Bezahlt Bulgarien bald mit Euro und Cent? Von Katharina Redanz, Elena Lalowa und Jörn Bender, dpa
04.06.2025 04:00
Seit Jahren bemüht sich Sofia um die Aufnahme in den Club der
Euroländer. 2026 könnte es klappen. Gut findet das nicht jeder.
Brüssel/Sofia (dpa) - Eigentlich wollte Bulgarien den Euro schon 2024
einführen. Doch weil die Inflation zu hoch war, gab es bislang ein
«Nein» aus Brüssel in Richtung Sofia. Nun könnte die EU-Kommission
grünes Licht geben: Heute will die Brüsseler Behörde ihren
sogenannten Konvergenzbericht vorlegen. Darin wird geprüft, wo
EU-Länder ohne Euro bei der Erfüllung der Kriterien zur Einführung
der Gemeinschaftswährung stehen.
Warum will Bulgarien den Euro einführen?
«Der Beitritt zur Eurozone ist eine Möglichkeit, dass Bulgarien
reicher wird», werben das Finanzministerium und die Nationalbank BNB
in Sofia in einer Informationskampagne. Der Euro werde dem
Fremdenverkehr helfen und bulgarischen Herstellern den Handel mit
Europa und der Welt erleichtern.
Das seit Januar amtierende prowestliche Koalitionskabinett bemüht
sich um einen Beitritt des Balkanlandes zum Euroraum zum 1. Januar
2026. Bulgarien ist seit 2007 EU-Mitglied. Doch seine Nationalwährung
Lew (Löwe) ist schon seit 1999 an den Euro gekoppelt - im Verhältnis
1,95583 für einen Euro. Nach einer Finanz- und Währungskrise war der
Lew seit 1997 bereits im Verhältnis 1:1 an die D-Mark gekoppelt.
Wieso hat es bislang nicht geklappt?
Ursprünglich war die Euro-Einführung in Bulgarien für Anfang 2024
geplant. Unter anderem wegen der damals vergleichsweise hohen
Inflationsrate von 9,5 Prozent musste der Beitritt zur Eurozone
verschoben werden. Aus Sicht der EU-Kommission war das Kriterium der
Preisstabilität nicht erfüllt. In ihrer jüngsten Konjunkturprognose
ging die EU-Kommission für Bulgarien von einer Inflationsrate von 3,6
Prozent im laufenden Jahr und 1,8 Prozent 2026 aus.
Bulgarien gehört zu den ärmeren EU-Ländern und ist beim
Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung auch 2024
EU-Schlusslicht - auch wenn die Wachstumsraten höher waren als
anderswo. Vorläufigen Angaben von Eurostat zufolge lag die
Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr 34 Prozent unter dem
EU-Durchschnitt.
Die EU-Kommission ging zuletzt von einem Wirtschaftswachstum von 2,0
Prozent in diesem Jahr und von 2,1 Prozent 2026 aus. Die
Arbeitslosenquote dürfte demnach in Bulgarien dieses Jahr weiter auf
4,0 Prozent sinken und im nächsten Jahr auf 3,8 Prozent.
Das Vermögen in dem Balkanland ist sehr ungleichmäßig verteilt, die
Kluft zwischen Arm und Reich ist groß. Der Mindestlohn beträgt 1.077
Lewa (626,83 Euro) im Monat. 30 Prozent der Wirtschaft entfallen nach
den Worten von Finanzministerin Temenuschka Petkowa auf die
Schattenwirtschaft.
Was sind die Bedingungen für den Beitritt zum Euro?
Für den Euro-Beitritt müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden. Dazu
gehören Preisstabilität, solide öffentliche Finanzen und stabile
Wechselkurse. Die Inflation zum Beispiel darf nicht aus dem Ruder
laufen, damit der Wert des Geldes gewahrt und seine Kaufkraft
erhalten bleibt.
Die Euro-Beitrittskandidaten müssen zudem nachweisen, dass sie ihre
Staatsverschuldung im Griff haben. Und sie müssen dafür sorgen, dass
der Wechselkurs ihrer Landeswährung stabil bleibt, damit zum Beispiel
Unternehmen vorausschauend planen können.
