Achte Zinssenkung seit Sommer 2024: Macht die EZB nun Pause? Von Alexander Sturm und Jörn Bender, dpa

05.06.2025 16:05

Die Inflation flaut ab, die Wirtschaft braucht im Zollstreit
Unterstützung: Grund genug für die Europäische Zentralbank, Geld noch

günstiger zu machen. Es könnte die vorerst letzte Zinssenkung sein.

Frankfurt/Main (dpa) - Druck auf Europas Wirtschaft im Zollstreit mit
den USA und eine schnell sinkende Inflation: Nach acht Zinssenkungen
innerhalb eines Jahres könnte die Europäische Zentralbank (EZB) eine
Pause auf ihrem rasanten geldpolitischen Lockerungskurs einlegen.
Denn wegen der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump sind die
Aussichten so unsicher wie selten zuvor.

Zunächst beschloss die EZB, den für Banken und Sparer wichtigen
Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent herabzusetzen.
Damit hat die Notenbank den Einlagenzins seit Beginn ihrer Serie an
Zinssenkungen im Juni 2024 halbiert. Für Firmen wird es tendenziell
billiger, sich für Investitionen Geld zu leihen - das kann die
Konjunktur ankurbeln. Sparerinnen und Sparer jedoch müssen mit noch
niedrigeren Tages- und Festgeldzinsen rechnen.

Mit dem aktuellen Zinsniveau sei die Notenbank «gut aufgestellt», um
durch die aktuelle Unsicherheit zu steuern, sagte EZB-Präsidentin
Christine Lagarde in Frankfurt. Die Notenbank komme bei ihrem
Zinssenkungszyklus zu einem Ende. Doch es blieben Unsicherheiten -
etwa, was den Ausgang des Zollstreits zwischen der Europäischen Union
und den USA angehe.

«Sind langsam am Ende der Zinstreppe»

Ökonomen gehen davon aus, dass die EZB die Leitzinsen vorerst kaum
noch senken wird. «Wir sind langsam am Ende der Zinstreppe nach unten
angekommen», sagt auch Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. «Ein oder
maximal zwei Schritte könnten noch folgen, dann hat die EZB ein neues
Gleichgewicht erreicht.»

Der Direktor des Frankfurter Leibniz-Institut für
Finanzmarktforschung SAFE, Florian Heider, hält eine weitere
geldpolitische Lockerung nicht für notwendig: «Eine weitere
Stimulation der Wirtschaft durch niedrige Zinsen ist im Moment nicht
angebracht. Viele wirtschaftliche Probleme sind struktureller Natur.»

Zollstreit mit Trump Gift für Konjunktur

Dass der EZB-Rat bei seiner Juni-Sitzung die Zinsen senken würde, war
erwartet worden. Denn die Inflation im Euroraum ist deutlich
zurückgegangen - damit fällt ein Argument für höhere Zinsen weg. Im

Mai fiel die Teuerungsrate nach einer ersten Schätzung des
Statistikamts Eurostat auf 1,9 Prozent und damit unter die
EZB-Zielmarke. Die Notenbank strebt für den Währungsraum
mittelfristig eine Rate von 2,0 Prozent an.

Zugleich belastet der Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump die
Konjunktur. Allein die Unsicherheit ist Gift, wie EZB-Vizepräsident
Luis de Guindos jüngst in einem Interview betonte.

Schwache Wirtschaft, aber steigende Staatsausgaben

Dieses Jahr traut die EZB der Wirtschaft im Euroraum trotz des
Zollstreits weiterhin 0,9 Prozent Wachstum zu. Für 2026 erwartet die
Notenbank nun einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 1,1
Prozent.

Während die Unsicherheit um die Handelspolitik Investitionen und
Exporte belasten dürfte, werden steigende öffentliche Ausgaben für
Verteidigung und Infrastruktur das Wachstum mittelfristig stützen -
so die EZB-Einschätzung. Zudem könnten Verbraucher dank steigender
Löhne mehr Geld ausgeben und Unternehmen sich günstiger finanzieren.

Inflation schwindet schneller als erwartet

Die Inflation dürfte nach Einschätzung der EZB schneller sinken als
zuletzt angekommen. Im Gesamtjahr 2025 erwartet die Notenbank mit 2,0
Prozent eine Punktlandung, nachdem sie im März eine Teuerungsrate von
2,3 Prozent angenommen hatte. 2026 dürfte die Inflation nach der
jüngsten EZB-Prognose mit 1,6 Prozent die Zielmarke sogar deutlich
unterschreiten.

Je höher die Inflation, umso geringer die Kaufkraft der Menschen,
weil sie sich dann für einen Euro weniger leisten können. Aber auch
dauerhaft sinkende Preise wollen Zentralbanken möglichst vermeiden:
Denn dann könnten Firmen und Verbraucher Investitionen in der
Hoffnung auf noch günstigere Preise aufschieben - das würde die
Konjunktur bremsen.

«Inzwischen gibt es sehr gute Gründe, über den Sommer hinweg erstmal

auf weitere Zinsschritte zu verzichten», sagt Heiner Herkenhoff,
Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB. «Weitere Zinssenkungen

der EZB würden die Inflation wieder aktiv antreiben», warnt er.
Niemand wisse genau, welche Preiseffekte aus den Zollkonflikten
entstünden.

Lagarde will Amtszeit zu Ende bringen

Jüngsten Spekulationen über einen vorzeitigen Rückzug von der
EZB-Spitze trat Lagarde entgegen. Sie sei «entschlossen», ihre
Amtszeit zu Ende zu bringen, betonte die Französin. Zuletzt hatte es
Berichte gegeben, wonach Lagarde Klaus Schwab als Leiter des
Weltwirtschaftsforums (WEF) ablösen könnte. Lagardes achtjährige
Amtszeit bei der EZB läuft bis Ende Oktober 2027.