EU-Kommission: Klimaziel für 2030 in greifbarer Nähe von Katharina Redanz, dpa
28.05.2025 15:33
Bis 2030 sollen die Emissionen in der EU um mehr als die Hälfte
reduziert werden. Wenn alle Länder nur ein bisschen mehr machen als
sie planen, könnte das laut EU-Kommission klappen.
Brüssel (dpa) - Die EU-Staaten sind nach einer neuen Analyse der
Europäischen Kommission auf gutem Wege, ihr gemeinsames Klimaziel für
2030 zu erreichen. Wenn die Länder ihre Vorhaben und EU-Vorschriften
vollständig umsetzten, würden die Emissionen bis 2030 um etwa 54
Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt, teilte die Brüsseler
Behörde mit. Ziel der Staatengemeinschaft bis Ende des Jahrzehnts ist
eine Reduzierung um 55 Prozent.
Die Analyse zeige, dass «die EU ihren Klimaverpflichtungen treu
bleibt, entschlossen in den Übergang zu sauberer Energie investiert
und der industriellen Wettbewerbsfähigkeit der EU sowie der sozialen
Dimension Vorrang einräumt», so die Kommission. Nun gelte es, die
Pläne in die Tat umzusetzen, um Stabilität und Vorhersehbarkeit zu
gewährleisten.
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte, wenn der Kurs beibehalten
werde, «bin ich zuversichtlich, dass wir es schaffen können und
werden». Die Emissionen seien seit 1990 um 37 Prozent gesunken,
während die Wirtschaft um fast 70 Prozent gewachsen sei. «Jetzt
müssen wir auf diesem Schwung aufbauen. Investitionen in saubere
Technologien und Innovationen sind entscheidend für die
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und eröffnen neue Märkte für
EU-Unternehmen.» Jeder Sektor in jedem Mitgliedstaat müsse zur
Umsetzung beitragen.
Auch Deutschland spielt Rolle
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) sagte, Europa sei auf
dem richtigen Kurs. Dabei sei auch die konsequente Umsetzung der
Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland unabdingbar und bereits
eingepreist. «Es gibt keinen Grund, jetzt in unseren Anstrengungen
nachzulassen», sagte er. Das gelte es auch zu berücksichtigen bei der
Ausarbeitung eines Klimaschutzprogramms in Deutschland bis Ende des
Jahres.
Die Umweltschutzorganisation WWF blickt skeptisch auf die
Klima-Bemühungen Berlins. Das EU-Klimaziel für 2030 werde nur
erreichbar sein, wenn auch die neue deutsche Regierung ihren Beitrag
zuhause leiste, hieß es. Bislang verhalte sich Deutschland aber
basierend auf dem Koalitionsvertrag «nicht sonderlich solidarisch».
Es hänge jetzt am Willen und Handeln von Union und SPD: «Sie haben es
in der Hand, Deutschland auf Klimakurs zu bringen und damit auch für
ganz Europa einen entscheidenden Beitrag zur Zielerreichung zu
leisten.»
Nationale Klimapläne als Grundlage
Grundlage für die Bewertung der Kommission sind die nationalen
Klimapläne aller EU-Staaten (National Energy and Climate Plan; NECP).
In diesen Plänen, die verpflichtend bei der EU-Kommission
einzureichen sind, soll jedes Land detailliert zeigen, wie es vorhat,
die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Ziel ist es, die Energie- und
Klimapolitiken vergleichbar darzustellen und untereinander
abzustimmen sowie das Erreichen der Ziele verlässlich zu überwachen.
Die Pläne von Belgien, Estland und Polen stehen derzeit noch aus.
Ihre Gesamtziele seien aber in die Bewertung miteingeflossen, hieß
es.
Werden die Pläne auch erfüllt?
Allerdings ist ungewiss, ob die Ziele tatsächlich den Plänen
entsprechend erfüllt werden. «Das Erreichen dieser Ziele ist eine
gemeinsame Anstrengung und gemeinsame Verantwortung auf EU-Ebene und
von allen EU-Mitgliedstaaten», mahnt die Kommission. Die Behörde
werde die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten verstärken und sie
bei ihren Umsetzungsbemühungen unterstützen - und will etwa für die
Straffung von Verfahren und einen besseren Zugang zu Geld sorgen.
