Start-ups warnen EU vor Kuhhandel mit USA bei Digitalgesetz

26.06.2025 04:31

Im Zollstreit mit den USA schwindet die Zeit für Verhandlungen. In
der Digitalbranche wächst die Sorge, dass die EU Interessen von
Start-ups zugunsten von US-Tech-Riesen opfern könnte.

Berlin/Brüssel (dpa) - Europas Start-up-Branche fürchtet, dass die EU
zentrales Digitalrecht aufweichen könnte, um den USA im laufenden
Zollstreit entgegenzukommen. In einem Brief an die EU-Kommission
warnen Digitalverbände vor möglichen Kompromissen beim Digital
Markets Act (DMA), mit dem Brüssel unter anderem US-Techkonzerne
reguliert und jüngst hohe Strafen gegen Apple und den
Facebook-Konzern Meta verhängt hat. 

Mit großer Sorge verfolge man Berichte, wonach der
US-Handelsbeauftragte vorgeschlagen habe, die Durchsetzung des DMA
für amerikanische Digitalunternehmen im Rahmen eines bilateralen
Dialogs mit der EU vorübergehend auszusetzen, heißt es in dem Brief
an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Er liegt der
Deutschen Presse-Agentur vor.

«Der DMA ist kein geopolitisches Manöver und darf auch nicht zu einem
solchen werden», schreiben die Unterzeichner, darunter das European
Startup Network, der deutsche Startup-Verband und France Digitale.
«Lassen Sie nicht zu, dass die Durchsetzung des DMA geschwächt oder
verzögert wird.»

Hohe Strafen gegen Apple und Co verärgern USA

Der DMA, der seit März 2024 in Kraft ist, soll für mehr Wettbewerb
bei digitalen Diensten sorgen. Grundannahme ist, dass manche große
Plattformbetreiber so mächtig seien, dass sie ihre Marktposition
zementieren könnten. Das Gesetz soll dies mit Regeln für Gatekeeper
(Torwächter) aufbrechen. Die Kommission hat eine Reihe von
Gatekeeper-Diensten von Unternehmen ausgemacht, darunter die
US-Tech-Riesen Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet und Meta. Mit der
Verordnung sollen auch Verbraucher gestärkt werden, indem sie etwa
von niedrigeren Preisen und besserem Datenschutz profitieren.

Erst im April hatte die EU-Kommission das Digitalgesetz eingesetzt
und dreistellige Millionenstrafen gegen Apple und Meta verhängt. Das
Vorgehen der Europäer sorgt immer wieder für Ärger in den USA und
birgt Sprengkraft im Zollstreit. Der Vorsitzende der
US-Bundeshandelskommission, Andrew Ferguson, hatte jüngst den DMA als
eine Form der Besteuerung von US-Unternehmen kritisiert. 

Zeit für Verhandlungen im Zollstreit knapp

Zuletzt hatte das «Wall Street Journal» berichtet, die EU und die USA
näherten sich bei nicht tarifären Handelsfragen von Regulierungen bis
hin zur Behandlung von US-Techkonzernen einer Einigung. Der Entwurf
scheine fast final, könne sich aber noch ändern.

Das alarmiert die Digitalbranche: «Wenn die EU europäische
Technologie-Champions fördern will, darf sie nicht gleichzeitig die
zentralen regulatorischen Grundlagen für faire digitale Märkte
untergraben», warnen die Verbände in dem Brief. Der DMA sei für
Wachstumsfirmen in Europa «ein elementares Instrument, um faire
Wettbewerbsbedingungen, Marktzugang und damit Innovation zu
gewährleisten». Mit ihrer jüngsten Strategie für Start-ups wolle di
e
Kommission selbst bessere Bedingungen für innovative Unternehmen
schaffen.

Merz dringt auf Tempo

Im Zollstreit mit den USA drängt für Europa die Zeit. US-Präsident
Donald Trump hat hohe Importzölle für 90 Tage ausgesetzt - diese
Frist läuft am 9. Juli ab. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche
(CDU) zeigte sich zuletzt verhalten optimistisch für ein knappes
Rahmenabkommen mit den USA. Kanzler Friedrich Merz drängte auf eine
schnelle Entscheidung für vier, fünf große Industrien und nannte
dabei die deutschen Schlüsselbranchen Auto- und Maschinenbau, Chemie
und Pharma.