Aufregung vor Merz-Besuch: Italien diplomatisch verärgert
16.05.2025 16:26
Laut einem Bericht ist Italien als wichtiger Partner aus dem
Koalitionsvertrag gestrichen worden. Ein Sprecher dementiert - die
Aufregung in Rom aber ist groß. Und das vor dem Besuch von Kanzler
Merz.
Rom/Berlin (dpa) - Kurz vor dem Besuch von Kanzler Friedrich Merz
(CDU) sorgt ein Medienbericht über eine angebliche diplomatische
Degradierung Italiens durch die Bundesregierung für Aufsehen in Rom.
Die «Welt» berichtete, dass in einem frühen Entwurf des
Koalitionsvertrags von Union und SPD Italien noch als wichtiger
Partner und Mitglied einer erweiterten europäischen Achse mit
Deutschland, Frankreich und Polen stand. Im finalen Vertrag aber
werde Rom in dem Kontext nicht mehr erwähnt. Nach Informationen der
Zeitung soll auf Drängen der SPD auf die explizite Nennung Italiens
verzichtet worden sein.
Vor dem Empfang von Merz am Samstag bei Ministerpräsidentin Giorgia
Meloni von der rechten Partei Fratelli d'Italia waren einige
hochrangige Politiker in Rom empört über die Nachricht. «Das ist eine
antieuropäische Entscheidung der deutschen Sozialdemokraten», sagte
Außenminister Antonio Tajani von der konservativen Forza Italia, dem
kleinen Partner in Melonis Dreier-Koalition. «Wenn sie versuchen,
Europa zu spalten, das in diesem Moment eigentlich geeint werden
müsste, dann machen sie einen sehr schweren Fehler.»
Regierungssprecher dementiert Bericht
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes dementierte indes den Bericht und
erklärte, dass Italien regelmäßig als Mitglied bei Treffen im
sogenannten Weimar-Plus-Format willkommen war und auch weiterhin sei.
Zuletzt etwa sei Italien bei zahlreichen Zusammenkünften dabei
gewesen. Die Gruppe ist eine Erweiterung des sogenannten Weimarer
Dreiecks, einem diplomatischen Forum mit Vertretern aus Deutschland,
Frankreich und Polen.
Zur Genese des Koalitionsvertrags könne der Sprecher nichts sagen.
Der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer ergänzte,
Italien habe für die Bundesregierung eine hohe Priorität und man sei
mit Rom in unterschiedlichsten Formaten im «ganz engen Austausch».
Ein SPD-Sprecher teilte auf Anfrage mit, dass Italien «ein wichtiger
Partner» sei und das Thema in der Gruppe der Hauptverhandelnden keine
Rolle gespielt habe.
SPD-Verhandlerin Barley erklärt Verhältnis zu Italien
Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley, eine der Verhandlerinnen
in der Koalitions-Arbeitsgruppe Europa, sagte der «Welt», die
explizite Erwähnung des Weimarer Dreiecks ergebe sich aus der
besonderen historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber den zwei
Nachbarländern. Die Beziehung zu Italien sei damit «nicht
vergleichbar».
Italiens Europaminister Tommaso Foti von Melonis Partei Fratelli
d'Italia sprach von einem «besorgniserregenden» Zeitungsbericht und
einem «sehr ernsten Vorfall». Er fürchte einen «Schaden, der nicht
eine Regierung betrifft, sondern eine ganze Nation».
Die Zusammenarbeit der zwei EU-Gründungsstaaten wird am Samstag ein
Thema sein beim Treffen von Meloni mit Merz in Rom. Der CDU-Politiker
ist erstmals als Kanzler in Rom. Bereits am Freitag hatten sich die
zwei Regierungschefs bei einem europäischen Gipfel in der albanischen
Hauptstadt Tirana gesehen und miteinander geplaudert.
Meloni und Italien kämpfen um Einfluss in der Welt
Italien kämpft seit Jahren um mehr Einfluss in Europa. Unter Melonis
Vorgänger Mario Draghi schien das Land im europäischen Vergleich und
politischen Ansehen aufzuholen. Ein Zeichen dafür war etwa, dass
Draghi im Juni 2022 gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die von Russland angegriffene
Ukraine besuchte.
Mit der rechten Regierung von Meloni, die seit Ende 2022 im Amt ist,
fremdeln einige internationale Partner aber eher noch. Auffallend ist
aktuell, dass Italien in der europäischen Ukraine-Verhandlungsgruppe
nicht dabei ist, obwohl Meloni in Europa den besten Draht zu
US-Präsident Donald Trump hat.