Im neuen Europamuseum geht's auch um Schengen in der Krise Von Birgit Reichert und Harald Tittel , dpa

12.06.2025 08:10

Zum historischen Jubiläum 40 Jahre Schengen wird das völlig neu
gestaltete Europamuseum im Dreiländereck eröffnet. Dazu gibt es eine
Botschaft.

Schengen (dpa/lrs) - Wer heute über Schengen spricht, redet auch über
Grenzkontrollen - und zwar über neue. Kontrollen sind innerhalb des
Schengen-Raumes eigentlich schon lange abgeschafft. Aber viele
Staaten kontrollieren ihre Binnengrenzen wieder und begründen das -
wie Deutschland - mit dem Kampf gegen illegale Migration. Besonders
in luxemburgischen Schengen im Dreiländereck zu Deutschland und
Frankreich stoßen diese Kontrollen auf heftige Kritik.

Jetzt hat dieses brisante Thema, das nicht nur Tausende Pendler in
der ganzen Grenzregion bewegt, im neuen Europäischen Museum Schengen
seinen Platz bekommen. Auch die Corona-Krise, die dazu führte, dass
Grenzübergänge in Deutschland zu Luxemburg und Frankreich geschlossen
wurden, findet sich in der neuen Ausstellung. Das Museum ist im Jetzt
angekommen.

An diesem Samstag (14. Juni) wird das neu gestaltete Museum feierlich
eröffnet. Genau 40 Jahre ist es dann her, dass im Moselort das
Schengener Übereinkommen unterzeichnet wurde: Deutschland,
Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande hatten damals den
schrittweisen Abbau der Grenzkontrollen vereinbart. Heute gehören 29
Staaten mit rund 420 Millionen Einwohnern zum Schengen-Raum.

Vieles habe sich geändert, seit die erste Ausstellung 2010 an den
Start ging, sagte Museumsleiterin Martina Kneip. «Damals wurden die
offenen Grenzen eigentlich nur bejubelt.» Mit Corona und der
Flüchtlingskrise habe es dann auf einmal geheißen: «Schengen ist tot

und man will es nicht mehr, es ist an allem schuld.» Auf diese andere
Wahrnehmung habe man reagieren wollen - und auch deshalb eine neue
Ausstellung konzipiert.

Rückkehr des historischen Schiffes ein Höhepunkt

Hochmodern, bunt und eingängig kommt sie daher. Auf einem großen
Bildschirm erscheint, welche Staaten zum Schengen-Raum gehören.
Zuletzt seien die Länder Kroatien, Bulgarien und Rumänien
dazugekommen, sagte Kneip. Vier Länder gehören zu Schengen, ohne
Mitglied in der EU zu sein: die Schweiz, Lichtenstein, Norwegen und
Island. 

Vieles geht interaktiv: Man bekommt eine Chipkarte beim Einchecken,
mit der man am Bildschirm zwischen Deutsch, Englisch und Französisch
wählen kann. Herzstück der Ausstellung ist ein mit Hunderten Fahnen
der Schengen-Länder ummantelter Raum, in dem Besucher Kurzfilme mit
persönlichen Geschichten von Menschen sehen, die mit offenen Grenzen
leben.

Es geht aber auch um die große Geschichte, wie am 14. Juni 1985 fünf
Staatssekretäre an Bord eines vor Schengen liegenden Fahrgastschiffes
das Übereinkommen unterzeichneten. «Damals hat man sich nicht
vorstellen können, dass sich das jemals so entwickeln würde», sagte
Kneip. 1990 wurde dann die Umsetzung festgelegt, 1995 trat das
Abkommen in Kraft.

Einem Teil dieser Geschichte können Besucher in dem 700-Einwohner-Ort
nun nachspüren: Das Schiff, auf dem das Abkommen 1985 unterzeichnet
wurde, kommt zurück nach Schengen und wird als Teil des neuen Museums
zugänglich sein. Das Schiff mit neuen Namen «Prinzessin Marie-Astrid
Europa» wurde bei Bonn renoviert und wird Freitag erwartet. Bei einem
Festakt am Samstag soll es feierlich eingeweiht werden.

«Dann endlich haben wir eine Antwort auf die meistgestellten Fragen
der Besucher: Wo wurde das Abkommen unterschrieben und warum ist das
Schiff nicht mehr hier?», sagte der Schengener Bürgermeister Michel
Gloden. 

Das Museum wurde zuletzt von rund 40.000 Menschen pro Jahr besucht.
Die Gesamtzahl im Ort schätzt Gloden auf mindestens 100.000 jährlich.
«Wir sind in Europa sicher eines der bekanntesten Dörfer.»

Forderung nach Ende der deutschen Grenzkontrollen

Kleiner Wermutstropfen: Die Anlegestelle für das historische Schiff
direkt am Museum ist zur 40-Jahrfeier nicht fertig geworden. Das
Schiff wird daher zunächst rund 200 Meter entfernt liegen. Ab
September, Oktober dann sollten die Arbeiten aber komplett beendet
sein, sagte Gloden.

Ein wenig sinnbildlich sei die Baustelle schon, sagte er mit Blick
auf die Grenzkontrollen, die auch in und bei Schengen jeden Tag viele
Menschen im Stau ausbremsen. «Es ist wichtig, dass man die Baustelle
schnellstmöglich zu Ende bringt und Schengen wieder in Kraft setzt.
Deutschland muss mit den Grenzkontrollen wieder aufhören», forderte
er. «Sie nerven nur.»

Im Museum könne sich jeder ein Bild davon machen, «wie wertvoll und
sinnvoll die Idee von Schengen ist», sagte Gloden. Die Botschaft sei:
«Es ist uns gelungen, die Grenzen an den Ländern abzubauen und die
Grenzen in den Köpfen, die dürfen nie wieder aufkommen.» 

Zu dem Festakt am 40. Jahrestag haben sich etliche Außenminister der
EU angesagt. Nicht aus Deutschland: «Es ist schade, dass der
Außenminister Johann Wadephul (CDU) nicht kommt», sagte Gloden.