EU-Automarkt: Tesla rutscht weiter ab - VW im Aufwind Von Marco Engemann, dpa-AFX
27.05.2025 06:33
Der US-Elektroautopionier von Elon Musk leidet in Europa weiter unter
schwachen Verkäufen und wird hier erstmals vom chinesischen Rivalen
BYD düpiert. Der VW-Konzern hingegen profitiert.
Brüssel (dpa) - Der US-Elektroautobauer Tesla kann den Aufschwung am
europäischen Elektroautomarkt weiter nicht für sich nutzen. Im April
setzte es einen weiteren herben Dämpfer für die Firma des
umstrittenen Firmenchefs Elon Musk. Erneut stürzten die
Neuzulassungen in der Europäischen Union ab, diesmal um mehr als die
Hälfte, wie aus Daten des europäischen Herstellerverbands Acea
hervorgeht. Nach den ersten vier Monaten des Jahres muss Tesla ein
Minus von gut 46 Prozent auf nur noch 41.677 Autos verkraften.
Der EU-Automarkt insgesamt tritt zwar in diesem Jahr bislang auf der
Stelle, doch gerade bei den Elektroautos zieht er nach der Schwäche
im Vorjahr wieder kräftig an. In den ersten vier Monaten entfielen
15,3 Prozent der Neuzulassungen in der EU auf reine Batterieautos,
ein Jahr zuvor waren es nur 12 Prozent gewesen. In Stückzahlen betrug
das Wachstum über ein Viertel.
VW verdoppelt E-Auto-Auslieferungen
Tesla kommt zusehends unter Druck in einem Markt, für den der
umstrittene Unternehmer Musk mit der sogenannten Gigafabrik in
Grünheide vor den Toren Berlins seine Zelte aufschlug und dafür
Milliarden investierte. Nicht nur kommt Volkswagen mit seinen
Elektroautos mittlerweile auf Touren und fährt Tesla meilenweit
voraus - der Wolfsburger Konzern konnte die Auslieferungen reiner
Elektrofahrzeuge in Europa im ersten Quartal mehr als verdoppeln.
Auch der chinesische Elektro-Weltmarktführer BYD («Build Your
Dreams») sitzt Musk im Nacken - mehr noch: Er hat ihn in Europa bei
reinen Elektroantrieben (BEV - battery electric vehicles) nun
überholt. Nach Daten der Marktforscher von Jato Dynamics war es im
April erstmals so weit.
BYD aus China zieht an Tesla vorbei
In den Zahlen von Jato - die 28 Länder umfassen statt nur die EU -
landete BYD im April mit 7.231 Autos hauchdünn vor Tesla mit 7.165
Autos. Jato-Analyst Felipe Munoz sprach trotz des geringen Vorsprungs
von einem «Wendepunkt» für den europäischen Automarkt, vor allem, d
a
Tesla den Markt seit Jahren anführe und BYD erst spät richtig
losgelegt habe.
BYD greift derzeit stark auf Eigenzulassungen der Händler und
Verkäufe an Autovermieter zurück, wie Daten des Kraftfahrtbundesamts
für Deutschland zeigen, den größten Automarkt in der EU. In den
ersten vier Monaten gingen hierzulande von 2.791 neu zugelassenen
BYD-Modellen nur knapp zwölf Prozent an private Halterinnen und
Halter.
Zwar macht der Absatz an Firmen in Deutschland generell den
Löwenanteil der Zulassungen auch bei anderen Autobauern aus.
Allerdings ist der Anteil von Privatkäufern bei BYD sehr niedrig:
Mercedes etwa kommt auf fast 37 Prozent, die Marke VW Pkw auf rund 26
Prozent.
BYD, Nio und Xpeng in Deutschland wenig gefragt
Generell liegt BYD in Deutschland mit seinen Verkäufen bislang auf
einem niedrigen Niveau. Das geht auch anderen Anbietern wie Nio und
Xpeng nicht anders. Wie Branchenanalyst Matthias Schmidt von Schmidt
Automotive Research erklärt, haben es die chinesischen Hersteller
insgesamt aber zunächst vor allem auf Großbritannien, Spanien und
Italien abgesehen - und fahren mit dieser Strategie auch gut.
