Neue Gegenzoll-Pläne: EU wappnet sich für Eskalation mit USA Von Katharina Redanz und Ansgar Haase, dpa

08.05.2025 14:02

Die EU bereitet sich auf ein mögliches Scheitern von
Handelsgesprächen mit den USA vor. Können Pläne für Gegenzölle ei
ne
wirksame Drohkulisse aufbauen?

Brüssel (dpa) - Im Handelskonflikt mit den USA bereitet die
Europäische Kommission weitere Sonderzölle auf US-Exporte im Wert von
bis zu 95 Milliarden Euro vor. Diese Zusatzabgaben könnten auf
Industrie- und Agrarprodukte wie Autos, Süßkartoffeln und Whiskey
erhoben werden, sollten Verhandlungen mit Washington nicht zu einer
Lösung führen, wie aus einer Mitteilung der Brüsseler Behörde
hervorgeht.

Als Frist dafür gilt derzeit der Monat Juli. In ihm läuft eine
90-Tage-Frist ab, die US-Präsident Donald Trump für Angebote der EU
gesetzt hat. Wenn diese ihm nicht ausreichen, will er umfangreiche
neue Sonderzölle auf Einfuhren aus der EU erheben lassen. Sie würden
zu bereits geltenden Sonderzöllen von ihm hinzukommen.

EU sieht US-Zölle als nicht gerechtfertigt

Der US-Präsident will mit den Zöllen angebliche
Handelsungleichgewichte korrigieren und Produktion in die USA
verlagern. Zugleich sollen die Zolleinnahmen dazu dienen, sein teures
Wahlversprechen großer Steuersenkungen zumindest teilweise
gegenzufinanzieren. 

Die EU sieht die Zölle hingegen als nicht gerechtfertigt und
unvereinbar mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) an. Sie
will deswegen zurückschlagen, sollte es keine einvernehmliche
Einigung geben.

«Die EU ist nach wie vor fest entschlossen, mit den USA zu
Verhandlungsergebnissen zu kommen. Wir sind davon überzeugt, dass es
gute Vereinbarungen zum Nutzen der Verbraucher und Unternehmen auf
beiden Seiten des Atlantiks geben kann», erklärte
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu den Planungen für
Gegenmaßnahmen. Gleichzeitige bereite man sich weiter auf alle
Möglichkeiten vor.

Liste soll noch diskutiert werden

Betroffen sein könnten von zusätzlichen Zöllen auch Maschinen, Auto-

und Flugzeugteile, Chemikalien sowie neben Whiskey auch Rum und Wein
aus den USA. Die mehr als 200 Seiten lange Liste mit Produkten, die
aus Sicht der Kommission mit Zöllen belegt werden könnten, soll nun
öffentlich und von der Wirtschaft diskutiert werden.

Hoffnung ist gleichzeitig, dass die Liste auch in den USA analysiert
wird und exportorientierte Unternehmen die Regierung in Washington
drängen, eine Einigung mit der EU zu erzielen.

Parallel zu der Vorbereitung neuer möglicher Gegenzölle will die
EU-Kommission die USA wegen der Zölle bei der WTO verklagen, wie die
Behörde weiter mitteilte. Dort richtet der
Streitschlichtungsausschuss dann ein Expertengremium ein, das
begutachtet, ob die Zölle gegen WTO-Regeln verstoßen.

Neben den Zusatzabgaben zieht die Kommission für diesen Fall außerdem
EU-Ausfuhrbeschränkungen für bestimmte Produkte im Wert von 4,4
Milliarden Euro in Erwägung. Dazu gehören etwa Stahlschrott und
chemische Erzeugnisse, die von US-Unternehmen bislang gerne
importiert werden.

Bereits seit längerem geplant und nicht mehr umstritten ist für den
Fall eines Scheiterns von Verhandlungen die Wiedereinführung von
schon früher vereinbarten EU-Sonderzöllen auf US-Produkte wie Jeans,
Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter.

EU-Handelskommissar warnt vor möglichen weiteren US-Zöllen

Zuletzt hatte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic vor möglichen
weiteren US-Zöllen auf europäische Waren gewarnt. Washington führe
derzeit mehrere Untersuchungen und begründe diese mit der nationalen
Sicherheit, sagte der Spitzenpolitiker am Dienstag bei einer Rede im
Europaparlament in Straßburg. Sollten alle diese Untersuchungen zu
Zöllen führen, wären zusätzlich Exporte im Wert von 170 Milliarden

Euro betroffen. 

Dies bedeute, dass insgesamt rund 549 Milliarden Euro an EU-Ausfuhren
in die USA mit Zöllen belegt würden und damit 97 Prozent der Exporte,
sagte Sefcovic. Das wäre «ein gewaltiges Ausmaß». Konkret geht es b
ei
den US-Untersuchungen laut EU-Kommission etwa um Halbleiter,
Arzneimittel und Rohstoffe.

Um den Handelsstreit zu entschärfen, hat die EU den USA bereits eine
Vereinbarung zur gegenseitigen Aufhebung aller Zölle auf
Industriegüter angeboten. Die Trump-Regierung ist darauf bislang aber
nicht eingegangen.

Neben Zolldeals gelten neue Abkommen als Option. Nach Einschätzung
der EU-Kommission könnten die EU und Trump etwa einen neuen Deal zum
Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) schließen. Zudem
wäre es möglich, mehr Militärtechnik und Agrargüter zu importieren,

um das US-Handelsdefizit mit der EU abzubauen.