Lücken sieht die Kommission allerdings noch in den einzelnen
Sektoren, die zur Senkung der Emissionen beitragen müssen. So müsse
vor allem in fünf Ländern in Bereichen wie Verkehr, Gebäude und
Landwirtschaft noch etwas mehr passieren. Während die Lücke bei den
Zielen für erneuerbare Energien mit 1,5 Prozent nur noch klein sei,
seien für eine bessere Energieeffizienz noch «entschiedenere
Maßnahmen zur Senkung der Energienachfrage» erforderlich.
«Green Deal»-Gesetze müssen umgesetzt werden
Bei der vergangenen Analyse der NECPs 2023 kam die Kommission noch zu
dem Schluss, dass die damals vorgesehenen Maßnahmen zu einer
Verringerung um 51 Prozent führen würden. Die Länder hätten die L
ücke
zur Erreichung der Ziele deutlich geschlossen, hieß es nun von der
Kommission. Dazu dürften auch Vorschriften aus dem sogenannten Green
Deal mit beigetragen haben, die in den vergangenen Jahren und Monaten
in Kraft getreten sind.
In der vergangenen Legislaturperiode bis 2024 hatte die EU-Kommission
unter Präsidentin Ursula von der Leyen den «Green Deal» vorgelegt -
ein beispielloses Maßnahmen- und Gesetzespaket, das unter anderem für
einen drastischen Rückgang der Treibhausgasemissionen sorgen soll. Er
umfasst neue Vorgaben in Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie
oder Landwirtschaft. Während bis 2024 unterschiedliche Klima-Gesetze
verabschiedet wurden, ist die Umsetzung in den Ländern aber auch
weiter die große Herausforderung. Strengere Regeln für die
Landwirtschaft wurden etwa nach großen Bauernprotesten in vielen
EU-Ländern teils zurückgenommen. Jüngst wurden auch Vorgaben für
Autobauer zum Erreichen von Abgasgrenzwerten gelockert.
Realität im Kontrast zur Rhetorik in vielen Ländern
Allerdings offenbare die Analyse der Kommission eine Realität, die
klar im Kontrast zur politischen Rhetorik in vielen Ländern stehe,
sagt Linda Kalcher von der Brüsseler Denkfabrik Strategic
Perspectives. «Die EU-Staaten treiben die Klimapolitik voran, auch
wenn die öffentliche Debatte in manchen Ländern das Gegenteil
vermuten lässt.» Es sei an der Zeit, über diese Rhetorik
hinauszugehen und anzuerkennen, dass solche politischen Maßnahmen die
Führungsrolle im Bereich der sauberen Technologien stärken,
Investitionen lenken und für Arbeitsplatzsicherheit sorgen können,
forderte sie.
Zwischenziel für 2040 fehlt noch
Neben dem Ziel für 2030 gilt in der EU das festgeschriebene Ziel, bis
2050 klimaneutral zu werden - also nicht mehr Treibhausgase
auszustoßen als wieder gebunden werden können. Ein verbindliches
Zwischenziel für 2040 gibt es noch nicht. Ein entsprechender
Gesetzesvorschlag der Behörde dazu wird bis zur Sommerpause erwartet,
darüber muss dann von den EU-Ländern und dem Europaparlament
verhandelt werden.
Im vergangenen Jahr empfahl die EU-Kommission bereits, eine Minderung
um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 festzulegen. Einige im
Europaparlament und unter den EU-Staaten halten das für ehrgeizig.
Aus EU-Kreisen heißt es, die Kommission wolle zwar an der
90-Prozent-Vorgabe festhalten - gleichzeitig aber mehr Flexibilität
schaffen, um sie zu erreichen. Dazu zählt etwa die Anerkennung von
Klimazertifikaten aus Nicht-EU-Ländern. CDU, CSU und SPD nennen dies
im Koalitionsvertrag als eine Voraussetzung für die deutsche
Unterstützung für das 90-Prozent-Ziel.
Ob die EU auch tatsächlich auf dem Weg ist, ihr Klimaziel für 2030 zu
erreichen, ist am ehesten an Daten zum Rückgang von Emissionen
abzulesen. Einem Bericht der EU-Umweltagentur von Februar zufolge sei
die Staatengemeinschaft bei der Verringerung der
Treibhausgasemissionen gut vorangekommen.