In Großbritannien gilt es wegen der nicht so großen heimischen
Konkurrenz als einfacher für Newcomer, einen Platz im Markt zu
finden. Das zeigt sich auch in historischen Daten des Marktes, sagt
Experte Schmidt. Und in Spanien und Italien fänden günstige Autos
ohnehin mehr Anklang bei den dort preisbewussten Käufern, erläutert
der Fachmann. In Westeuropa sei im ersten Quartal fast jedes 20. neue
Auto ein chinesisches gewesen, analysiert er. Das ist ein fast
doppelt so hoher Marktanteil wie vor zwei Jahren.
EU-Zölle bremsen Anbieter aus China
Die Zölle aus Brüssel gegen importierte Elektroautos aus der
Volksrepublik sind den Anbietern aus Fernost dabei allerdings in die
Parade gefahren. Die EU-Kommission wähnte unlauteren Billigwettbewerb
durch Subventionen aus Peking und erhob vergangenes Jahr Strafzölle,
die je nach Hersteller variieren. Die Chinesen machen eine Tugend
daraus: Zwei von drei Autos chinesischer Hersteller haben laut
Schmidt mittlerweile mindestens einen Plug-in-Antrieb, enthalten also
einen Verbrennungsmotor. Somit fallen sie nicht unter die erhöhten
Zölle.
Aber auch bei den Vollstromern wollen die Asiaten vorankommen. BYD
stellte vergangene Woche seinen Elektrokleinwagen Dolphin Surf vor -
ein Auto zum Einführungspreis von 19.990 Euro. Lange schon fordern
etwa Politiker und nicht zuletzt die Käufer günstigere Elektroautos,
damit sich die Elektromobilität auch bei den Normalverbrauchern
ausbreitet. Das von VW angekündigte günstige Kleinwagenpendant
«ID.Every1» in dieser Preisklasse dürfte aber erst 2027 auf den Markt
kommen.
Deutsche Hersteller mit starkem Image
Deutsche Hersteller profitieren aber auf ihrem Heimatmarkt und im
Ausland von ihrem guten Ruf in Sachen Qualität. In einer aktuellen
Befragung im Auftrag der Unternehmensberatung Bearingpoint in den
USA, China, Frankreich und Deutschland liegen die deutschen Marken in
jedem der vier Märkte beim Vertrauen in die Qualität vorne.
«Dazu trägt sicher auch bei, dass Kunden sich nicht sicher sind, ob
es den Hersteller in ein paar Jahren noch geben wird und ob sie noch
einen Ansprechpartner für Service und Reparaturen haben», sagt Manuel
Schuler, globaler Leiter Automotive bei Bearingpoint. Ihr gutes Image
verschaffe den deutschen Herstellern einen gewissen Aufschub im
Konkurrenzkampf mit den Herausforderern gerade aus China, sagt
Schuler.
BYD will Service stärken
BYD komme mit großer Geschwindigkeit auch auf den deutschen Markt,
sagte BYD-Topmanagerin Stella Li jüngst im ZDF-Interview. Sie
kündigte weitere Verkaufssteigerungen in den kommenden Monaten an -
und legt den Fokus auch auf die Sorge vieler deutscher Autofahrer:
den Service nach dem Kauf. Der Preis sei zwar ein maßgebliches
Kriterium. «Aber auch der Service danach ist sehr wichtig. Wir
arbeiten daran, mehr Service-Werkstätten anzubieten, wir arbeiten
dafür auch mit Dritten zusammen», sagte sie.
In Ungarn und der Türkei investiert der Elektroautoriese in eigene
Produktionsstätten. «Wir sind wie andere Firmen offen dafür, auch
anderswo zu investieren, auch in Westeuropa.» Im Fall von Deutschland
ließ sie sich aber nicht in die Karten schauen: «Wir wissen es
nicht.»