Uneinigkeit bei EU-Gesetz: SPD und Merz widersprechen sich
12.05.2025 18:06
Kanzler Merz bekommt Gegenwind für eine Forderung, die er in Brüssel
gestellt hat. Auch vom eigenen Vizekanzler.
Brüssel (dpa) - Wenige Tage nach der ersten Brüsselreise von
Friedrich Merz in seiner neuen Funktion tritt Uneinigkeit zwischen
dem Bundeskanzler und seinem Vize Lars Klingbeil zutage. Der
SPD-Politiker widersprach Merz mit Blick auf das europäische
Lieferkettengesetz. Natürlich müsse die neue Bundesregierung
Bürokratie abbauen, so Klingbeil. «Aber insgesamt waren wir uns
einig, das Lieferkettengesetz ist wichtig», betonte der SPD-Chef und
Finanzminister.
Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel hatte Merz am Freitag in zwei
Pressekonferenzen gefordert, die europäische Lieferkettenrichtlinie
abzuschaffen. «Wir werden in Deutschland das nationale Gesetz
aufheben. Ich erwarte auch von der Europäischen Union, dass sie
diesen Schritt nachvollzieht und diese Richtlinie wirklich aufhebt»,
sagte der CDU-Politiker bei einer Pressekonferenz mit
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Dabei stellte sich am Montag auch die EU-Kommission gegen die
Forderung von Merz. Die Position der Kommission zur
Lieferkettenrichtlinie sei öffentlich bekannt, es gehe um
Vereinfachung, sagte eine Sprecherin der Behörde in Brüssel. «Es geht
nicht darum, sie abzuschaffen.»
Grüner sieht Koalition entzaubert
Es habe nur wenige Tage gedauert, bis sich Kanzler und Vizekanzler in
Brüssel auf offener Bühne widersprechen würden, sagte der
stellvertretende Parteivorsitzende und Europa-Sprecher der Grünen,
Sven Giegold. Das sei «entzaubernd», so der Politiker. Merz hatte
mehr Einigkeit in der Europapolitik der Bundesregierung versprochen.
Gegenwind nicht nur vom Vizekanzler
Widerworte bekommt Merz auch von Europaabgeordneten seines
Koalitionspartners. «Eine Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes
liegt nicht auf dem Tisch», sagte der Delegationsvorsitzende der
SPD-Europaabgeordneten, René Repasi. Dies habe auch weder im
Europaparlament noch unter den EU-Staaten eine Mehrheit. Man stehe
Änderungen offen gegenüber, die Entlastungen für Unternehmen
bedeuteten.
Das Ziel, Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen und
Umweltzerstörung einzudämmen, bleibe aber bestehen. Die Umsetzung des
EU-Lieferkettengesetzes sei im deutschen Koalitionsvertrag
beschrieben, betonte Repasi. Sein Parteifreund und SPD-Fraktionsvize
für Wirtschaft im Bundestag, Armand Zorn, sagte: «Die Abschaffung der
EU-Lieferkettenrichtlinie wäre aus meiner Sicht der falsche Weg.»
Das Europaparlament hatte Anfang April eine Verschiebung des
europäischen Lieferkettengesetzes ermöglicht, um den Unternehmen mehr
Zeit zu geben. Erste Regeln sollen nun voraussichtlich erst 2028
gelten.