EU-Kommission senkt Wirtschaftsprognose für Deutschland

19.05.2025 14:24

Auch Brüssel erwartet im laufenden Jahr kein Wachstum der deutschen
Wirtschaft. Die internationale Lage zieht die Prognosen nach unten -
kann das Milliarden-Finanzpaket die Wende bringen?

Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission hat ihre Erwartungen an die
deutsche Wirtschaft leicht abgesenkt. Laut ihrer in Brüssel
vorgelegten Frühjahrsprognose geht die Behörde für das laufende Jahr

von einem unveränderten deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Bei
ihrer vorherigen Schätzung im November hatte sie noch ein leichtes
Wachstum von 0,7 Prozent vorhergesagt. Erst 2026 soll das
Bruttoinlandsprodukt in Deutschland laut der Behörde wieder um 1,1
Prozent wachsen.

In der gesamten EU erwartet die Kommission ein Wachstum von 1,1
Prozent für das laufende Jahr. Im Euroraum geht sie von einem Anstieg
des Bruttoinlandsprodukts um 0,9 Prozent aus. Beide Prognosen senkte
die Behörde damit im Vergleich zu ihrer November-Prognose leicht um
0,4 Prozentpunkte.

«Die Wirtschaft in der EU bleibt stabil, obwohl wir herausfordernden
Umständen ausgesetzt sind», sagte EU-Wirtschaftskommissar Valdis
Dombrovskis in Brüssel. Die geringeren Erwartungen seien auch auf die
«unvorhersehbaren und scheinbar willkürlichen» Zölle der US-Regieru
ng
zurückzuführen, die für Unsicherheit und Zurückhaltung in der
globalen Wirtschaft gesorgt hätten.

Schlechter Außenhandel verdirbt positive Entwicklungen

Der Bundesrepublik droht damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte ein
drittes Jahr ohne Wachstum in Folge. Die EU-Kommission kommt dabei
zum gleichen Schluss wie die Bundesregierung und der Internationalen
Währungsfonds (IWF), die 2025 beide mit einer Stagnation der
deutschen Wirtschaftsleistung rechnen.

Ihre Schätzung für Deutschland begründete die EU-Kommission mit
Zöllen sowie einer zunehmenden globalen Unsicherheit. In besonders
vom Außenhandel abhängigen Branchen führe das weiterhin zu einem
«strukturellen Rückgang» und dem Verlust von Marktanteilen. Dazu
seien Exporte nach China weiterhin stark rückläufig. Der Handel mit
den USA habe das bislang teilweise ausgleichen können, was aufgrund
der hohen Zölle nun jedoch nicht mehr möglich sei.

Dabei seien in Deutschland auch positive Entwicklungen zu erkennen,
erklärt die Behörde. Dank der sinkenden Inflation würden private
Haushalte wieder mehr Geld ausgeben. Unternehmen seien zunehmend zu
Investitionen bereit, dazu würden sich auch beim Wohnungsbau
Verbesserungen abzeichnen. Diesen Faktoren stehe jedoch das schlechte
Exportgeschäft entgegen, weshalb für 2025 eine Nullnummer zu Buche
stehe.

Milliarden-Finanzpaket könnte für Wachstum sorgen

Für vorsichtigen Optimismus sorgt auch das im Februar vom Bundestag
beschlossene Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und
Infrastruktur. Dieses habe sichtbar zu einer «Kehrtwende» bei der
Zuversicht innerhalb der deutschen Wirtschaft beigetragen, teilt die
EU-Kommission mit. Da die neue Bundesregierung ihre Pläne bislang
nicht im Detail ausgeführt habe, seien diese nur über die
Stimmungsfaktoren in die Prognose eingeflossen.

Langfristig gesehen könnten die zusätzlichen Ausgaben die Konjunktur
in Deutschland aber deutlich antreiben. Bis einschließlich 2029
könnte das Bruttoinlandsprodukt allein wegen des Finanzpakets um 1,25
Prozent stärker zulegen als in der bisherigen Prognose, heißt es in
einer getrennten Modellrechnung der EU-Kommission. Bis Ende 2035 sei
dadurch sogar ein zusätzliches Wachstum von insgesamt 2,5 Prozent
möglich. Voraussetzung dafür sei, dass es sich bei den
Infrastrukturausgaben vollständig um neue Schulden handle, die
ausschließlich «produktive Projekte» finanzieren würden, erklärte
die
Behörde.

Wirtschaft entwickelt sich nur in einem Land schlechter

Im Ländervergleich liegt Deutschland am Ende der Tabelle. Eine
schwächere Entwicklung erwartet die EU-Kommission nur in Österreich,
wo die Wirtschaft im laufenden Jahr sogar um 0,3 Prozent schrumpfen
soll. Der stärkste Zuwachs wird in Malta vorhergesagt (plus 4,1
Prozent), darauf folgen Dänemark (plus 3,6 Prozent) und Irland (plus
3,4 Prozent).

Unter den größeren Volkswirtschaften der EU sind die Prognosen
wechselhaft: Nur moderat steigt das Bruttoinlandsprodukt in
Frankreich (plus 0,6 Prozent) und Italien (plus 0,7 Prozent), stärker
schneidet dagegen Spanien (plus 2,6 Prozent) ab.