Berlin gibt Widerstand gegen Pariser Pro-Atom-Kurs auf
22.05.2025 11:54
Wer in Atomkraftwerke investiert, macht nach EU-Regeln etwas Gutes
fürs Klima. Deutschland sah das bislang anders. Nun kommen neue Töne.
Brüssel (dpa) - Deutschland vollzieht einen radikalen Kurswechsel in
der Energiepolitik auf EU-Ebene und gibt den Widerstand gegen die
Einstufung von Atomenergie als nachhaltig auf. Die Bundesregierung
stellt sich damit an die Seite Frankreichs, das schon länger für eine
solche Politik wirbt.
In einem Anfang des Monats veröffentlichten gemeinsamen Papier der
Regierungen in Paris und Berlin heißt es, man werde einen
deutsch-französischen Neustart in der Energiepolitik durchführen,
«der auf Klimaneutralität, Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität
beruht». Das bedeute etwa, die Gleichbehandlung auf EU-Ebene aller
emissionsarmer Energien sicherzustellen. Auch Kernenergie gilt als
emissionsarm.
In der sogenannten Taxonomie sollten Technologien, die kein CO2
ausstoßen, beziehungsweise CO2-arm sind, bevorzugt werden, sagte
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche bei einem Treffen mit
EU-Amtskollegen in Brüssel. Die Taxonomie ist eine Art Gütesiegel für
nachhaltige Finanzprodukte. Jede eingesparte Tonne CO2 sei gut. «Hier
müssen wir technologieoffen sein», sagte die CDU-Politikerin.
Atomkraft seit Jahren ein Streitthema
In der Taxonomie listet die Europäische Union Bereiche auf, in die
investiert werden kann, um den Klimawandel zu bekämpfen. Auch
bestimmte Investitionen in Gas- oder Atomkraftwerke werden dort als
klimafreundlich eingestuft. Das sorgt seither für Diskussionen und
Kritik, da bei der Nutzung von Atomenergie radioaktiver Müll
entsteht. Die vorige Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte
die klimafreundliche Einstufung von Investitionen in Atomkraftwerke
kritisiert. Frankreich ist ein klarer Befürworter von Atomstrom und
arbeitet am Ausbau.
Die schwarz-rote Bundesregierung plant zwei Jahre nach dem
Atomausstieg keine Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland. Dazu gebe
es einen gesellschaftlichen Konsens, sagte Bundesumweltminister
Carsten Schneider (SPD) vor Kurzem. Auf Belgiens Abkehr vom eigenen
Atomausstieg reagierte sein Ministerium mit Skepsis.
Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss kritisierte, die neue
Bundesregierung gebe ihre Verhandlungsposition gegenüber Frankreich
ohne Not und ohne Gegenleistung auf. «Damit werden die Interessen der
Erneuerbaren Energien der französischen Atomlobby geopfert.» Es dürfe
kein naives Verscherbeln zentraler Interessen für die Energiewende
und einen gerechten Wettbewerb geben, sagte er.