Wer entscheidet über den Euro-Beitritt eines Landes?
Die Fortschritte der Euro-Beitrittskandidaten bei den sogenannten
Konvergenzkriterien werden regelmäßig von der Europäischen
Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission überprüft - mindestens einmal
alle zwei Jahre oder auf Antrag eines EU-Staats, der den Euro noch
nicht eingeführt hat.
Ob ein Land bereit ist für den Euro, entscheidet letztlich der Rat
der Europäischen Union. Vertreter aus allen EU-Ländern treffen diese
Entscheidung auf Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission und
nach Anhörung des Europäischen Parlaments.
Gibt es weitere EU-Länder ohne Euro?
Derzeit zahlen 350 Millionen Menschen in 20 Staaten Europas mit der
Gemeinschaftswährung. Als bislang letztes Land war zum 1. Januar 2023
Kroatien in den Kreis der Länder der Eurostaaten aufgenommen worden.
Bulgarien wäre also das 21. Land im Euro-Club.
Nach den EU-Verträgen sind alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme
Dänemarks verpflichtet, dem Euro-Währungsgebiet beizutreten, sobald
sie die Voraussetzungen erfüllen. Außer in Bulgarien steht die
Einführung der Gemeinschaftswährung noch in Polen, Rumänien,
Schweden, Tschechien und Ungarn aus.
Gibt es Kritiker in Bulgarien?
Die prorussische nationalistische Partei Wasraschdane (Wiedergeburt)
ist gegen den Euro. Die Nationalisten, die im Europaparlament
zusammen mit der deutschen AfD zur Fraktion Europa der souveränen
Nationen gehörten, werben für den Erhalt der Landeswährung Lew. Die
drittstärkste Partei im bulgarischen Parlament warnt vor einem
«Preisschock» noch vor der Einführung des Euro.
Staatspräsident Rumen Radew stellt den von der Regierung angestrebten
Termin 2026 zur Einführung des Euro infrage. Der als prorussisch
geltende Politiker bemängelt, dass die Bevölkerung nicht ausreichend
auf eine Währungsumstellung vorbereitet sei. Er fordert zudem
Maßnahmen gegen eine übermäßige Verteuerung von Waren und
Dienstleistungen.
Kann es noch ein Referendum in Bulgarien geben?
Radew forderte vergeblich eine Volksbefragung über den Termin zur
Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung in Bulgarien. Sein
Antrag wurde nicht zur Abstimmung im Parlament zugelassen. Erst vor
wenigen Tagen lehnte die prowestliche Parlamentsmehrheit zum zweiten
Mal nach 2023 ein von Wasraschdane beantragtes Referendum über den
Euro ab.
Bulgariens Bevölkerung ist Umfragen zufolge über den Euro gespalten.
33,4 Prozent sehen nach einer jüngsten Umfrage des Instituts Gallup
International Balkan «eher Nutzen» in der Einführung des Euro.
Dagegen befürchten 32,9 Prozent «eher Nachteile». 22,6 Prozent
erwarten weder Nutzen noch Nachteile.
Welche Auswirkungen hätte ein Beitritt Bulgariens auf die Eurozone?
Ein weiteres Land im gemeinsamen Währungsraum erleichtert Handel und
Reisen. Wer Geschäfte macht oder investieren will, muss sich dann
keine Sorgen mehr um Wechselkurse machen. Zudem wäre der Vergleich
von Preisen zwischen den bisherigen Euroländern und Bulgarien
einfacher, wenn auch dort mit Euro bezahlt würde.
Auch Touristen würden profitieren, weil sie sich nach einem
Euro-Beitritt Bulgariens keine Landeswährung mehr besorgen müssen,
was in der Regel mit Kosten verbunden ist.
Bulgarien würde mit seinem Beitritt zum Euroraum mit den anderen
Eurostaaten über die Stabilität der gemeinsamen Währung wachen: als
Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), in dem die
geldpolitischen Entscheidungen zum Beispiel zur Höhe der Leitzinsen
im Währungsraum getroffen werden.