Wetter extrem: Wie gut sind Langzeitprognosen wirklich? Von Serhat Koçak, dpa

20.05.2025 06:30

Kommt ein warmer Sommer? Vielleicht. Wird er extrem trocken?
Wahrscheinlich. Ist das sicher? Nein. Wetterprognosen wirken oft
beeindruckend - und können sich doch ganz anders entpuppen.

Berlin (dpa) - Erste Prognosen für den Sommer 2025 weisen auf extreme
Wetterlagen hin - und schüren gleichzeitig Sorgen vor Dürre und
Hitzewellen. Doch wie verlässlich sind solche langfristigen
Vorhersagen überhaupt? Ein Faktencheck.

Behauptung

Deutschland steht erneut ein heißer und trockener Sommer mit
Dürreperioden bevor.

Bewertung

Wahrscheinlich, aber nicht sicher.

Fakten

Langfristige Aussagen über das Wetter im kommenden Sommer lassen sich
nur eingeschränkt treffen. Zwar erstellen meteorologische Dienste wie
der Deutsche Wetterdienst (DWD) hierzulande sogenannte
Jahreszeitenvorhersagen, diese liefern jedoch keine konkreten
Wetterdaten für einzelne Tage oder Wochen.

Stattdessen beruhen sie auf Wahrscheinlichkeiten für klimatische
Tendenzen über einen Zeitraum von etwa drei Monaten. Es handelt sich
dabei also nicht um klassische Wetterprognosen, sondern um
langfristige Vorhersagen, die auf komplexen Klimamodellen basieren.

Dem DWD zufolge gibt es aktuell eine starke Tendenz für einen
wärmeren Sommer 2025 in Deutschland. «Auch in Zukunft ist mit einem
Anstieg der Häufigkeit von Hitzewellen und Trockenperioden im Sommer
zu rechnen», erklärt Andreas Paxian vom DWD gegenüber der Deutschen
Presse-Agentur. Diese erwartete Zunahme ist auf den Klimawandel
zurückzuführen.

Auch das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) in Hamburg geht
von einem wahrscheinlich heißen Sommer aus und bezieht sich auf
Ozean-Daten: Europäischen Hitzesommern gehe häufig ein Wärmestau im
Nordatlantik voraus, der sich jeweils etwa drei Jahre vor einem
Hitzeextrem aufbaue. Solche extrem warmen Sommer ließen sich also bis
zu drei Jahre im Voraus vorhersagen. Ursache des Wärmestaus sind
Anomalien des Wärmetransports im Ozean, die sich auch auf die
Atmosphäre auswirken.

Ferne Vorhersage bedeutet schlechte Prognosekraft

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Durchschnittstemperatur von Juni bis
August über dem langjährigen Mittel (1991-2020) liegt, beträgt laut
DWD nach aktuellen Modellrechnungen rund 81 Prozent. Damit wird ein
wärmerer Sommer als wahrscheinlich eingestuft - eine konkrete
Wetterprognose ist das aber nicht.

Saisonale Vorhersagen beschreiben klimatische Tendenzen über drei
Monate hinweg und unterscheiden sich deutlich von der täglichen
Wettervorhersage. Zwar lassen sich daraus Hinweise auf mögliche
Entwicklungen ableiten, doch die Aussagekraft bleibt begrenzt. Für
den Sommer 2025 bewertet der DWD die Prognosegüte lediglich als
«mittel» - sie ist also nicht wesentlich besser als eine statistische
Abschätzung auf Basis vergangener Jahre.

Für den Spätsommer liegt die Wahrscheinlichkeit für
überdurchschnittlich warme Bedingungen laut DWD zwar bei 83 Prozent,
allerdings bei «schlechter» Vorhersagequalität. Das bedeutet: Die
Prognosekraft ist hier so gering, dass empfohlen wird, alle drei
Temperaturkategorien - kälter, normal, wärmer - als gleich
wahrscheinlich anzunehmen.

KI soll Prognosen intelligenter machen - mit Risiken

Künstliche Intelligenz spielt in der Wettervorhersage eine zunehmend
wichtige Rolle - insbesondere in der Modellierung und
Datenverarbeitung. Der DWD entwickelt derzeit eigene KI-Modelle, die
noch in diesem Sommer erstmals in die Vorhersagen eingebunden werden
sollen. 

Ziel ist es, Prognosen schneller, präziser und nutzergerechter zu
gestalten. Vorteile liegen in der schnellen Verarbeitung großer
Datenmengen und der besseren Anpassung an verschiedene Nutzergruppen,
erklärt Jan Keller, zuständig für Datenassimilation und Verwendung
neuer und unkonventioneller Beobachtungen beim DWD. Es gibt nach
seinen Worten aber auch Risiken: KI-Systeme können physikalische
Zusammenhänge nur begrenzt abbilden und liefern möglicherweise
fehlerhafte Ergebnisse bei Extremwetterlagen.

Rekordverdächtig trockenes Frühjahr

Aktuelle DWD-Daten zeigen, dass seit Monaten im Vergleich zum
langjährigen Mittel sehr wenig Regen gefallen ist. Sollte der Mai
ebenfalls weitgehend trocken bleiben, könnte das Frühjahr 2025 das
trockenste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 werden.
Bisheriger Negativrekord war das Frühjahr 1893 mit nur 85,3
Millimeter Niederschlag, gefolgt von 2011 mit 89,5 Millimeter.

Im März und April fielen deutschlandweit rund 47,3 Millimeter Regen,
im bisherigen Mai etwa 13 Millimeter. Bliebe es in den restlichen
Maitagen trocken, läge die Gesamtsumme bei nur etwa 60 Millimetern.
Ob es tatsächlich zu einem neuen Negativrekord kommt, wird sich in
den kommenden Wochen zeigen.

Auch politisch rücken die Themen Trockenheit und Wassermanagement
stärker in den Fokus: Die EU-Kommission will noch vor dem Sommer eine
Wasserstrategie vorstellen, um auf die zunehmende Wasserknappheit in
Europa zu reagieren. Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD)
sprach angesichts der aktuellen Trockenheit in Deutschland bereits
von einer Naturkatastrophe - mit spürbaren Folgen für Umwelt,
Schifffahrt und Wirtschaft.