Erneut schwere Angriffe - Kiew will Ölpreisgrenze halbieren

11.06.2025 10:03

Angesichts beispielloser russischer Angriffe aus der Luft will die EU
neue Sanktionen gegen Russlands Ölsektor erheben. Kiew fordert mehr.
Die Angriffe gehen unvermindert heftig weiter.

Kiew/Brüssel (dpa) - Erneut hat es bei russischen Luftangriffen auf
die Ukraine in der Nacht Tote und Dutzende Verletzte gegeben. In der
ostukrainischen Stadt Charkiw wurden nach Angaben der regionalen
Behörden bei einem heftigen Drohnenangriff mindestens drei Menschen
getötet. Mehr als 60 Menschen seien verletzt worden, darunter 9
Kinder, schrieb Regionalgouverneur Oleh Synjehubow auf Telegram. 

Die Attacke folgt auf eine Reihe massiver Luftangriffe der
vergangenen Tage. Vor diesem Hintergrund treibt die EU neue
Sanktionen gegen Russlands Ölsektor voran. Der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj fordert die westlichen Industrieländer dabei auf,
ihre Preisobergrenze für russisches Öl zu halbieren.

Die Öl-Preisobergrenze soll Russlands Einnahmen aus Ölexporten
begrenzen, ohne die weltweite Energieversorgung zu gefährden.
Westliche Staaten dürfen russisches Öl nur kaufen, wenn der Preis
diese Obergrenze nicht überschreitet.

Kinder unter den Verletzten

Erst in der Nacht zum Montag hatte Russland die benachbarte Ukraine
mit dem seit Kriegsbeginn zahlenmäßig größten Drohnenangriff
überzogen. Vor wenigen Tagen war auch der bislang heftigste Angriff
auf Charkiw mit mehreren Toten und zahlreichen Verletzten gemeldet
worden. 

Bürgermeister Ihor Terechow berichtete in der Nacht von getroffenen
Wohnhäusern, Spielplätzen und Geschäften sowie einem größeren Bra
nd.
Der Nachrichtenagentur RBK-Ukraine zufolge wurden auch Gebäude von
Unternehmen beschädigt.

Ihrerseits griff die Ukraine das russische Hinterland mit Drohnen an.
Ein Ziel war dabei nach Medienberichten eine Sprengstofffabrik in der
Stadt Kotowsk im Gebiet Tambow. 

EU stellt neue Sanktionen vor - Selenskyj fordert mehr

Die Preisobergrenze für russisches Öl liegt derzeit bei 60 Dollar pro
Barrel. Selenskyj will diese halbieren. «Jeder unserer Partner weiß,
welcher Preisdeckel nötig ist - 30 Dollar (pro Barrel), nicht mehr»,
sagte er in seiner abendlichen Videobotschaft. Selenskyj bezog sich
auf den Vorschlag der EU-Kommission, die Preisobergrenze auf 45
Dollar zu senken. 

Die Halbierung würde nach Ansicht Selenskyjs Russland tatsächlich
unter Druck setzen, Frieden zu suchen. Andere Motive verstehe Moskau
nicht. Er sei im Bilde darüber, dass der Westen derzeit über einen
Preiskompromiss verhandle. «Schluss mit den Kompromissen gegenüber
Russland», jeder dieser Kompromisse verzögere den Frieden, sagte
Selenskyj. 

Die EU-Kommission hatte zuvor neue Sanktionen gegen Russland
vorgeschlagen, die den Energie- und Bankensektor der Atommacht
treffen sollen. Allerdings müssen die Mitgliedsländer den Maßnahmen
noch zustimmen. Die Regierung der Slowakei hat schon Widerstand gegen
das 18. Sanktionspaket angekündigt. Bratislava stört sich am
geplanten Aus für den Import von Gas, Öl und Kernbrennstoffen. 

G7-Treffen gilt als richtungsweisend

«Die Ölpreisobergrenze ist eine Maßnahme der G7-Koalition, daher
werden wir Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche beim
G7-Gipfel in Kanada darüber beraten, wie wir gemeinsam vorgehen
wollen», sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. 

Das Gipfeltreffen der sieben westlichen Industrienationen (G7) findet
am 15. bis 17. Juni in Kanada statt. Mitglieder der «Gruppe der
Sieben» sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan,
Kanada und die USA. Auch US-Präsident Donald Trump wird erwartet.

Trump gegenüber Russland abwartend

Trump selbst hat bislang neue Sanktionen gegen Russland vermieden und
stattdessen den Druck auf die angegriffene Ukraine erhöht. Damit soll
seinen Worten nach eine Beendigung des Kriegs erreicht werden. Im
Gegensatz zu seinem Vorgänger Joe Biden sieht sich Trump nicht als
Unterstützer der Ukraine, sondern als Vermittler.

Im US-Senat wird allerdings derzeit ein neues Sanktionspaket gegen
Russland vorbereitet. Und auch Trump hatte sich unzufrieden mit den
heftigen russischen Angriffen gegen ukrainische Städte gezeigt.

Angriffswucht der Russen zuletzt stetig gestiegen

So hatte Russland erst in der Nacht zum Montag die benachbarte
Ukraine mit dem seit Kriegsbeginn zahlenmäßig größten Drohnenangrif
f
überzogen. Zum Einsatz gekommen seien 479 Kampfdrohnen des Typs
Shahed und deren Attrappen, 4 Hyperschallraketen des Typs Kinschal,
14 verschiedene Marschflugkörper und 2 Luft-Boden-Raketen des Typs
Ch-31, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte. Unabhängig lassen
sich die Angaben nicht überprüfen. Es hatte mehrere Verletzte
gegeben.

Auch davor gab es mehrere Nächte mit einer Rekordzahl an Drohnen.
Nach Darstellung Selenskyjs sind die Attacken mit immer höheren
Drohnenzahlen keine Reaktion auf den ukrainischen Coup gegen die
strategische Bomberflotte Russlands zu Monatsbeginn. Russland setze
seit Monaten immer mehr Waffen bei den Angriffen ein, betonte
Selenskyj. Der Trend sei stetig und zeuge davon, dass Russland nicht
an Frieden interessiert sei.

Moskau meldet Abschuss mehrerer Drohnen

In der zentralrussischen Region Woronesch fing die Luftabwehr
unterdessen mindestens fünf ukrainische Drohnen ab, wie die
Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf den hiesigen Gouverneur
Alexander Gussew schrieb. Es habe keine Verletzten oder Schäden
gegeben. Der Luftverkehrsbehörde zufolge wurde der Flugverkehr an den
Flughäfen in an zwei Flughäfen in Kaluga und Saratow vorübergehend
eingschränkt, so Tass.

Merz wirft Russland «Terror gegen die Zivilbevölkerung» vor

Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete am Dienstag die jüngsten
Angriffe als «Terror gegen die Zivilbevölkerung» und «schwerste
Kriegsverbrechen». «Russland hat mit zahlreichen Drohnen und
Marschflugkörpern gezielt und rücksichtslos eben die Zivilbevölkerung

attackiert», sagte der CDU-Politiker nach einem Treffen mit dem
niederländischen Ministerpräsidenten Dick Schoof in Berlin. Das sei
«alles andere als eine verhältnismäßige Antwort auf die sehr präz
isen
ukrainischen Schläge» gegen militärische Ziele in der vergangenen
Woche.