Streit um Verbot von Pride-Umzug - EU-Länder mahnen Ungarn

27.05.2025 16:40

20 EU-Staaten stellen sich klar gegen Ungarns Pride-Verbot. Auch
Deutschland verschärft den Ton Richtung Budapest - und bringt einen
möglichen Entzug der Stimmrechte ins Spiel.

Brüssel (dpa) - Deutschland und 19 weitere EU-Staaten erhöhen den
Druck auf Ungarn wegen neuer Gesetze gegen geschlechtliche und
sexuelle Minderheiten. In einer gemeinsamen Erklärung äußern sich die

Länder «zutiefst besorgt» über Gesetzesänderungen, die unter ande
rem
Geldstrafen für Veranstalter von Pride-Demonstrationen sowie eine
automatische Gesichtserkennung bei solchen Events ermöglichen. Diese
Maßnahmen bedrohten die Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und
den Datenschutz, heißt es. 

Bei Pride-Paraden demonstrieren Menschen für die Rechte von
lesbischen, schwulen, bisexuellen, Trans- und queeren Menschen
(LGBTQ).

Die Unterzeichner - darunter auch Frankreich, die Niederlande und die
nordischen Länder - fordern, dass Ungarn die Gesetze überarbeitet und
seine internationalen Verpflichtungen wahrt. Andernfalls solle die
EU-Kommission «alle Instrumente des Rechtsstaatsmechanismus» nutzen.
Zunächst beteiligten sich 17 Mitgliedsstaaten an der Erklärung, bis
Dienstagnachmittag schlossen sich drei weitere Länder an.

Neben dem Vorgehen gegen Pride-Demonstrationen steht Ungarn auch für
ein Gesetz in der Kritik, das die Arbeit von
Nichtregierungsorganisationen einschränken soll.

Bundesregierung erwägt Entzug der Stimmrechte

Die neue Bundesregierung schließt wegen Ungarns Umgang mit der
Rechtsstaatlichkeit auch einen Einsatz für den Entzug der Stimmrechte
auf EU-Ebene nicht aus. Jede Geduld habe «irgendwann mal ihr Ende»,
sagte der deutsche Europastaatsminister Gunther Krichbaum (CDU) bei
einem EU-Treffen in Brüssel. Die ungarische Regierung stelle «absolut
verbindliche Prinzipien» wie Meinungs- und Pressefreiheit infrage,
die in der EU für Zusammenhalt sorgen würden.

Ein Entzug der Stimmrechte wäre nach Artikel 7 des Vertrags über die
Europäische Union möglich, sollten die anderen Mitgliedsstaaten
einstimmig feststellen, dass eine schwerwiegende und anhaltende
Verletzung der Rechtsstaatlichkeit vorliegt. Den Schritt wolle man
zwar vermeiden, gleichzeitig aber «nichts unversucht lassen», sagte
Krichbaum. «Wir hoffen natürlich, dass auch Ungarn irgendwann mal
diesen Ernst der Lage wirklich erkennt.»

Budapest weist die Vorwürfe zurück

Ungarns Europaminister Janos Boka wies die Vorwürfe bezüglich der
Pride unterdessen zurück. «Es gibt in Ungarn kein Pride-Verbot»,
sagte er am Rande eines Treffens in Brüssel. Er wolle seinen
Kolleginnen und Kollegen die rechtlichen und verfassungsrechtlichen
Grundlagen erläutern. Boka hoffe, dass diese danach ein
«nuancierteres Bild» der ungarischen Gesetzgebung hätten.

Das ungarische Parlament hatte am 18. März per Eilverfahren die
bisher alljährlichen Pride-Paraden verboten. Formell ist die
Neuregelung eine Ergänzung des Versammlungsgesetzes, die vorsieht,
dass Versammlungen das Kinderschutzgesetz nicht verletzen dürfen. Die
Pride-Parade wird darin nicht explizit genannt, sie ist jedoch
mitgemeint, wie auch aus den Debatten im Parlament hervorging.