Trumps Kehrtwende: EU und USA ringen um Lösung im Zollstreit Von den dpa-Korrespondenten

26.05.2025 18:42

Um einen Monat will der US-Präsident seine angekündigten
Importabgaben verschieben. Es ist nicht das erste Mal, dass Trump
binnen kürzester Zeit bei seiner Zollpolitik plötzlich umschwenkt.

Washington/Berlin (dpa) - Im Zollkonflikt mit den USA will die
Europäische Union eine weitere Eskalation des Handelsstreits
vermeiden und die Gespräche aufrechterhalten. Von EU-Seite habe man
immer gesagt, dass man bereit sei, ein Abkommen zu schließen, sagte
eine Sprecherin der EU-Kommission. Bereits für diesen
Montagnachmittag sei ein weiteres Telefonat zwischen
EU-Handelskommissar Maros Sefcovic und US-Handelsminister Howard
Lutnick vereinbart.

Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf der
Plattform X nach einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump
geschrieben: «Europa ist bereit, Gespräche schnell und entschlossen
voranzubringen.» 

Zu Details des von von der Leyen initiierten Gesprächs am
Montagnachmittag wollte sich die Sprecherin unter Verweis auf
mögliche Risiken für die Verhandlungen nicht äußern. Sie bestätig
te
allerdings, dass weiter das EU-Angebot auf dem Tisch liege,
gegenseitig alle Zölle auf Industriegüter aufzuheben. «Wir halten das

nach wie vor für einen sehr attraktiven Ausgangspunkt für gute
Verhandlungen, die beiden Seiten des Atlantiks Vorteile bringen
können», sagte sie.

Bundeswirtschaftsministerin Reiche mahnt zu Tempo

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) begrüßte den
Zollaufschub, dringt allerdings auf Tempo. «Es bleiben noch sechs
Wochen, eine Lösung zu finden», sagte sie. «Die Zeit muss jetzt
intensiv genutzt werden. Unternehmen und Verbraucher auf beiden
Seiten des Atlantiks sind auf gute Handelsbeziehungen angewiesen.
Daran müssen wir festhalten.»

Ministeriumskreisen zufolge hatte sich Reiche am Wochenende nach der
Äußerung von Präsident Trump zu den Zöllen gegenüber der EU
telefonisch mit EU-Handelskommissar Sefcovic ausgetauscht. Sie habe
dabei der EU-Kommission die volle Unterstützung Deutschlands in ihrem
Kurs zugesagt, weiter alles für eine Verhandlungslösung zu tun.

Auch SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil dringt auf Tempo:
«Wir wollen jetzt ein schnelles Ergebnis», sagte er in Berlin nach
einem Treffen mit dem für Wohlstand und Industriestrategien
zuständigen Exekutiv-Vizepräsidenten der EU-Kommission, Stéphane
Séjourné. Die Bundesregierung wolle, dass es zu einer Lösung mit den

USA komme. «Wir sind vorsichtig optimistisch, dass das jetzt auch in
den nächsten Tagen gelingen kann.» 

Am Freitag hatte Trump der EU überraschend mit Strafzöllen in Höhe
von 50 Prozent ab 1. Juni gedroht, nur um sie dann in der Nacht zum
Montag um gut einen Monat aufzuschieben. Nun wollen beide Seiten bis
zum 9. Juli eine Lösung finden. 

Das Datum markiert den Ablauf eines im April von Trump festgesetzten
Aufschubs für andere von ihm angekündigte Zölle. Damals hatte er neue

Strafabgaben auf Importe aus aller Welt nach großen Turbulenzen an
den Aktien- und Finanzmärkten für 90 Tage ausgesetzt. Derzeit gelten
bereits zusätzliche Importgebühren, etwa 25 Prozent auf Stahl und
Aluminium oder Autos aus der EU, sowie 10 Prozent auf alle Produkte.

Lange: EU verhält sich nicht unfair

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament,
Bernd Lange (SPD), sagte im ZDF-Morgenmagazin: «Es ist völlig
ungerechtfertigt, was im Moment in den USA uns angedroht wird.» Bis
zum 9. Juli sollte ein Rahmenabkommen geschlossen werden, «sodass
zumindest diese Drohungen und auch das eine oder andere an
existierenden Zöllen zurückgenommen werden kann». Mit Blick auf
Trumps Drohungen sagte Lange, er rechne allerdings nicht damit, «dass
er die völlig aufgeben wird».

Lange sprach erneut von illegalen und nicht gerechtfertigten Zöllen.
Die EU verhalte sich nicht unfair. Aber man könne versuchen, das
US-Handelsbilanzdefizit zu reduzieren. Etwa dadurch, dass die EU mehr
Flüssigerdgas (LNG) aus den USA kaufe oder mehr Chips für Künstliche

Intelligenz. Man wolle keine Eskalation. Aber wenn Trump bei 10 bis
25 Prozent Zöllen bleibe, werde es auch Gegenzölle auf US-Waren
geben. 

Handelsexpertin: EU-Staaten sollten an einem Strang ziehen

Die US-Handelsexpertin Laura von Daniels von der Stiftung
Wissenschaft und Politik sagte der dpa: «Offensichtlich reichen
Präsident Trump die Avancen der europäischen Seite nicht aus, er will
noch mehr aus einem solchen Deal herausholen.» Wichtig sei es nun,
dass die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam vorgehen: «Letztlich gewinnen
alle, wenn sie an einem Strang ziehen und nicht ausscheren», sagte
sie. Trump habe zuletzt gezeigt, dass er EU-Kommissionspräsidentin
von der Leyen als Stimme Europas sehe. «Es ist wichtig für die EU,
wenn sie weiterhin ein starkes Verhandlungsgewicht haben will, dass
sie mit einer Stimme spricht.» 

Von Daniels verwies darauf, dass die EU und die USA nicht zwingend
ein umfassendes Handelsabkommen abschließen müssen. «Es reicht
vielleicht bereits eine vorläufige Vereinbarung darüber, dass man die
Zölle gegenseitig nicht weiter steigern und stattdessen Handel
miteinander betreiben möchte.» Eine solche Lösung würde von Daniels

als gesichtswahrenden Erfolg für die EU werten. 

Wirtschaftsinstitut: Zweifel an einem großen Deal

Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW)
bezweifelt, dass bei den Verhandlungen ein großer Wurf gelingen wird:
«Ein alle Industriegüter umfassendes Abkommen mit Null-Zöllen auf
beiden Seiten wird es nicht geben, da es aus Sicht der USA das
bilaterale Handelsdefizit vergrößert», sagte er der Deutschen
Presse-Agentur auf Anfrage. Ein Abkommen zwischen der EU und den USA
sei wahrscheinlicher, je eher es sich auf wenige Produkte erstreckt,
die für die USA wichtig sind - das seien in erster Linie
Agrarprodukte.

VDMA: Zollpolitik von Trump verunsichert deutsche Unternehmen

Die erratische US-Wirtschaftspolitik unter Trump verunsichert derweil
die deutschen Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau. Laut einer
Umfrage des Branchenverbandes VDMA sehen drei von vier Unternehmen
einen starken Einfluss der gestiegenen weltweiten Unsicherheit auf
den eigenen Betrieb. «Die Unsicherheit betrifft nicht nur den Handel
mit den USA, sondern strahlt auch auf andere wichtige Absatzmärkte
aus, etwa in Asien und Europa», sagte VDMA-Chefvolkswirt Johannes
Gernandt.