidewirtschaft und immer öfter
zu direkten Begegnungen mit Menschen.
Kritik von Grünen und Tierschützern
Kritik zu dem Beschluss kommt unter anderem von den Grünen. Sie
bemängeln, es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für die
Entscheidung. Nutztiere wie Schafe könnten auch ohne mehr Abschüsse
besser geschützt werden. Die umweltpolitische Sprecherin der
Europafraktion der Grünen, Jutta Paulus, spricht von einer «Operation
am offenen Herzen des EU-Naturschutzes». «Wo heute der Wolf ins
Visier genommen wird, wankt morgen der Schutz von Otter, Biber,
Luchs, Kegelrobbe und Bär.»
Der Europaabgeordnete Sebastian Everding von der deutschen
Tierschutzpartei empfindet das gesamte Vorgehen als «skandalös». «W
ir
befinden uns im rasantesten Artensterben der Erdgeschichte und die EU
hat auf ein von Menschen zu verantwortendes Problem - Weidehaltung
ohne ausreichenden Herdenschutz - nur das Töten einer streng
geschützten Art als Antwort.»
Der umweltpolitische Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament,
Peter Liese, betont außerdem: «Die Menschen haben Angst vor dem
Wolf.» Zwar habe es bislang glücklicherweise keine tödlichen Angriffe
auf Menschen gegeben, bei Haustieren sehe das jedoch anders aus.
Landwirte klagen über zunehmende Risse
Die Diskussion über den Wolf wird emotional geführt. Risse von
Nutztieren wie Schafen und Rindern häufen sich und sind nach Angaben
von Landwirten für die Weidetierhaltung ein spürbares Problem.
Herdenschutzmaßnahmen zur Abwehr von Wölfen werden demnach zunehmend
überwunden. Es gibt Berichte, nach denen Wölfe teils sogar bis in
Ställe vordringen sollen.
Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf
(DBBW) erfasst bis zum Jahr 2023 einen in die Höhe schießenden
Anstieg an getöteten und verletzten Nutztieren durch den Wolf über
die vergangenen zehn Jahre. 2023 kamen nachweislich 5.727 Tiere zu
Schaden, der Großteil davon Schafe.
Wolf war ausgerottet
Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF wurde der Wolf in
Westeuropa und damit auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts
ausgerottet. Er überlebte demnach nur im Osten und Süden Europas. Die
sächsische Fachstelle Wolf schreibt, dass in den 1970er und 1980er
Jahren ein Umdenken erfolgte und der Wolf in vielen europäischen
Ländern unter Schutz gestellt wurde.
Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2023/2024 rund
1.600 Wölfe in Deutschland nachgewiesen - Tendenz steigend. Der
deutsche Bauernverband geht von 1.800 bis 3.300 Tieren aus. Das
Europäische Umweltbüro (EEB) - ein Dachverband von
Umweltorganisationen - schätzt, dass es in Europa mehr als 20.000
Tiere gibt.