Juncker: Grenzkontrollen dürfen nicht Normalzustand werden

08.06.2025 04:01

Am 14. Juni wird der 40. Jahrestag des Schengener Übereinkommens über
grenzenloses Reisen gefeiert. Die festliche Stimmung sei getrübt,
sagt Juncker.

Luxemburg (dpa) - Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker warnt die EU-Länder vor der Wiedereinführung von dauerhaften
Grenzkontrollen. «Sie dürfen nicht zum neuen Normalzustand werden»,
sagt Juncker der Deutschen Presse-Agentur. In 10 von 27 Ländern der
EU würden derzeit wieder Kontrollen an den Grenzen stattfinden.

Es fehle in diesen Ländern die Botschaft an die Bürger, dass die
Grenzkontrollen nur vorübergehend seien. «Auch in Deutschland hört
man immer wieder, dass das dauerhafte Grenzkontrollen sein sollten,
was überhaupt nicht im Einklang steht mit dem Impetus der
Schengen-Verträge», sagte Juncker.

Er gehe aber davon aus, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) «als
überzeugter Europäer rechtzeitig die Bremse ziehen wird, bevor sich
der momentane Zustand in einen Dauerzustand verändert». Gerade an der
Grenze zu Luxemburg, die täglich zehntausende Pendler überquerten,
würden die Kontrollen als «besonders schmerzhaft» wahrgenommen.

Festliche Stimmung zu 40 Jahre Schengen «getrübt»

Am 14. Juni wird im luxemburgischen Moselort Schengen der 40.
Jahrestag der Unterzeichnung des Schengener Übereinkommens gefeiert.
Am 14. Juni 1985 hatten Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien
und die Niederlande den schrittweisen Abbau der Grenzkontrollen
vereinbart. Heute gehören 29 Staaten mit knapp 420 Millionen
Einwohnern zum Schengen-Raum.

40 Jahre Schengen: Das sei ein Grund zum Feiern, sagte Juncker.
«Schengen ist für mich die Vervollständigung des europäischen Traum
s,
dass die Bürger der EU ohne Probleme die Grenzen überschreiten
können.» Die wieder eingeführten Grenzkontrollen «trüben allerdin
gs
die festliche Stimmung in sehr erheblichem Maße», sagte der
Luxemburger.

Er hoffe, dass von der Erinnerungszeremonie am 14. Juni in Schengen
auch die Botschaft ausgehe: «Dass man so nicht weitermachen kann!
Wenn sich Grenzkontrollen normalisieren und wieder alltäglich werden,
dann kann man Schengen abschreiben», sagte Juncker. Er sei bei der
Feier «mit einem lachenden und einem weinenden Auge» dabei.

Juncker: Deutschland hat besondere Rolle

Klar sei aber, dass es schon bald eine gesamteuropäische Diskussion
der EU-Staats- und Regierungschefs brauche, wie man mit der
Flüchtlingsfrage umgehe. Die Außengrenzen der EU müssten besser
geschützt werden. 

Deutschland hatte Mitte September 2024 an allen deutschen
Außengrenzen Grenzkontrollen wieder eingeführt und dies mit dem Kampf
gegen illegale Migration begründet. Im Mai wurden die Kontrollen mit
der neuen Bundesregierung verstärkt.

Wenn Deutschland «den Bruch der Schengen-Logik» zum Dauerzustand
mache, würden andere, die weniger europäisch gesinnt seien als Merz,
das auch tun, sagte Juncker. «Und deshalb hat Deutschland hier seine
besondere und beispielgebende Rolle in Europa zu beachten.»

Juncker sagte, er sorge sich insgesamt darum, dass Europa abrücke von
«einem eindeutigen europapolitischen Zustimmungsdiskurs». Die
Populisten setzen «ihren Marsch durch die nationalen Institutionen»
fort, die jüngste Präsidentschaftswahl in Polen zeige in diese
Richtung. Dort hatte der rechtskonservative Karol Nawrocki knapp
gewonnen. 

Zudem beobachte Juncker - auch mit Sorge - dass in den klassischen
europapolitischen Parteien der Mitte die Zahl derer, «die den
Populisten nach dem Mund reden», zunehme. Er wünsche sich, dass
wieder mehr Menschen zu einem eindeutigen Europadiskurs zurückfinden,
sagte Juncker.