EU-Kommission will Defizitverfahren gegen Österreich starten Von Katharina Redanz und Albert Otti, dpa
04.06.2025 17:22
Österreich hatte die Krisen der vergangenen Jahre mit staatlichen
Ausgaben bekämpft. Nun reagiert die EU. Was bedeutet das für Wien?
Brüssel (dpa) - Die Europäische Kommission will gegen Österreich ein
Strafverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung einleiten. Das Land
weise ein übermäßiges Defizit auf, teilte die für die Einhaltung vo
n
EU-Schuldenregeln zuständige Brüsseler Behörde mit. Ziel des
Defizitverfahrens ist es, Staaten zu solider Haushaltsführung zu
bringen.
Voriges Jahr betrug das staatliche Defizit der Alpenrepublik 4,7
Prozent der Wirtschaftsleistung - es liegt damit deutlich über der
EU-Obergrenze von 3 Prozent. Gleichzeitig steckt Österreich in einer
Wirtschaftskrise mit starker Teuerung, schwacher Konsumnachfrage und
anhaltender Rezession. Laut einer Prognose der EU-Kommission ist
Österreich das einzige EU-Mitglied, dessen Wirtschaft dieses Jahr
schrumpfen wird. Die aktuelle Regierung will die Staatsausgaben bis
2029 um insgesamt 54 Milliarden Euro senken.
Österreichs Außenministerin und Vorsitzende der liberalen Neos, Beate
Meinl-Reisinger, sagte laut Nachrichtenagentur APA, dass sie ein
Defizitverfahren gern vermieden hätte. Aber: «Wir biegen das gerade.»
Die Budgetkonsolidierung benötige eine enorme gemeinsame
Kraftanstrengung von Bund und Ländern.
EU-Kommission für Aufsicht zuständig
Die EU-Kommission beaufsichtigt, ob die EU-Länder die Vorgaben für
Haushaltsdefizite und Staatsschulden einhalten. Die europäischen
Schuldenregeln gelten für jeden Mitgliedstaat. Das Regelwerk erlaubt
eine Neuverschuldung von höchstens drei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Nächster Schritt im Verfahren gegen Österreich sind nun
Stellungnahmen des Wirtschafts- und Finanzausschusses. Danach will
die Kommission Stellungnahmen abgeben, um das Bestehen eines
übermäßigen Defizits zu bestätigen. Dann wird die Kommission den
EU-Finanzministern vorschlagen, Empfehlungen zur Defizitreduzierung
auszusprechen.
Wien nicht überrascht
Der Schritt kommt für Österreich nicht überraschend. Die Regierung
aus konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos
hatte schon mehrfach die Möglichkeit eines Defizitverfahrens in den
Raum gestellt. Die vorige Regierung aus ÖVP und Grünen hatte die
wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und des
Ukraine-Krieges mit kostspieligen Stützmaßnahmen abgefedert. Außerdem
wurden verschiedene Umwelt-Förderungen umgesetzt.
Defizitverfahren sollen solide Haushaltsführung bewirken
Wird ein Strafverfahren eingeleitet, muss ein Land Gegenmaßnahmen
einleiten, um Verschuldung und Defizit zu senken. Damit soll vor
allem die Stabilität der Eurozone gesichert werden. Theoretisch sind
bei anhaltenden Verstößen auch Strafen in Milliardenhöhe möglich. I
n
der Praxis wurden diese aber noch nie verhängt.
Die Defizitverfahren waren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen
des russischen Angriffs auf die Ukraine vorübergehend ausgesetzt. Im
vergangenen Jahr startete die Kommission Strafverfahren auch gegen
Frankreich, Italien, Belgien, Ungarn, Malta, Polen und die Slowakei.
In den Verfahren gegen die meisten dieser Länder müssten derzeit aber
keine weiteren Schritte unternommen werden, teilte die Kommission nun
mit. Auch gegen Rumänien läuft ein Verfahren.
Regelwerk jüngst reformiert
Die Regeln für Staatsschulden und Defizite, die auch Stabilitäts- und
Wachstumspakt genannt werden, wurden 2024 nach jahrelanger Debatte
reformiert. Neben der Obergrenze für die Neuverschuldung gilt
grundsätzlich weiterhin, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates
60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf.
Deutschland erreichte im vergangenen Jahr eine Defizitquote von 2,8
Prozent des Bruttoinlandsprodukts und bleibt damit im
vorgeschriebenen Rahmen.
Um für solide Finanzen zu sorgen, muss jedes Land gemeinsam mit der
für die Aufsicht zuständigen EU-Kommission einen vierjährigen
Haushaltsplan aufstellen. Unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn ein
Land sich zu wachstumsfördernden Reformen und Investitionen
verpflichtet, kann der Plan auf sieben Jahre ausgeweitet werden. Auch
können Länder eine Ausnahmeregel für Investitionen in Rüstungsgüt
er
nutzen.