EU-Kommission: Grünes Licht für Euro-Einführung in Bulgarien Von Katharina Redanz, Elena Lalowa und Jörn Bender, dpa
04.06.2025 13:09
Der Club der Euroländer bekommt voraussichtlich im nächsten Jahr ein
neues Mitglied: Bulgarien bemüht sich schon länger um Aufnahme. Nun
hat das Land eine wichtige Hürde überwunden.
Brüssel/Sofia (dpa) - Bulgarien kann aus Sicht der Europäischen
Kommission die Gemeinschaftswährung Euro einführen. Das
EU-Mitgliedsland erfülle die dafür notwendigen Kriterien, teilte die
Brüsseler Behörde mit. Bulgarien will seine Landeswährung Lew
(Deutsch: Löwe) zum 1. Januar 2026 mit dem Euro ersetzen.
Das Balkanland ist seit 2007 Mitglied der Europäischen Union und wäre
das 21. Land mit der Gemeinschaftswährung. Als bislang letztes Land
war zum 1. Januar 2023 Kroatien in den Kreis der Eurostaaten
aufgenommen worden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete den Euro
als «ein greifbares Symbol der europäischen Stärke und Einheit». Da
nk
des Euro werde die bulgarische Wirtschaft stärker werden - mit mehr
Handel mit den Partnern im Euroraum, ausländischen
Direktinvestitionen, Zugang zu Finanzmitteln, hochwertigen
Arbeitsplätzen und Realeinkommen. In Bulgarien gibt es teils heftige
Proteste gegen die Einführung des Euro.
Einführung bereits verschoben
Bulgarien gehört zu den ärmeren EU-Ländern und ist beim
Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung auch 2024
EU-Schlusslicht - obwohl die Wachstumsraten höher waren als anderswo.
Vorläufigen Angaben von Eurostat zufolge lag die
Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung in Bulgarien im vergangenen Jahr um 34
Prozent unter dem EU-Durchschnitt.
Ein weiteres Land im gemeinsamen Währungsraum erleichtert Handel und
Reisen. Wer Geschäfte macht oder investieren will, muss sich dann
keine Sorgen mehr um Wechselkurse machen. Auch Touristen würden
profitieren, weil sie sich nach einem Euro-Beitritt Bulgariens keine
Landeswährung mehr besorgen müssen, was in der Regel mit Kosten
verbunden ist.
Ursprünglich war die Euro-Einführung in Bulgarien für Anfang 2024
geplant. Unter anderem wegen der damals vergleichsweise hohen
Inflationsrate von 9,5 Prozent wurde der Beitritt verschoben. Aus
Sicht der EU-Kommission war das Kriterium der Preisstabilität nicht
erfüllt.
Alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks sind nach den
EU-Verträgen verpflichtet, dem Euro-Währungsgebiet beizutreten,
sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Außer in Bulgarien steht die
Einführung der Gemeinschaftswährung noch in Polen, Rumänien,
Schweden, Tschechien und Ungarn aus.
Bestimmte Kriterien müssen erfüllt werden
Für den Euro-Beitritt müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden. Dazu
gehören Preisstabilität, solide öffentliche Finanzen und stabile
Wechselkurse. Die Inflation zum Beispiel darf nicht aus dem Ruder
laufen, damit der Wert des Geldes gewahrt und seine Kaufkraft
erhalten bleibt.
Die Euro-Beitrittskandidaten müssen zudem nachweisen, dass sie ihre
Staatsverschuldung im Griff haben. Und sie müssen dafür sorgen, dass
der Wechselkurs ihrer Landeswährung stabil bleibt, damit zum Beispiel
Unternehmen vorausschauend planen können.
Die Fortschritte der Euro-Beitrittskandidaten bei diesen sogenannten
Konvergenzkriterien werden regelmäßig von der Europäischen
Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission überprüft. Ob ein Land bereit
ist für den Euro, entscheidet letztlich der Rat der Europäischen
Union. Vertreter aus allen EU-Ländern treffen diese Entscheidung auf
Grundlage eines Vorschlags der EU-Kommission und nach Anhörung des
Europäischen Parlaments.
Auch grünes Licht von der EZB
Auch nach Einschätzung der EZB ist Bulgarien fit für den Euro. Das
Land habe seit 2024 gute Fortschritte bei den entscheidenden
wirtschaftlichen Kennzahlen gemacht, die für einen Beitritt zum
Währungsraum erfüllt werden müssen. «Diese positive Bewertung der
Konvergenz ebnet den Weg dafür, dass Bulgarien am 1. Januar 2026 den
Euro einführen und als 21. EU-Mitgliedstaat dem Euroraum beitreten
kann», sagt EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane.
Um die wirtschaftliche Lage in dem Balkanland zu stabilisieren,
halten die Euro-Währungshüter allerdings weitreichende
Strukturreformen für erforderlich. Dazu gehöre die Verpflichtung
Bulgariens, Korruption weiter einzudämmen, ein unabhängiges und
effizientes Justizsystem zu gewährleisten und das Bildungssystem zu
verbessern. Wichtig sei auch, dass das Land seine Infrastruktur
modernisiere, um das Produktionspotenzial zu steigern.
Proteste in Bulgarien
In Bulgarien wird die Debatte um die Einführung des Euro von heftigen
Protesten begleitet. Erst am vergangenen Samstag demonstrierten
Anhänger prorussischer und nationalistischer Parteien in der
Hauptstadt Sofia und in anderen Städten. Sie fordern, dass die
Landeswährung Lew erhalten bleibt, da sie befürchten, dass der Euro
die Preise in die Höhe treiben wird.
Im Februar entzündeten Nationalisten vor dem Eingang der
EU-Vertretung in Sofia ein Feuer. Zudem gossen sie rote Farbe auf die
gläserne Fassade des Gebäudes, es flogen Molotow-Cocktails und Eier.
Die prorussische nationalistische Oppositionspartei Wasraschdane
(Wiedergeburt) wirft den Behörden vor, Daten zu fälschen, um die
Einführung des Euro zu ermöglichen. Mit der Einführung des Euro wür
de
Bulgarien seine nationale Souveränität verlieren, beklagt die Partei.
Euro-Gegner fordern Referendum
Wasraschdane-Chef Kostadin Kostadinow verlangte eine Volksabstimmung
über den Erhalt der bulgarischen Nationalwährung Lew. 604.000
Unterschriften für ein Referendum wurden gesammelt, doch das
bulgarische Parlament lehnte zweimal eine Volksabstimmung zur
Währungsfrage ab - 2023 und im Mai 2025.
Bulgariens Bevölkerung ist Umfragen zufolge in der Euro-Frage in zwei
Lager gespalten. Laut einer Meinungsumfrage des bulgarischen
Instituts Mjara von 10. bis 13. Mai ist mehr als die Hälfte der
Volljährigen (54,9 Prozent) gegen eine Einführung des Euro 2026. Gut
ein Drittel (34,4 Prozent) befürwortet einen Beitritt zur Eurozone im
kommenden Jahr.
Einer Umfrage des Instituts Gallup International Balkan in der
zweiten Mai-Hälfte zufolge sehen 33,4 Prozent «eher Nutzen» in einer
Einführung des Euro. Dagegen befürchten 32,9 Prozent «eher
Nachteile». 22,6 Prozent erwarten weder Vor- noch Nachteile.