Merz in Brüssel: Grenzkontrollen kein deutscher Alleingang
09.05.2025 18:03
Deutschland verschärft seine Grenzkontrollen - und wird dafür von den
EU-Nachbarländern kritisiert. Eine Sache macht der neue deutsche
Bundeskanzler bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel deutlich.
Brüssel (dpa) - Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich
bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel für die verstärkten Kontrollen
und Zurückweisungen an deutschen Grenzen verteidigt. Die
Zurückweisungen stünden im Einklang mit europäischem Recht, sagte er
bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident António
Costa. «Darüber sind auch unsere europäischen Nachbarn vollumfäng
lich
informiert. Es gibt hier keinen deutschen Alleingang.» Erste
Nachbarländer Deutschlands hatten zuvor Kritik am Vorgehen Berlins
geäußert.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte bei einer
gemeinsamen Pressekonferenz: «Die Mitgliedstaaten können
Grenzkontrollen an ihren Binnengrenzen einführen.» Das müsse
allerdings im Rahmen der geltenden EU-Vorschriften erfolgen und
zeitlich begrenzt sein. Außerdem müssten die Kontrollen in enger
Abstimmung mit der Kommission und den Nachbarstaaten erfolgen.
Die neue Bundesregierung will mit zusätzlichen Grenzkontrollen und
Zurückweisungen von Asylbewerbern gegen unerwünschte Migration
vorgehen. Nach einer Anweisung des neuen Bundesinnenministers
Alexander Dobrindt (CSU) zu schärferen Regeln an den deutschen
Grenzen Mitte der Woche laufen verstärkte Kontrollen.
Merz pocht auf Dublin-Verordnung
Merz verweist auf die sogenannte Dublin-Verordnung, die aktuell das
Aufenthaltsrecht in der EU regelt. Nach dieser müssten Migranten im
Land des Erstzutritts Asyl beantragen, sagte Merz. «Insofern ist die
Beantragung eines Asylverfahrens, unabhängig davon, ob es nach
europäischem oder nach deutschem Asylrecht geht, an einer deutschen,
europäischen Binnengrenze in der Regel nicht möglich.» Deutschland
habe - mit Ausnahme der Schweiz - keine EU-Außengrenze. Die Schweiz
ist Mitglied des Schengen-Raums, in dem Passkontrollen ausgesetzt
sind.
Gleichzeitig macht der Kanzler deutlich, dass sich die deutschen
Maßnahmen keinesfalls negativ auf den europäischen Binnenmarkt
auswirken sollen. «Ich möchte das auch allen Staats- und
Regierungschefs in der Europäischen Union sagen, die in diesen Tagen
vielleicht die Sorge haben, dass es hier zu Einschränkungen kommt.
Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass es zu
Einschränkungen im Grenzverkehr kommt», sagte der CDU-Politiker.
Mit EU-Recht vereinbar?
Aus Sicht von Kritikern sind Zurückweisungen vermutlich nicht mit
EU-Recht vereinbar und zudem eine Gefahr für den eigentlich
grenzkontrollfreien EU-Binnenmarkt. Nach den EU-Bestimmungen der
Dublin-Verordnung darf die Bundespolizei Asylbewerber etwa nicht
einfach an der Grenze zurückweisen. Vielmehr müssen die deutschen
Behörden ein kompliziertes und in der Praxis oft schlecht
funktionierendes Verfahren in Gang setzen, um sie an den zuständigen
EU-Staat zu überstellen - also dorthin, wo sie in die EU eingereist
sind.
Es gibt allerdings eine Art Notlagenklausel. Danach sind den
Nationalstaaten Zurückweisungen an den Grenzen ausnahmsweise
gestattet, wenn dies für «die Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit» erforderlich ist.
Doch gab es auch Zustimmung zum geplanten Kurswechsel in der
deutschen Asylpolitik. Österreich etwa begrüßte die Bestrebungen
Deutschlands im Kampf gegen die Schleppermafia und illegale
Migration. Gleichzeitig pochte das Innenministerium in Wien auf die
Einhaltung geltenden EU-Rechts.
Merz trifft drei EU-Spitzenvertreter
Merz reiste nach Besuchen in Paris und Warschau nach Brüssel, um dort
mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident
António Costa und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die drei
Spitzenvertreter der EU treffen. Auch ein Treffen mit
Nato-Generalsekretär Mark Rutte steht auf dem Programm. Bei der
Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD hatte
der CDU-Chef angekündigt, mit seiner Regierung dafür zu sorgen, dass
Deutschlands «Stimme in Europa und in der Welt» wieder gehört werde.