Meinungsfreiheit bei Gaza-Demos: Europarat schreibt Brief an Dobrindt

19.06.2025 11:26

Auch in Deutschland demonstrieren Menschen immer wieder gegen den
Gaza-Krieg. Der Menschenrechtskommissar des Europarates kritisiert
deutsche Behörden für ihr Vorgehen.

Straßburg/Berlin (dpa) - Der Menschenrechtskommissar des Europarats,
Michael O'Flaherty, hat sich besorgt über das Vorgehen der deutschen
Behörden bei Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg geäußert. In einem

Brief an Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte er
Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit bei
Protesten. 

Berichten zufolge sei es zu «exzessiver Gewalt» der Polizei gegen
Demonstranten gekommen, darunter auch gegen Minderjährige, schrieb
O'Flaherty. Auch habe es Verletzte gegeben. Einzelne Teilnehmer seien
angeblich einer übermäßigen Online- und Präsenzüberwachung sowie

willkürlichen Polizeikontrollen ausgesetzt gewesen. O'Flaherty
forderte die deutsche Regierung auf, von jeglichen Maßnahmen
abzusehen, die Menschen aufgrund ihrer politischen Meinung, Religion,
Nationalität oder ihres Migrationsstatus diskriminieren.

Demos in Berlin in der Kritik

Konkret bezog sich der Ire mit seiner Kritik etwa auf Demonstrationen
in Berlin. In einigen Fällen wie bei einer Versammlung am 15. Mai
dieses Jahres hätten die Behörden Proteste auf stationäre
Versammlungen eingeschränkt. Seines Wissens werde zudem seit Februar
2025 die Verwendung der arabischen Sprache und kultureller Symbole
bei Demos eingeschränkt.

Bei verschiedenen Demonstrationen kam es in der Vergangenheit teils
zu gewalttätigen Ausschreitungen, sowohl Teilnehmer als auch
Polizisten wurden dabei verletzt. Bei einer Kundgebung am
palästinensischen Nakba-Gedenktag kam es in Berlin etwa zu Tumulten
und heftigen Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei.
Teilnehmer bewarfen Polizisten mit Getränkedosen und anderen
Gegenständen und bespritzten sie mit roter Farbe. Der Gedenktag am
15. Mai erinnert an Flucht und Vertreibung Hunderttausender
Palästinenser im Zusammenhang mit der Staatsgründung Israels und dem
ersten Nahostkrieg im Jahr 1948.

Im Februar hatte die Berliner Polizei eine Kundgebung nur an einem
beschränkten Versammlungsort statt als Protestzug erlaubt. Als
weitere Auflage galt, dass nur Deutsch und Englisch gesprochen werden
durften. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte dazu im
Februar, es habe bei einer vorangegangenen Versammlung Hass und Hetze
gegeben, die nicht zu dulden seien. Zugleich betonte sie: «Wir werden
keine pauschalen Verbote aussprechen.» 

O'Flaherty: Rechtlicher Spielraum für Einschränkungen äußerst klein


Beschränkungen seien mit dem Hinweis auf die öffentliche Ordnung und
den öffentlichen Frieden verhängt worden, so schreibt O'Flaherty in
seinem Brief weiter. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte lege aber fest, dass die Meinungsfreiheit «nicht
nur für «Informationen» und «Ideen» gilt, die positiv aufgenommen

werden, als harmlos angesehen werden oder jemanden gleichgültig
lassen».

Der Europarat ist von der EU unabhängig und wurde 1949 zum Schutz von
Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet. Der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gehört zum
Europarat.