EU entzieht Ukraine vorerst Zollvorteile

06.06.2025 04:03

Wenige Monate nach Beginn der russischen Invasion brachte die EU
Handelserleichterungen für die Ukraine auf den Weg - die jetzt
ausgelaufen sind. Was bedeutet das für das angegriffene Land?

Brüssel (dpa) - Die Europäische Union hat Handelsvorteile für die
Ukraine auslaufen lassen, mit denen das von Russland angegriffene
Land drei Jahre lang unterstützt wurde. Um Mitternacht deutscher Zeit
traten nach Angaben der EU-Kommission Übergangsregeln in Kraft, die
gelten sollen, bis Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen
abgeschlossen sind. 

Was bedeutet das für die Ukraine? 

Nach Angaben ukrainischer Agrarorganisationen deuten vorläufige
Schätzungen darauf hin, dass die Änderungen der Ukraine einen
Milliardenverlust bescheren könnten. Sie befürchten einen Wegfall von
Deviseneinnahmen von bis zu 3,3 Milliarden Euro und einen Rückgang
der Wirtschaftsleistung um rund 2,5 Prozent in diesem Jahr. 

Auf die Frage, ob die EU die Ukraine nun mit mehr Finanzhilfen
unterstützen müsse, sagte ein Sprecher der EU-Kommission jüngst, fü
r
eine Antwort darauf sei es noch zu früh. «Das sind genau die Fragen,
denen wir in unseren Gesprächen mit unseren ukrainischen Partnern auf
den Grund gehen müssen», so der Sprecher.

Welche Erleichterungen fallen nun weg? 

Die EU hatte rund 100 Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs
im Februar 2022 ukrainische Waren von Einfuhrzöllen ausgenommen.
Damit sollte die Wirtschaft des Landes gestärkt werden, denn im
Zentrum der Maßnahmen stehen landwirtschaftliche Erzeugnisse. Das
osteuropäische Land hat einen vergleichsweise großen Agrarsektor, der
2023 mehr als sieben Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachte. Zum
Vergleich: In Deutschland ist es nicht einmal ein Prozent.

Vergangenes Jahr wurden die Handelserleichterungen noch verlängert,
aber gleichzeitig strengere Vorgaben für bestimmte
Lebensmittelimporte in die EU eingeführt. Dabei ging es um Geflügel,
Eier, Zucker, Hafer, Mais, Grobgrieß und Honig.

Warum sind die Erleichterungen umstritten? 

Die Unterstützung der Ukrainer durch Zollbefreiung war vielen
europäischen Bauern ein Dorn im Auge, vor allem in östlichen
Nachbarländern wie Polen und Ungarn. Sie beklagten unverhältnismäßi
ge
Konkurrenz durch günstige Agrarimporte aus der Ukraine. Auch aus
Frankreich kamen Rufe nach strengeren Zollregeln. Nationale
Interessen im Agrarbereich spielten nach Angaben aus
EU-Diplomatenkreisen auch in der aktuellen Debatte zum Auslaufen der
Handelserleichterungen eine Rolle.

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange
(SPD), bezeichnete es als «unsäglich», dass es nicht gelungen sei,
vor dem Auslaufen der Handelserleichterungen eine einvernehmliche
Lösung zu finden. Er wertete den Wegfall der Zollbefreiung als
unangemessene Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten in Polen.

Dort hatte am Sonntag der rechtskonservative EU-Skeptiker Karol
Nawrocki die Präsidentenwahl mit knappem Vorsprung gewonnen. Nawrocki
hatte auch mit antieuropäischen Parolen Wahlkampf gemacht und will
dem regierenden Mitte-Links-Bündnis des Proeuropäers Donald Tusk das
Leben schwermachen.

Welche Regeln gelten nun?

Seit Mitternacht gelten nach Angaben der EU-Kommission wieder die
Zollkontingente eines seit 2016 angewendeten Abkommens. Da fast die
Hälfte des Jahres schon vorbei ist, stehen bis Ende 2025 demnach
sieben Zwölftel der Jahresmengen aus dem alten Handelsabkommen zur
Verfügung.

Die Kommission teilte mit, sie arbeite zügig auf ein neues Abkommen
hin. Dabei gehe man auch auf die von europäischen Landwirten und
einigen EU-Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken ein. 

Wie geht es jetzt weiter?

Unterhändler der EU und der Ukraine sind im Gespräch über ein
dauerhaftes neues Abkommen. Der Druck auf die Ukraine, möglichst
schnell zu einem Ergebnis zu kommen, ist mit dem Auslaufen der
bisherigen Erleichterungen gestiegen. Wie lange die Gespräche dauern
werden, ist noch unklar. Handelspolitiker Lange hofft darauf, «jetzt
zügig ein Ergebnis zu erzielen».