Digitalgesetz: Start-ups warnen EU vor Einknicken vor USA
26.06.2025 14:08
Im Zollstreit mit den USA drängt die Zeit. Die Start-up-Branche
fürchtet einen Kuhhandel: Knickt die EU vor Donald Trump ein und
lockert ihr Digitalgesetz zugunsten von US-Tech-Riesen?
Berlin/Brüssel (dpa) - Europas Start-up-Branche fürchtet, dass die EU
ihr Digitalgesetz aufweicht, um einen Handelskrieg mit den USA
abzuwenden. In einem Brief an die EU-Kommission warnen
Digitalverbände vor Kompromissen beim Digital Markets Act (DMA), mit
dem Brüssel Techkonzerne reguliert und jüngst hohe Strafen gegen
Apple und den Facebook-Konzern Meta verhängt hat. Medien zufolge will
die EU bei dem Thema den USA entgegenkommen.
Mit großer Sorge verfolge man Berichte, wonach der
US-Handelsbeauftragte vorgeschlagen habe, die Durchsetzung des DMA
für amerikanische Digitalunternehmen in einem bilateralen Dialog mit
der EU vorübergehend auszusetzen, heißt es in dem Brief an
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Er liegt der Deutschen
Presse-Agentur vor.
Knickt die EU vor Trump ein?
«Der DMA ist kein geopolitisches Manöver und darf auch nicht zu einem
solchen werden», schreiben die Unterzeichner, darunter das European
Startup Network, der deutsche Startup-Verband und France Digitale.
«Lassen Sie nicht zu, dass die Durchsetzung des DMA geschwächt oder
verzögert wird.»
Die Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands, Verena Pausder, warnt
vor einem «Kuhhandel». «Das würde die Bemühungen der EU um eine
digitale Souveränität Europas völlig konterkarieren.»
Nach einem Bericht des «Handelsblatt» aus Verhandlungskreisen hat
sich die Kommission bereit erklärt, den USA künftig ein
Mitspracherecht über die Anwendung des DMA auf US-Unternehmen
einzuräumen. Zwar solle das Gesetz nicht gestrichen oder verändert
werden, doch in der praktischen Umsetzung zeige sich Brüssel
flexibel, heißt es.
Hohe Strafen gegen Apple und Co verärgern USA
Das mächtige Digitalgesetz, das seit März 2024 in Kraft ist, stärkt
die Rechte von Verbrauchern und kleineren Unternehmen gegenüber
Tech-Konzernen wie Apple oder Google. Grundannahme ist, dass große
Plattformbetreiber so mächtig sind, dass sie ihre Marktposition
zementieren könnten. Der DMA soll dies mit Regeln für Gatekeeper
(Torwächter) aufbrechen, zu denen die Kommission Apple, Amazon,
Microsoft, Alphabet und Meta zählt.
Erst im April hatte die EU-Kommission das Digitalgesetz eingesetzt
und dreistellige Millionenstrafen gegen Apple und Meta verhängt. Das
Vorgehen der Europäer sorgt immer wieder für Ärger in den USA und
birgt Sprengkraft im Zollstreit, den die EU bis Anfang Juli beilegen
will. Der Vorsitzende der US-Bundeshandelskommission, Andrew
Ferguson, hatte jüngst den DMA als eine Form der Besteuerung von
US-Unternehmen kritisiert.
Zeit für Verhandlungen im Zollstreit knapp
Zuletzt hatte bereits das «Wall Street Journal» berichtet, die EU und
die USA näherten sich bei nicht tarifären Handelsfragen, darunter die
Behandlung von US-Techkonzernen, einer Einigung. Der Entwurf sei fast
final.
Dem «Handelsblatt» zufolge soll die EU-Kommission künftig in einem
Gremium mit den USA über die Anwendung des DMA auf US-Konzerne
beraten. Die Kommission sei nicht bereit, die EU-Gesetzgebung im
Rahmen von Handelsverhandlungen zu ändern, sagte eine Sprecherin der
Zeitung: «Wann immer jedoch Bedenken auftauchen, sind wir bereit,
diese mit jedem Partnerland zu besprechen.»
Die Berichte alarmieren die Digitalverbände: «Wenn die EU europäische
Technologie-Champions fördern will, darf sie nicht gleichzeitig die
zentralen regulatorischen Grundlagen für faire digitale Märkte
untergraben», warnen sie im Brief. Der DMA sei für Wachstumsfirmen in
Europa ein elementares Instrument, um faire Wettbewerbsbedingungen zu
gewährleisten.
Merz dringt auf Tempo
Im Zollstreit mit den USA drängt für Europa die Zeit. US-Präsident
Donald Trump hat hohe Importzölle für 90 Tage ausgesetzt - diese
Frist läuft am 9. Juli ab. Trump hat bereits mit Zöllen von 50
Prozent auf EU-Importe gedroht.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zeigte sich zuletzt
verhalten optimistisch für ein knappes Rahmenabkommen mit den USA.
Kanzler Friedrich Merz forderte mehr Tempo in den Verhandlungen und
eine schnelle Entscheidung für deutsche Schlüsselbranchen wie Auto-
und Maschinenbau, Chemie und Pharma.