Fünf Jahre nach Brexit: Neuer Deal zwischen EU und London Von Christoph Meyer, Marek Majewsky, Jan Mies und Ansgar Haase, dpa

19.05.2025 15:33

Die Beziehung zwischen London und Brüssel taut nach den Jahren der
Brexit-Querelen wieder auf. Ein Deal soll den Weg ebnen. Doch in
vielen Bereichen bleibt die Vereinbarung vage.

Brüssel /London (dpa) - Fünf Jahre nach dem Brexit nähern sich
Großbritannien und die EU wieder an. Bei dem ersten Gipfeltreffen
seit dem Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union
vereinbarten beide Seiten eine engere Zusammenarbeit bei Themen wie
Verteidigung und Sicherheit, Lebensmittelstandards, Fischerei und
Energie sowie irreguläre Migration. Zudem soll das Reisen und Leben
im Ausland für Menschen auf beiden Seiten des Ärmelkanals einfacher
werden.

Beide Seiten hätten sich auf einen «historischen» Deal geeinigt,
sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei einer
Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident António Costa und
Großbritanniens Premier Keir Starmer in London. In vielen Bereichen
bleibt das Abkommen aber noch vage und dürfte nur Ausgangspunkt für
weitere Gespräche sein.

«Beginn einer neuen Ära»

Der Gipfel in London war das erste Treffen dieser Art seit dem Brexit
im Jahr 2020 und soll in diesem Format künftig einmal jährlich
stattfinden. Starmer sprach vom «Beginn einer neuen Ära in unseren
Beziehungen». Großbritannien erhalte dadurch besseren Zugang zum
EU-Markt als alle anderen Länder außerhalb des Staatenverbunds, so
der Labour-Politiker. 

Im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine und die Zollpolitik von
US-Präsident Donald Trump demonstrierten beide Seiten Einigkeit mit
Bekenntnissen zur Unterstützung Kiews und zum freien Handel.

Geopolitische Lage sorgt für Zusammenrücken

Großbritannien war Anfang 2020 aus der EU ausgetreten und ist seit
2021 auch nicht mehr Mitglied der EU-Zollunion und des Binnenmarkts.
In einem Referendum hatte sich eine sehr knappe Mehrheit der Briten
für den Austritt ausgesprochen und beendete so 47 Jahre
EU-Mitgliedschaft. 

Zwar befürwortet laut Umfragen inzwischen eine Mehrheit der Briten
eine Rückkehr in die EU, doch das ist weder in London noch in Brüssel
ein Thema. Costa betonte: «Dies ist keine Kehrtwende, sondern ein
neues Kapitel.» 

Auch eine Rückkehr in EU-Binnenmarkt und Zollunion ist weiterhin
tabu, wie Starmer klarstellte. In Sachen Lebensmittelhygiene will
sich London aber wieder an EU-Standards orientieren, was den Handel
vereinfachen und Preise in britischen Supermärkten drücken soll.

Fisch ist ein Politikum

Beide Seiten wollen sich zudem für einen Zeitraum von zwölf Jahren
vollen gegenseitigen Zugang zu Fischereigründen gewähren - ein Punkt,
der in Großbritannien ein Politikum ist. Die Kontrolle über die
eigenen Gewässer wiederzuerlangen, war eines der wichtigsten
Argumente der Brexit-Befürworter.

Die konservative Oppositionschefin Kemi Badenoch sprach von einem
«Ausverkauf». Rechtspopulist und Brexit-Vorkämpfer Farage warnte gar

vom «Ende der Fischindustrie» in Großbritannien.

Rückschlag für Berlin

Vorerst keine konkrete Einigung gibt es bei einem Vorschlag der
EU-Kommission für ein sogenanntes Youth Mobility Scheme. Vom Tisch
ist das Thema aber nicht. Die beiden Seiten einigten sich darauf,
weiter daran zu arbeiten. Vor allem Berlin hatte darauf gepocht, dass
junge Menschen aus der EU wieder einfacher für begrenzte Zeit im
Vereinigten Königreich leben und arbeiten können. 

Aus Londoner Sicht ist aber auch dieses Thema heikel, weil es Wasser
auf die Mühlen Farages sein könnte, dessen Partei Reform UK in
Umfragen derzeit vor den Volksparteien Labour und den Konservativen
liegt. Dennoch zeigte sich beide Seiten zuversichtlich, dass es zu
einer Einigung kommen könnte. «Wir sind nicht weit entfernt», sagte
Costa. Starmer deutete an, dass ein solches Programm zeitlich und im
Umfang deutlich limitiert sein dürfte.

Für britische Reisende soll die Einreise in EU-Länder einfacher
werden. Statt bei der Passkontrolle in der Schlange mit Reisenden aus
aller Welt zu warten, sollen sie künftig auch durch E-Gates gehen
können.

Zugang zu EU-Verteidigungsmilliarden

Für Großbritannien ist zentral, dass britische Unternehmen sich an
von der EU unterstützen Beschaffungsprojekten für Rüstungsgüter
beteiligen können. Dabei geht es unter anderem um ein
Finanzinstrument mit dem Namen Safe, über das Darlehen in Höhe von
insgesamt 150 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden sollen -
zum Beispiel für Luftverteidigungssysteme und Artillerie.

Zwar ist das Vorhaben auf EU-Ebene noch nicht komplett in trockenen
Tüchern, die Verhandlungen dazu sind nach Angaben aus
Diplomatenkreisen aber nahezu abgeschlossen. Mit der nun
beschlossenen Sicherheitspartnerschaft wird für Großbritannien nun
die Grundlage geschaffen, dass britische Unternehmen beteiligt werden
können.

Ebenfalls eine engere Zusammenarbeit vereinbarten beide Seiten beim
Schutz kritischer Infrastruktur. Jüngst kam es etwa immer wieder zu
Schäden an Unterseekabeln. Darüber hinaus ist mehr Kooperation mit
Blick auf Sicherheit im Weltall geplant und es sollen künftig mehr
Daten über irreguläre Migration ausgetauscht werden.